Schuldenbremse gelockert: Alle Nord-Länder stimmen im Bundesrat zu
Der Bundesrat hat grünes Licht für die Lockerung der Schuldenbremse und das geplante Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur gegeben. Die für die Grundgesetzänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit kam mit 53 von 69 Stimmen zustande.
Nötig wären 46 Stimmen gewesen. Die Nordländer stimmten mit Ja. Bei Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen stand das schon länger fest, am Morgen hieß es auch aus Mecklenburg-Vorpommern und Bremen, dass sie zustimmen. Nur die Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Rheinland-Pfalz enthielten sich. Enthaltungen gelten im Bundesrat wie ein Nein. Das Gesetz muss noch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf sein verfassungsgemäßes Zustandekommen geprüft und unterschrieben werden.
Die AfD war zuvor mit dem Versuch gescheitert, die Abstimmung stoppen zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht hatte kurz vor Beginn der Sitzung den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
500 Milliarden Euro Sondervermögen, davon 100 Milliarden für die Länder
Ausgaben für Verteidigung, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit sollen nach dem Beschluss nur noch bis zu einer Grenze von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts unter die Schuldenbremse fallen. Gemessen an der deutschen Wirtschaftsleistung 2024 entspricht das etwa 43 Milliarden Euro. Alles darüber hinaus kann aus Krediten bezahlt werden. Die Bundesländer sollen zudem mehr Spielraum für die eigene Verschuldung bekommen. Des Weiteren wurde ein Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur und Klimaneutralität beschlossen. Es wird von der Schuldenbremse ausgenommen und mit 500 Milliarden Euro aus Krediten gespeist. 100 Milliarden Euro davon erhalten die Länder. Die Grünen hatten Schwarz-Rot am Dienstag im Bundestag zur erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit verholfen. Im Gegenzug erwirkten sie, dass 100 Milliarden Euro in den Klimaschutz fließen.
Mecklenburg-Vorpommern: "Kraftvoll in die Zukunft zu investieren"
Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, sagte im NDR Interview, dass nun gemeinsam kluge Schwerpunkte gesetzt werden müssten. "Wir haben die Möglichkeit, Kitas zu sanieren, Schulen zu sanieren, der Bund wird auch in die Schienen investieren", so Schwesig. "Das sind ganz konkrete Alltagsthemen der Menschen, weil vor Ort in den Kommunen das Geld oft nicht für die Investitionen reicht, die notwendig sind." Damit man schneller in die Umsetzung komme, brauche es aber auch Gesetze zur Planungsbeschleunigung. Die Verfahren von Planung und Genehmigung würden zu lange dauern.
Linke stimmt zu, aber gibt Protokollnotiz ab
Die Linke, Schwesigs Koalitionspartner in Schwerin, hatte sich zunächst gegen das Finanzpaket gewandt, schließlich aber doch klein beigegeben und einem Ja des Landes zur Grundgesetzänderung in der Länderkammer zugestimmt. Es habe im Vorfeld intensive Gespräche und hinterher auch Empörung gegeben, sagte Torsten Koplin, parlamentarischer Geschäftsführer der Linken-Fraktion im Schweriner Landtag, auf NDR Info.
Zum militärischen Aspekt habe man dezidiert in einer Protokollnotiz Stellung bezogen. "Diesen Teil des Gesetzespakets lehnen wir ab", so Koplin. Eine Reform der Schuldenbremse hingegen befürworte die Linke. Denn sie sei mehr und mehr zu einer Investitionsbremse geworden. Gleichwohl: "Dass das zunächst nur auf die Verteidigung beschränkt ist, halte ich für fatal", sagte Koplin. Er gehe daher mit gemischten Gefühlen ins Wochenende. Doch auch wenn er die Priorisierung auf Verteidigungsausgaben kritisiert, stellt er klar: "Wir haben Handlungsnotwendigkeiten und haben das, was aus Landesverantwortung erforderlich ist, auf den Weg gebracht."
Niedersachsen: "Bremsklötze im Infrastrukturprogramm können jetzt gelöst werden"
Die Ländergemeinschaft habe deutlich gemacht, dass hohe Investitionen unumgänglich seien, kommentierte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) die Abstimmung. "Die Bremsklötze im Infrastrukturausbau können jetzt gelöst werden. Nach dem Bundestag hat damit auch der Bundesrat ein klares Signal an die Wirtschaft gesendet: Es wird deutliche Wachstumsimpulse geben." Nach der Bildung einer neuen Bundesregierung würden Länder und Kommunen möglichst zügig einen weiteren Fahrplan benötigen, damit diese Wachstumsimpulse auch schnell auf die Straße kommen könnten.
"Wir können nun eine zusätzliche Investitionsoffensive in Infrastruktur und Klimaschutz starten, die extrem wichtig für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ist. Deutschland kann zudem deutlich mehr für Sicherheit und Verteidigung ausgeben - in der aktuellen Weltlage ein absolutes Muss", sagte der niedersächsische Finanzminister Gerald Heere (Grüne). Besonders freue ihn, dass nun endlich die Länder einen eigenen Spielraum bei der Schuldenbremse erhalten. "Wir alle müssen das zusätzliche Geld sinnvoll einsetzen, damit es einen langfristigen, nachhaltigen Nutzen hat", sagte Heere. In den Vordergrund gehörten deshalb Maßnahmen zur Digitalisierung, die Sanierung von Verkehrswegen, mehr Klimaschutz, bessere Bildungsinfrastruktur, energiesparende öffentliche Gebäude sowie die Fortsetzung der Transformationsförderung, mit denen man Industrie und Arbeitsplätze in die Zukunft führen könne.
Hamburg: Bund darf nicht auf Fördergelder verzichten
Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) wies in seiner Rede darauf hin, dass die Länder auch die Hälfte der 500 Milliarden Euro vom Infrastruktur-Sondervermögen hätten bekommen können, denn schließlich seien sie auch für die Hälfte der Investitionen zuständig. Aber natürlich sei man auch so zufrieden. Allerdings dürfte der Bund deswegen nicht auf andere Fördergelder verzichten.
"Dass wir uns gut miteinander abstimmen, dass wir die bestmögliche Hebelwirkung auch für unsere Länder und Kommunen dabei erreichen, auch bei dem Bundesanteil, das ist ein wichtiger Punkt", sagte Dressel. Er wies zudem darauf hin, dass auch eine sanierte Infrastruktur nicht mehr vernachlässigt werden dürfte - so wie das in den Jahren zuvor der Fall gewesen sei. "Wir müssen uns gemeinsam vornehmen, dass wir in diesen Sanierungsstau nie wieder kommen, wenn wir jetzt so viel Geld in die Hand nehmen."
Schleswig-Holstein: "Echter Meilenstein für Klimaschutz und Investitionen"
Schleswig-Holsteins Finanzministerin Silke Schneider (Grüne) kündigte noch vor der Bundesratssitzung an, sich nun mit den Kommunen zusammenzusetzen. "Wir werden schauen, was leistbar ist und wo wir Schwerpunkte setzen wollen", sagte sie. "Die Investitionsmittel, die wir zusätzlich bekommen, belaufen sich auf rund 280 Millionen Euro jährlich über zwölf Jahre." Alles werde aber nicht bezahlbar sein. "Wir sind ein Land, das auch einen Konsolidierungsbedarf hat."
Das Finanzpaket sei ein echter Meilenstein für Klimaschutz und Investitionen für Land und Kommunen. Die Bedarfe unter anderem für Schulgebäude, Kitas, Krankenhäuser, Straßen, Radwege und Deiche seien riesig. "Wir können nicht auf bessere Zeiten warten", sagte Schneider. Sie betonte auch, dass Genehmigungsverfahren leichter werden müssten. "Und sowohl in der Verwaltung und Wirtschaft, als auch auf Landes- und Kommunalebene müssen wir Fachkräfte finden. Und da braucht es noch gute Ideen."
In puncto Generationengerechtigkeit sagte Schneider, diese messe sich "am realen Leben". Sie nannte Knackpunkte wie "Lernen in maroden Schulen, Infrastrukturmängel beim ÖPNV und die fehlende Digitalisierung". Es sei nur fair und gerecht, wenn man jetzt dafür Lösungen findet.
Bremen: "Finanzpaket schnell umsetzen"
Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD) drängt auf eine schnelle Umsetzung des Finanzpakets. "Jetzt wird es darauf ankommen, dass wir gemeinsam die in dem Paket steckenden Chancen auch nutzen", betonte der SPD-Politiker im Bundesrat. "Ich wünsche, dass wir dabei pragmatisch vorgehen."
Aus Sicht des Bremer Bürgermeisters müssen zügig Gesetze zur Ausführung des Finanzpakets beschlossen werden. "Denn was nützt uns das schönste Sondervermögen, wenn wir es in die Praxis nicht umgesetzt bekommen", mahnte Bovenschulte. Außerdem sollten Planungen und Genehmigungen beschleunigt werden. "Mit schlecht organisierten Prozessen und zu wenig Kapazitäten führen ja zusätzliche Investitionen nur zu mehr Inflation und nicht zu besseren Straßen, Brücken und Schulen."
Nordländer wollen vom Bund mehr Geld für Häfen
Bei der Bundesratssitzung forderten die Bundesländer den Bund dazu auf, sich mehr an Investitionen in die Entwicklung der Häfen zu beteiligen. Die Länderkammer stimmte einem Entschließungsantrag von Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zu. Darin heißt es, der Bund habe die Möglichkeit, Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen wie bedeutende Hafenprojekte zu gewähren.
Bremens Regierungschef Bovenschulte sagte, die Häfen seien ein Grundpfeiler der deutschen Wirtschaft und ein unverzichtbarer Teil der Verkehrsinfrastruktur. Damit die deutschen Häfen europaweit und international wieder konkurrenzfähig werden, seien in den nächsten zehn Jahren mindestens fünf Milliarden Euro notwendig. Jetzt könne der Bund Mittel vom Bundesanteil des neuen Sondervermögens für Infrastruktur bereitstellen.
