"Wie im Film": Erinnerungen an Corona in einem Hamburger Pflegeheim
Im Seniorenpflegeheim Eichenhöhe in Hamburg starben während der Corona-Pandemie viele Menschen. Die Heimleiterin und eine Bewohnerin blicken zurück auf eine dramatische Zeit.
Monika Podubrin ist 81 Jahre alt und hat schon viel erlebt. Sie lebt im Seniorenpflegeheim Eichenhöhe in Hamburg. Dort hat sie auch die Corona-Zeit verbracht. "Ja, das war komisch. Man hatte Angst, ich jedenfalls hatte Angst", erinnert sie sich.
Ein Jahr lang konnte sich die vom Deutschen Roten Kreuz betriebene Pflegeeinrichtung im Hamburger Stadtteil Harburg gegen Corona schützen, wohl auch deshalb, weil sie etwas abgeschieden liegt. Aber am 7. Januar 2021 erreichte der Virus das Heim - zwei Tage, nachdem alle dort geimpft worden waren.
"Wir haben 13 Corona-Fälle"
Mitarbeitende einer Zeitarbeitsfirma, die damals im Pflegeheim beschäftigt waren, hatten sich mit Corona infiziert. Daraufhin wurden auch die Bewohnerinnen und Bewohner getestet. Die Ergebnisse erreichten Einrichtungsleiterin Eylem Woscidlo spät abends: "Ich erinnere mich ganz genau, es war 22 Uhr, als die mich angerufen und gesagt haben: 'Frau Woscidlo, wir haben 13 Corona-Fälle.' Ich bin dann zur Arbeit gefahren. Wir haben neben uns eine Flüchtlingsunterkunft, die war damals leer. Da haben wir in der Nacht eine Isolierstation hochgezogen. Das war wie im Film, die Bewohner haben nicht verstanden, was los ist", erzählt Woscidlo.
Isolationspflicht und Todesfälle
Viele der Bewohnerinnen und Bewohner des Pflegeheimes hatten in den Tagen danach positive Tests, auch Monika Podubrin. Schlecht sei es ihr gegangen, als sie Corona hatte, sagt die 81-Jährige. Sie musste sich in ihrem Zimmer isolieren.
Als sie wieder auf den Flur durfte, waren viele ihrer Mitbewohnerinnen und Mitbewohner gestorben. "Da hat sie überall geguckt und hat gesagt, ach, sie ist auch tot, sie ist auch nicht mehr da. Ihre Blicke, das war wie im Krieg", erzählt Einrichtungsleiterin Eylem Woscidlo.
Große Belastung
Auch für das Pflegepersonal bedeutete der Corona-Ausbruch eine extreme Belastung. "Ich war voll in der Pflege, morgens, abends, und dann kam jeden Tag eine neue Krankmeldung. Ich hätte jeden Tag heulen können. Wir haben nicht mehr auf uns aufgepasst. Das war wirklich selbstverständlich, dass ich alles tue, damit es den Bewohnern gut geht", sagt Eylem Woscidlo.
Starker Zusammenhalt
In dieser Ausnahmesituation schickte die Bundeswehr Soldatinnen und Soldaten zur Unterstützung. Und im Pflegeheim halfen auch die mit, die normalerweise im Büro arbeiten. "Wir haben eine Mitarbeiterin in der Verwaltung, die hatte von der Pflege keine Ahnung. Aber sie hat mit angepackt", erinnert sich Heimleiterin Woscidlo. "Dann kam sie aus einem Zimmer einer Bewohnerin raus und sagte: 'Ich habe eine Bewohnerin gewaschen!' Sie war so stolz! Da sind wir Schwestern und Brüder geworden. Wir waren ein Team und wir haben alles gemacht."
An diesen Zusammenhalt erinnert sich Eylem Woscidlo bis heute gerne. "Ich möchte so was nie wieder erleben. Aber ich möchte diesen Zusammenhalt wieder haben. Es hört sich so komisch an, dass ich da 'schön' sagen kann. Aber das war einfach schön."
Kontaktverbote haben sich bewährt
Trotzdem war die Corona-Zeit eine schwere Belastung: Von insgesamt 130 Bewohnerinnen und Bewohnern hat das Seniorenpflegeheim Eichenhöhe während der Pandemie 30 verloren.
Die strikten Kontaktverbote bewertet Einrichtungsleiterin Woscidlo im Nachhinein positiv: "Wenn Sie mich vor dem Corona-Ausbruch gefragt hätten, hätte ich gesagt, das ist ein bisschen zu viel. Aber nach dem Corona-Ausbruch, den wir erlebt haben, würde ich sagen, das war gut. Wenn so was wieder kommt, würde ich für Pflegeheime das gleiche machen."
Monika Podubrin hofft, dass sie nicht noch eine Pandemie erleben wird. Aber wenn doch? "Ja, dann zählen wir durch, vorher und nachher - und wehe da fehlt einer", sagt die 81-Jährige und lacht.