Warnstreik: Erst leere Bahnsteige, dann Chaos auf Bahnhöfen
Vor allem im Fernverkehr der Deutschen Bahn hat es auch nach dem Ende des Warnstreiks am Freitag noch Beeinträchtigungen gegeben. Der Regionalverkehr lief eher wieder weitgehend normal - allerdings waren viele Züge und Bahnhöfe völlig überfüllt. Erneut bestreikt wurde zudem der Hamburger Flughafen.
Die Eisenbahn-Gewerkschaft EVG zog nach Ende des Warnstreiks bei der Bahn, der von 3 Uhr morgens bis 11 Uhr am Vormittag dauerte, ein positives Fazit: "In allen 50 Unternehmen haben wir massive Auswirkungen gehabt", sagte Tarifvorständin Cosima Ingenschay.
EVG: Hoffen auf Lösung, aber sind bereit, nochmal zu streiken
An dem Ausstand beteiligten sich nach Angaben der EVG bundesweit 25.000 Mitarbeitende. In Hamburg sagte Gewerkschaftssekretär Tom Seiler: "Wir hoffen, dass endlich mehr Bewegung reinkommt und wir am Verhandlungstisch zu einer Lösung kommen. Falls das nicht der Fall sein sollte, sind wir natürlich auch bereit, nochmal zu streiken."
Nach Streik-Ende lange Zeit überfüllte Züge und Bahnhöfe
Am frühen Nachmittag hatte die Deutsche Bahn mitgeteilt, die Linien der DB Regio seien nun nicht mehr beeinträchtigt. "Im Fernverkehr dauert das länger", sagte ein Sprecher. Viele Fahrgäste klagten Stunden nach Streik-Ende noch über überfüllte Züge und Bahnsteige sowie über lange Schlangen vor Bahn-Reisezentren - etwa auf dem Hamburger Hauptbahnhof. Die Bahn informiert auf www.bahn.de/aktuell und auch telefonisch unter (0 8000) 99 66 33 über die Lage. Tickets, die für Freitag gebucht waren, sind von der Zugbindung ausgenommen und können bis einschließlich Dienstag auch in anderen Zügen verwendet werden.
Niedersachsen: Teilweise Ersatzbusse eingesetzt
In Niedersachsen kam es auch bei Metronom, Nordwestbahn, Erixx und Enno zu Zugausfällen und Verspätungen. Den Angaben der Betreiber zufolge wurden teils Ersatzbusse eingesetzt, diese seien jedoch kaum genutzt worden. Auch die S-Bahn in Hannover fuhr nicht.
Hamburg: Notbetrieb bei der S-Bahn
In Hamburg hatte die S-Bahn im Vorfeld vor "massiven Einschränkungen" gewarnt. Die Züge hätten am frühen Morgen auch zunächst nicht fahren können, aber ab 6.30 Uhr habe ein Notbetrieb begonnen, sagte ein Sprecher. Ab 7 Uhr sei auf fast allen Strecken zumindest ein 20-Minuten-Takt sichergestellt worden. Die U-Bahnen und Busse der Hamburger Hochbahn fuhren wie gewohnt. Der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) meldete am Morgen allerdings ein hohes Fahrgastaufkommen und überfüllte Busse.
MV: ODEG-Züge komplett ausgefallen
Beim in Mecklenburg-Vorpommern tätigen privaten Bahnunternehmen Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (ODEG) lief der Regionalzugverkehr am Freitagmittag ebenfalls wieder an. Am Morgen hatte es einen kompletten Zugausfall auf allen 15 Linien gegeben. Nur ganz vereinzelt seien Züge unterwegs gewesen.
EVG: "Verweigerungshaltung" der Arbeitgeber
Die EVG kritisierte zur Rechtfertigung ihres Warnstreiks eine "Verweigerungshaltung" der Arbeitgeber in den Tarifverhandlungen und fehlende Wertschätzung. "Wir setzen ein deutliches Zeichen, dass wir nicht die Fahrgäste, sondern die Unternehmen treffen wollen, indem wir diesmal zu einem zeitlich befristeten Warnstreik in den frühen Morgenstunden aufrufen", teilte EVG-Vorstandsmitglied Cosima Ingenschay mit.
Bahn: EVG setzt "nur auf Krawall"
Die Deutsche Bahn bezeichnete den Warnstreik als "völlig unnütz und unnötig". Der Freitag sei der reisestärkste Tag der Woche, der Warnstreik treffe viele Pendlerinnen und Pendler "besonders hart", erklärte DB-Personalvorstand Martin Seiler. Die EVG habe "Maß und Mitte komplett verloren" und setze "nur auf Krawall".
Nächste Verhandlungen kommende Woche
Die EVG fordert bei einer Laufzeit von einem Jahr mindestens 650 Euro mehr Lohn pro Monat oder zwölf Prozent mehr bei den oberen Einkommen. Die Gewerkschaft verhandelt seit Ende Februar parallel mit 50 Bahnunternehmen neue Tarifverträge. Betroffen sind rund 230.000 Beschäftigte, 180.000 davon arbeiten bei der Deutschen Bahn. Mit den Vertretern des Bahn-Konzerns will sich die EVG am Dienstag erneut treffen, Verhandlungen mit anderen Unternehmen folgen in den Tagen danach.
Im öffentlichen Dienst liegt mittlerweile ein Schlichterspruch vor, an dem sich auch die Deutsche Bahn orientieren will. Angeregt wurden Lohnerhöhungen im Gesamtvolumen von über zehn Prozent. Die Schlichter schlugen ein in mehreren Raten bis Februar 2024 ausgezahltes steuerfreies Inflationsausgleichsgeld von 3.000 Euro vor, mit einer ersten Zahlung im Juni 2023. Die EVG hatte dies am vergangenen Wochenende als ungenügend abgelehnt.
Einen ersten Warnstreik hatte die EVG bereits Ende März gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di organisiert. Damals stand nicht nur der Regional- und Fernverkehr auf der Schiene, sondern auch der Luft- und Wasserverkehr still.
Streik auch am Hamburg Airport
Auch Flugpassagiere waren am Freitag erneut von Streiks betroffen. Am Hamburger Flughafen konnten wegen eines Warnstreiks des Sicherheitspersonals den zweiten Tag in Folge keine Flugzeuge mit Passagieren starten. Alle 156 geplanten Abflüge sowie 47 Ankünfte seien gestrichen worden, teilte der Airport mit. Einzelne Airlines verlegten Abflüge nach Hannover, Bremen und Paderborn. Die Passagiere wurden mit Bussen dorthin transportiert. Auch an den Airports in Düsseldorf, Köln/Bonn und Stuttgart wurde gestreikt.
Die EVG hatte sich eigenen Angaben zufolge diesmal nicht mit ver.di abgesprochen. Dass erneut zeitgleich im Luft- und Schienenverkehr gestreikt worden sei, sei ein Zufall.