Zu trocken, zu nass, zu warm: So war der Sommer im Norden
Am Donnerstag ist meteorologisch gesehen der Sommer zu Ende gegangen. Dieser hat im Norden von allem etwas geboten, bilanzieren Wetterexperten - eigentlich sogar zuviel von allem. Aber der Herbst beginnt immerhin golden.
Die gut 2.000 Messstationen des Deutschen Wetterdienstes sind unbestechlich. Sie zeichnen auf, wie warm es ist und wie viel es regnet. Viele von ihnen tun das seit 1881. Und seit mehr als 70 Jahren messen sie außerdem, wie viele Stunden die Sonne täglich scheint. Der DWD verfügt also über eine recht solide Datengrundlage, um den aktuellen Sommer einzuordnen.
Danach, sagt DWD-Sprecher Andreas Friedrich, war auch der meteorologische Sommer 2023 wieder "deutlich zu warm" – immer gemessen am Vergleichszeitraum 1961 bis 1990. Das ist für seinen Kollegen Uwe Kirsche zunächst keine Überraschung: "Wir messen seit 27 Jahren in Deutschland zu warme Sommer. Wir können den Klimawandel live erleben."
17 Prozent mehr Sonnenstunden als früher
Dieser Sommer war in Deutschland mit durchschnittlich 18,6 Grad zwar etwas kühler als sein Vorgänger (2022: 19,2 Grad). Der gehörte aber auch zu den vier wärmsten seit Aufzeichnungsbeginn vor 140 Jahren. Die Sonne zeigte sich gegenüber früher gleich um ein sattes Sechstel mehr: In Juni, Juli und August schien sie bundesweit 720 Stunden – gegenüber nur 614 Stunden zwischen 1961 und 1990.
So viel Sonne - würde sich da Entertainer Rudi Carell, der 1975 über das Wetter jammerte ("Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?"), auch heute beschweren? Vermutlich. Denn im Vergleich zu den Sommermonaten vor dem Wendejahr 1990 war dieser Sommer "gut zehn Prozent zu nass", sagt DWD-Experte Friedrich. Konkret: 270 Liter Regen fielen durchschnittlich bundesweit auf jeden Quadratmeter, früher waren es sommers nur 239 Liter.
Viel Regen - aber tiefere Bodenschichten weiter trocken
"Zu nass", diese Bewertung ist aber relativ: Bauern und Forstleute haben sich über viel Regen gefreut – gerade nach den dürren Vorjahren, aber auch nach dem trockenen Juni 2023, dem zweitsonnigsten seit Messbeginn. Der Regen tat dem Boden zumindest dann gut, wenn er gleichmäßig fiel und nicht als Starkregen gleich wieder abfloss oder Städte flutete. "Die Oberböden konnten sich zwar wieder mit Feuchtigkeit auffüllen", sagt dazu Fred Hattermann, Wasserexperte am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Allerdings hätten die diesjährigen Niederschläge das Defizit der vergangenen Jahre nicht ausgeglichen: "In vielen Regionen Deutschlands, insbesondere im Osten und Süden, bleiben die tieferen Bodenschichten ungewöhnlich trocken."
Schleswig-Holstein war das kühlste Bundesland
Zwischen Nord- und Ostsee war es am kühlsten in Deutschland. Durchschnittlich 17,2 Grad zeigte das Thermometer hier in den vergangenen drei Monaten - fast anderthalb Grad mehr als zwischen Sommer 1961 und 1990. Dabei erlebte Schleswig-Holstein den zweitsonnigsten Juni überhaupt, gefolgt von einem regenreichen Juli und einem zwischendurch herbstlich anmutenden August – viele Feriengäste im Norden wissen davon ein Lied zu singen. Mit 260 Litern Niederschlag pro Quadratmeter waren es hier immerhin zehn Liter weniger als im Bundesschnitt - gleich mehrere Eimer gingen offenbar über Wacken nieder, das Metal-Festival versank im Schlamm.
Im Nordosten kaum Niederschläge…
Die Sonne schien in Mecklenburg-Vorpommern genau so viel wie in Schleswig-Holstein - und wie im Bundesdurchschnitt: 720 Stunden. Mit 17,8 Grad war es wärmer als in Schleswig-Holstein - ebenfalls anderthalb Grad mehr als zwischen 1961 und 1990. Aber in den Nordosten schafften es vergleichsweise wenige Wolken: Im Sommerquartal regnete es hier nur 205 Liter pro Quadratmeter. Allerdings konnte nasses Wetter regional die Ernteaussichten durchaus massiv eintrüben.
… viel Regen dagegen in Hamburg
Hamburg bekam in dieser Zeit satte 305 Liter Regen pro Quadratmeter ab - ein Drittel mehr als in Mecklenburg-Vorpommern und nur geringfügig weniger als das nasseste Bundesland Bremen (320 Liter). In der Hansestadt stand das Thermometer bei durchschnittlich 18,2 Grad. Auch hier war der Juni äußerst sonnig – und auch danach kam nicht bloß das große Grau(en): Mit 700 Sonnenstunden liegt der Hamburger Wert nur wenig hinter dem Rest der Republik.
Die Niedersachsen mussten auf Sonne verzichten
Das Sommerquartal im Süden des Nordens war, nun ja: wechselhaft. Erst kam der sonnigste Juni seit Messbeginn, also seit 140 (!) Jahren. Er trocknete die Böden Niedersachsens aus, Gersten- und Weizenkörner blieben ohne Wasser klein. Danach aber wurde es übermäßig nass: 290 Liter regnete es hier, ein Viertel mehr als früher. Und gegenüber dem Rest der Republik mussten die Niedersachsen in dieser Zeit immerhin auf 40 Stunden Sonne verzichten. 18 Grad warm war ihr Sommer dennoch – 1,8 Grad mehr als in den Sommermonaten zwischen 1961 und 1990.
Der Herbst startet sehr freundlich
Der Sommer 2023 im Norden also: erst knochentrocken mit Sonne satt, dann Gewitter, Starkregen und öfter eher herbst- als sommerlich. Aber vielleicht gibt es ja einen goldenen Herbst? Für die kommende Woche jedenfalls kann sich der Norden wohl über freundliches Wetter freuen, sagt Wetterexperte Frank Böttcher: "Schöner Altweibersommer ist in Sicht mit viel Sonne und Temperaturen zwischen 22 Grad an den Küsten und bis 28 Grad im südwestlichen Niedersachsen. Es kommt also noch einmal Freibadwetter zu uns in den Norden." Zu verdanken sei dieser Sommernachschlag einem sogenannten Omega-Hoch, das im Laufe der Woche nach Nordosteuropa ziehen wird. "Diese Wetterlage war bereits seit einigen Wochen für September erwartet worden", erklärte Böttcher. "In der zweiten Wochenhälfte kommen wir in eine südliche Strömung, die die Temperaturen bei uns verbreitet auf 25 bis 30 Grad steigen lassen kann." Zum kommenden Wochenende drohen dann aber wieder Regen und Gewitter.
Und die künftigen Sommer, wie werden die? Klimaforscher befürchten, dass sie häufiger von Extremwetterlagen bestimmt werden. Für 2024 hat Klimaforscher Hattermann ein bestimmtes Wetterphänomen im Blick: "Mit dem beginnenden El Niño besteht die Gefahr, dass wir auch im nächsten Jahr weitere Extreme sehen werden." Vielleicht, so Hattermann, wird dann die globale Erwärmung erstmals die 1,5-Grad-Marke erreichen.