Warum Bornholm auf eine Zukunft mit Windenergie setzt
Viele Norddeutsche kennen Bornholm als beliebte dänische Urlaubsinsel. Aber der Tourismus ist eine eher geringe Einnahme-Quelle. Nach dem Niedergang der Fischerei setzt Bornholm nun auf viele Arbeitsplätze durch die Windpark-Industrie.
Im Hafen von Rønne fällt der Wandel sofort in den Blick. Am Kai gegenüber vom Fähranleger steht hinter Bauzäunen ein alter, verfallener Bootsschuppen. Daneben ist ein Fischerkahn zu sehen: Die weiße Farbe blättert ab, das Holz ist ganz verwittert. Dies sind die letzten Reste des alten Fischereihafens, der gerade abgerissen wird. Die Fläche wird planiert, um Platz zu schaffen für die Lagerung und die Vormontage von Windrädern. Denn Bornholm erhofft sich durch die Windenergie eine vielversprechende Zukunft.
Lange Zeit war der Fischfang wichtig für die Insel. "Aber ab den 70er-, 80er-Jahren ging es mit der Fischerei bergab", sagt Hafenchef Lars Nordahl. "Wir haben schon seit Jahren keine Fischerboote mehr hier im Hafen, die noch rausfahren." Eine Folge: Viele Bornholmer verließen auf der Suche nach Arbeit ihre Heimat. Von den 48.000 Einwohnern, die die Insel einst hatte, sind weniger als 40.000 übrig. Bald aber sollen es wieder mindestens 42.000 Einwohner sein. Denn neue Einwohner heißt auch: mehr Steuer-Einnahmen für die Kommune, die aktuell mit einer angespannten Finanzlage umgehen muss. Neue, gigantische Windparks in der Ostsee sollen dies ermöglichen.
Windparks bald wichtiger als der Fährverkehr
Fürs Erste sieht der Plan wie folgt aus: Die meisten Windräder, die in den kommenden Jahren in der Ostsee aufgestellt werden, sollen auf Bornholm vormontiert, geprüft und dann aufs Meer gebracht werden. Zum Beispiel zu einem Windpark vor Rügen. Später sollen sich unter anderem Techniker für die Wartung der Parks ansiedeln. Ein wichtiger Pluspunkt für das Vorhaben ist Bornholms gute Lage in der Ostsee, also: kurze Entfernungen zu den Windparks. Schon im Jahr 2025 soll die Offshore-Windenergie das wichtigste Geschäftsfeld für den Hafen sein - noch vor dem Fährverkehr. "Dann sollen 45 Prozent des Umsatzes aus der Offshore-Industrie kommen", sagt Nordahl. "Und dieser Anteil wird in der Folgezeit noch weiter wachsen."
Windräder, die bis zu 260 Meter hoch sind
Für den Wandel auf Bornholm steht auch die Projektentwicklerin Mette Skøt. Die Ingenieurin hatte schon längere Zeit ein Ferienhaus auf Bornholm und wollte seit Jahren gerne komplett auf die Insel ziehen. Aber dafür fehlte der passende Job. Nun arbeitet sie für ein ehrgeiziges Projekt der dänischen Regierung: Vor der Küste Bornholms sind zwei Windparks geplant, mit einer Leistung von mindestens 3 Gigawatt, wahrscheinlich sogar 3,8 Gigawatt. Zum Vergleich: Deutschland hat in der Ostsee im Moment Windparks mit insgesamt 1,3 Gigawatt Leistung.
Für die Windräder vor Bornholm sollen die neuesten und leistungsfähigsten Turbinen verwendet werden. "Die Höhe eines Windrades liegt zwischen 250 und 260 Metern", sagt Mette Skøt. Im kürzlich fertiggestellten Windpark "Arcadis Ost 1" vor Rügen haben die Windräder eine Gesamthöhe von 194 Metern über dem Meeresspiegel. "Und die Flügel haben eine Länge von 115 Metern", ergänzt Skøt. Jedes Windrad wird genug Strom für 20.000 Haushalte liefern. Und eine Umdrehung reicht, um 1.600 Smartphones zu laden." Insgesamt 150 dieser riesigen Windräder sollen bis zum Jahr 2030 aufgebaut werden, voraussichtlich etwa 20 Kilometer von der Küste entfernt.
Strom für Millionen Menschen in Deutschland
Der Strom aus den Windparks soll auf der Insel gebündelt und dann nach Dänemark und Mecklenburg-Vorpommern geschickt werden. Wenn es so weit ist, können drei Millionen Haushalte mit Strom versorgt werden. Allein Deutschland soll so viel Strom erhalten, dass rechnerisch alle Haushalte von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen versorgt werden können.
Und zusätzlich könnte mit der Windenergie auf Bornholm in großem Stil grüner Wasserstoff hergestellt werden, also Wasserstoff, der klimaschonend mit erneuerbaren Energien hergestellt wird und als ein wichtiger Baustein der Energiewende gilt. Der Wandel beschränkt sich folglich nicht nur auf ein paar ausgediente Hafenflächen, die sich als Lagerplatz für Windturbinen eignen.
"Das Beste für den Planten herausholen"
Inselbürgermeister Jacob Trøst steht fest hinter den Plänen, Bornholm zu einer Energieinsel zu machen. Er sieht zum einen die wirtschaftlichen Chancen. Und das beschreibt er ganz nüchtern: Fisch ist vorbei. Der Tourismus läuft, steht aber nur für zehn Prozent der Wirtschaft. Also muss etwas Neues her. Zum anderen ist für den Bürgermeister der Klimaschutz ein zentrales Anliegen. "Ich wünsche mir, dass künftige Generationen sagen: Ihr habt getan, was ihr konntet, um das Beste für den Planeten herauszuholen", sagt Trøst im NDR Info Podcast "Mission Klima - Lösungen für die Krise".
Keine großen Proteste auf der Insel
Von Beruf ist Trøst Polizist, zudem Mitglied der Konservativen. Die Bornholmer muss er nicht erst groß von dem Energieinsel-Projekt überzeugen. Es gibt vereinzelt kritische Stimmen in der Bevölkerung, aber keine großen Proteste. Dabei wird sich - zumindest an einigen Stellen - die Landschaft verändern. So werden voraussichtlich an einem Strandabschnitt im Süden der Insel Stromkabel landen, die von den Ostsee-Windparks kommen. Ausgewiesen ist dafür eine Fläche von mehreren Quadratkilometern. Zudem wird ein großes Umspannwerk entstehen: Die Hochspannungs-Anlage muss enorme Strommengen aufnehmen, auf die richtige Spannung bringen und dann weiterverteilen in Richtung dänisches Festland und Deutschland. Eine Fläche von mehr als 100 Hektar ist dafür vorgesehen.
Leidtragende werden vor allem die Menschen sein, die in der Nähe des geplanten Umspannwerks wohnen. Bürgermeister Jacob Trøst will sich dafür einsetzen, dass sie finanziell entschädigt werden. Um dies zu ermöglichen, muss zunächst das nationale dänische Recht geändert werden. "Als Politiker brauchen wir die Unterstützung der Bevölkerung. Also brauchen wir Gesetze, die zu dem Wandel passen, den wir anstreben."
Dänemark plant sogar künstliche Energieinseln
Die Pläne für Bornholm stoßen auch außerhalb Dänemarks auf Interesse. Denn die Idee der Energieinsel klingt bestechend. Gemeint ist mit dem Begriff: Dank einer Insel in zentraler Lage können mehrere Windparks miteinander verbunden werden. Das hat gleich mehrere Vorteile: Die gesamte Strommenge, die die Windräder erzeugen, wird auf der Insel für den Weitertransport gewandelt. Und von dort braucht es dann nicht mehr viele, sondern nur noch eine einzige Anbindung ans Festland. Das spart Kosten. Ein weiterer Pluspunkt: Auf der Insel können Wartungstechniker ihr Lager aufschlagen. Sie müssen nicht vom Festland aus zu ihren Einsätzen starten. Auch hier sparen die kürzeren Wege Geld und Zeit. Dänemark will in der Nordsee sogar künstliche Energieinseln bauen. Bornholm ist also eine Art Testlauf.
Auch Kanada ist neugierig
Und so kann Bürgermeister Jacob Trøst viel über den Wandel zur Energieinsel erzählen. Kein Wunder also, dass er als Gesprächspartner gefragt ist. Er hat sich bereits mit Insel-Vertretern aus Schweden und Finnland getroffen. Sogar nach Kanada ist er für einen Vortrag eingeladen. "Das zeigt mir: Wenn sogar Leute aus Kanada eine so kleine Insel wie Bornholm wahrnehmen, müssen wir wohl etwas richtig machen", meint Trøst. "Und es zeigt auch, das viele Länder auf der ganzen Welt die gleichen Herausforderungen zu meistern haben."