Schienenmaut: Kritiker befürchten höhere Bahnticketpreise

Stand: 23.08.2024 14:25 Uhr

Bahnfahren und Güterverkehr auf der Schiene könnten deutlich teurer werden. Die Infrastruktur-Tochter der Deutschen Bahn, InfraGO, hat angekündigt, die Trassenpreise 2026 drastisch zu erhöhen. Der Bund will zwar gegensteuern, massive Kritik gibt es dennoch - auch aus dem Norden.

von Sonja Puhl und Andrea Brack Peña

Konkret geht es um 23,5 Prozent höhere Trassenentgelte im Nahverkehr, zehn Prozent im Fernverkehr und fast 15 Prozent für Güterzüge. Trassenentgelte sind eine Gebühr für die Nutzung der Schiene. Diese müssen alle Unternehmen zahlen, die die Infrastruktur der Bahn nutzen. Mit diesen Mitteln finanziert die Bahn unter anderem die laufenden Kosten für den Betrieb. Bei Vertretern der privaten Eisenbahngesellschaften, dem Fahrtgastverband Pro Bahn, Spediteuren im Norden, die auf den Schienen-Güterverkehr gesetzt hatten, und auch bei norddeutschen Verkehrsministern macht sich Unmut breit.

Lies: Höhere Trassenpreise wären ein fatales Signal - auch für das Deutschlandticket

Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) nannte die Pläne gegenüber dem NDR "ein fatales Signal". Man wolle mehr Güter und Menschen auf die Schiene bringen, höhere Trassenpreise würden das Fahren aber deutlich teurer machen. "Ich werbe sehr dafür, dass alle Beteiligten noch mal beim Bund nachdenken, ob das der richtige Weg ist, Mobilität von Straße auf Schiene zu verlagern." Die Bahn würde jetzt schon davon sprechen, dass Ticketpreise im Fernverkehr erhöht werden müssten. "Ich befürchte, weil es alle trifft, dass wir eine Debatte zum Thema Deutschlandticket haben werden." Es wäre ein weiteres fatales Signal, wenn eine erhöhte Schienenmaut quasi über das Deutschlandticket bezahlt werden müsste. "Dann senken wir damit die Attraktivität. Das trifft auch die, die heute schon die Bahn nutzen."

Meyer fordert eine Reform der Schuldenbremse, um die Bahn zu finanzieren

"Ständige Debatten über mögliche Preiserhöhungen schaden der Bahn massiv", erklärte Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD). Kunden müssten sich darauf verlassen können, dass Fahrten bezahlbar bleiben. Meyer fordert vom Bund "ein angemessenes und realistisches Finanzierungskonzept." Dazu gehöre auch eine Reform der Schuldenbremse, um einen Sonderfonds auch für die Bahn einzurichten.

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Madsen: Schienenentgelte kürzen, bis Infrastruktur in Ordnung ist

"Unerhört" findet der schleswig-holsteinische Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) die Pläne. Er bemängelte auf NDR Info, dass die Gespräche ohne Rücksprache mit den Ländern stattgefunden hätten, die schließlich die Verträge mit den Verkehrsunternehmen machen würden. Die Summe, die diese pro Kilometer zahlen müssten, gehöre jetzt schon zu den höchsten Preisen in Europa und liege etwa achtmal höher als in Dänemark, sagte der gebürtige Däne Madsen.

Claus Ruhe Madsen (parteilos), Schleswig-Holsteins Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, nimmt an einer Landtagssitzung teil. © Picture Alliance Foto: Axel Heimken
Eigentum verpflichte auch zur Instandhaltung, mahnt Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Madsen in Richtung des Bundes, dem das Schienennetz gehört.

Schleswig-Holstein habe zudem nachweislich Deutschlands schlechteste Schienen-Infrastruktur. Der Bund habe das über Jahrzehnte schleifen lassen: "Das ist quasi eine Museumsbahn. Ich kann gar keine Fahrkarten mehr verkaufen, sondern eher Museums-Zutrittskarten. Und nun soll eine Preiserhöhung kommen für eine Qualität, die wirklich unterirdisch ist." Das passe nicht zusammen. Erst mal müsse der Bund dafür sorgen, dass die Infrastruktur in Ordnung komme. "Wenn sie in Ordnung ist, kann man auch einen entsprechenden Preis verlangen. Bis dahin müsste man eigentlich die Schienennetzentgelte kürzen", forderte Madsen.

Claus Ruhe Madsen (parteilos), Schleswig-Holsteins Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, nimmt an einer Landtagssitzung teil. © Picture Alliance Foto: Axel Heimken
AUDIO: Madsen: Haben in Schleswig-Holstein quasi eine Museumsbahn (10 Min)

Preis zahlt am Ende der Bahnreisende

Hintergrund für die geplante Erhöhung der Trassenpreise sind die Finanznöte des Bundes. Um die Schuldenbremse zu umgehen, will der Bund 4,5 Milliarden Euro zur Sanierung des Schienennetzes als Eigenkapitalerhöhung an die Deutsche Bahn auszahlen. Die müsste darauf aber Zinsen abführen, die wiederum nur über höhere Trassenpreise erwirtschaftet werden könnten. Der falsche Weg, meinte Matthias Stoffregen im Gespräch mit NDR Info. Er ist Geschäftsführer des Verbandes Mofair, das Verkehrsunternehmen wie die Metronom-Mutter Netinera oder Flixtrain berät: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in so eine Situation kommen: Haushalt finanziert Schiene, damit Schiene den Haushalt finanziert."

Die Erhöhung der Schienenmaut hätte direkte Auswirkungen auf die Unternehmen und Bahnkunden, sagte der Verbandschef: "Die Fernverkehrsunternehmen müssen sich überlegen: entweder Ticketpreise rauf oder weniger Angebot, wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Im Nahverkehr würde das Angebot ziemlich wahrscheinlich reduziert werden, weil schlicht und ergreifend das Geld nicht ausreicht, um die bisherigen Leistungen im bisherigen Umfang anbieten zu können." Es brauche dringend Mittel, um die Bahninfrastruktur zu verbessern. Aber die sollten aus anderen Töpfen kommen: "Es ist nicht so, dass kein Geld da wäre. Wir haben das Dienstwagen-Privileg und das Diesel-Privileg. Das sind über zehn Milliarden Euro jedes Jahr. Damit können wir das Netz zweimal sanieren", rechnete Stoffregen vor. Er rät zu anderen Wegen, etwa zu Baukostenzuschüssen. Die müssten nicht refinanziert werden, so ließen sich die Trassenpreise stabilisieren.

Fahrgastverband Pro Bahn: Langfristige Investitionen sind notwendig

"Das ist ein Anlügen der Fahrgäste, die alle auf eine Verkehrswende warten." Karl-Peter Naumann, der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn, findet drastische Worte über die geplante Erhöhung der Trassenpreise, die Fahrgäste müssten mit höheren Fahrpreisen rechnen. "Wir wollen mehr Fahrgäste haben. Mehr Fahrgäste kriege ich nicht durch höhere Preise, sondern durch eine Verbesserung des Angebotes." Dafür müsse man in das System Bahn investieren, sowohl in die Infrastruktur als auch in das Angebot. Und das über Jahre, man dürfe es nicht von einem zum anderen Haushalt entscheiden. Die Schweiz und Österreich würden zwei- bis viermal so viel pro Einwohner in die Schiene investieren. Nur dann könne man die Menschen dazu bewegen, vom Auto auf die Bahn umzusteigen.

Axel Plaß, Spediteur © NDR Foto: Caroline Schmidt
"Das, was jetzt gerade angerührt wird von politischer und behördlicher Seite, ist eher der Tod der Bahn", urteilt Spediteur Plaß über die Trassenentgelte.
Güterverkehr wieder von der Schiene auf die Straße?

Auch Spediteure wie Axel Plaß aus Hamburg sehen die Pläne mit Sorge: "Eine Erhöhung der Trassenpreise bedeutet, dass wir das an unsere Kunden weitergeben müssen. Das hat gerade auf kurzen Bahnstrecken den Effekt, dass es eine Rückverlagerung auf die Straße gibt. Sie können dem Kunden umweltfreundliche Transportvarianten anbieten. In dem Moment, wo es mehr kostet, ziehen die meisten Kunden wieder zurück und nehmen den flexibleren und günstigeren Weg auf der Straße." Das mache die Bahn auf Dauer unattraktiv für das Logistikgewerbe und es bedeute für uns alle: volle Autobahnen und Straßen. Dabei gebe es nicht einmal genügend Lkw-Fahrer, beklagte der Spediteur.

Es hätte Jahrzehnte gedauert, Transporte von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Das werde damit hinfällig, die Verkehrswende würde konterkariert: "Wir haben eigentlich eine funktionierende Strecke auf der Schiene und machen jetzt unsere Straßen unnütz voller." Also höhere Belastung der Straßeninfrastruktur, mehr Staus, mehr CO2 in der Luft - und höhere Preise für die Verbraucher. "Wir befürchten durchaus eine exorbitante Kostensteigerung gerade im Güterverkehr auf der Bahn. Der Personenverkehr hat verschiedene Regularien, um das abzudämpfen. Der Güterverkehr wird unserer Erfahrung nach die Hauptlast stemmen müssen", so das Fazit von Plaß.

Bundesnetzagentur muss höhere Trassenpreise genehmigen

Schon für 2025 hat die Bundesnetzagentur eine deutliche Steigerung der Trassenpreise genehmigt. Dabei wird es vor allem den Fern- und Güterverkehr treffen, weil die Preise im Regionalverkehr bisher gesetzlich gedeckelt sind. Bei der nun beantragten Erhöhung für 2026 geht die Bahn davon aus, dass diese Deckelung gerichtlich gekippt werden wird. Wie die Bundesnetzagentur auf Anfrage des NDR mitteilte, werde sie sich nach Eingang eines entsprechenden Antrags der DB InfraGo ab Oktober mit dem Thema beschäftigen.

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NDR Info | NDR Info | 23.08.2024 | 14:00 Uhr

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