Einige Strecken wurden viele Jahre lang vernachlässigt. Die Bahn will die Bauarbeiten künftig neu organisieren. Notwendige Baumaßnahmen wurden bislang auf mehrere Monate und Jahre verteilt. Das führte zu immer neuen Einschränkungen auf der gleichen Strecke. Bei Kundinnen und Kunden sorgte das für Unverständnis. Größere Bauarbeiten sollen künftig in einem feststehenden Zeitfenster erfolgen. Auch sollen sich die einzelnen Gewerke besser abstimmen und ihre Maßnahmen bündeln, heißt es. Die sogenannte Generalsanierung gehört zu einer neuen Strategie der Deutschen Bahn: Anstatt einzelne Schäden nach und nach zu reparieren, sollen die nötigen Bauarbeiten am Schienennetz auf bestimmten Abschnitten nun gebündelt erfolgen.
Die Deutsche Bahn hat viele Baustellen: Ob Taktverdichtung, Personalmangel, marode Bahnhöfe oder zu wenige Züge im Regionalverkehr. Auch bei Starkregen, Frost, hohen Temperaturen und ähnlichen Wetterextremen gibt es schnell Schwierigkeiten auf der Schiene. Zudem habe die Fußball-EM zuletzt gezeigt, dass die Bahn an ihre Grenzen gekommen sei, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) auf NDR Info. "Wir haben eine Infrastruktur, die in die Jahre gekommen ist und die nicht ausreichend widerstandsfähig ist." Die Generalsanierung sei das "mutigste und größte Sanierungskonzept in der Geschichte der Deutschen Bahn", so Wissing im Juli 2024.
Bis zum Jahr 2030 sollen insgesamt 4.000 Kilometer Gleise auf rund 40 Strecken in Deutschland für insgesamt 87 Milliarden Euro kernsaniert werden. Ebenso viele Kilometer sollen durch "kleinere und mittlere Maßnahmen" verbessert werden. Allein im Jahr 2024 waren es 14 Strecken, 2.000 Kilometer Gleise, 2.000 Weichen, 1.000 Bahnhöfe und 150 Brücken, die für insgesamt 16 Milliarden Euro saniert werden sollten.
Die Generalsanierung und damit die Vollsperrung der Strecke Hamburg-Berlin soll vom 1. August 2025 bis 30. April 2026 dauern. Währenddessen wird die 280 Kilometer lange Schnellstrecke, auf der täglich 230 Züge mit rund 30.000 Fahrgäste unterwegs sind, komplett gesperrt und laut Bahn zu einem "Hochleistungskorridor" ausgebaut.
Insgesamt will die Bahn dort 181 Kilometer Gleise, mehr als 200 Weichen und rund 70 Kilometer Oberleitung erneuern. Außerdem sollen sechs sogenannte Überleitstellen geschaffen werden, die unter anderem dafür sorgen, dass schnellere Züge des Personenverkehrs Güterzüge überholen können. Zudem soll an 28 Bahnhöfen entlang der Strecke gebaut werden. Die Streckenabschnitte zwischen Berlin und Nauen sowie zwischen Hamburg und Büchen rüstet die Bahn mit dem digitalen Zugsicherungssystem ETCS auf. Der verbleibende Abschnitt zwischen Büchen und Nauen soll mit dieser Technik erst ab 2030 ausgestattet werden. Nach der Generalsanierung soll auch deutlich besser im Zug telefoniert und gesurft werden können.
Die Fernzüge zwischen den beiden Großstädten werden während der Sanierungsarbeiten über Uelzen (Niedersachsen), Stendal und Salzwedel (Sachsen-Anhalt) umgeleitet. Die Fahrzeit verlängert sich um mindestens 45 Minuten. Die Bahn will die Folgen der neunmonatigen Sperrung der wichtigen Fernverkehrsstrecke zwischen Hamburg und Berlin mit "Deutschlands größtem Ersatzverkehr mit Bussen" abfedern. "Zur Anbindung der entfallenden Halte im Nahverkehr werden in Spitzenzeiten bis zu 173 Busse im Einsatz sein, die auf 26 Linien verkehren und täglich insgesamt bis zu 86.000 Kilometer zurücklegen", teilte der bundeseigene Konzern im Januar mit. Für die Ausstattung der Busse hat die Bahn in ihrer Ausstattung höhere Standards angelegt. Die Fahrzeuge sind demnach barrierefrei, verfügen über große Info-Monitore sowie Steckdosen an den Plätzen. Außerdem gebe es in allen Fahrzeugen ein WLAN-Netz.
Die Hamburger Bahnhöfe Bergedorf, Steinfurther Allee und Wandsbek-Markt werden während der Generalsanierung zu zentralen Umsteigepunkten für den Busverkehr. Von den Bahnhöfen aus sollen Ziele in der Metropolregion wie Mölln und Lauenburg/Elbe erreicht werden. Dieser Ersatzverkehr ergänzt bestehende Verbindungen, wie die Bahn im Februar mitteilte. Das Busangebot werde natürlich nicht die Qualität des Schienennetzes haben, sagte der Sprecher des Nahverkehrsverbunds Schleswig-Holstein. Es handle sich aber um die bestmögliche Lösung.
Die anstehende Generalsanierung führt auch zu Veränderungen auf der Schiene in Niedersachsen. "Für das nördliche Niedersachsen und Sachsen-Anhalt entstehen während der Bauphase neue Direktverbindungen nach Berlin und Hamburg", teilte die Bahn im Januar mit. Doch es gibt auch Einschränkungen: Ab August ist besonders der Nahverkehr zwischen Harz und Küste betroffen. Auf diesen Strecken müssen sich Reisende für neun Monate auf Einschränkungen einstellen:
- RB 47 (Uelzen-Bad Bodenteich-Braunschweig) fährt nur alle zwei Stunden und wird durch Busse unterstützt.
- RE 20 (Uelzen-Salzwedel-Stendal-Magdeburg-Schönebeck) entfällt tagsüber vollständig zwischen Salzwedel und Uelzen. Auch hier kommen Busse zum Einsatz.
- RB 40 (Braunschweig-Helmstedt-Magdeburg) fährt weiter im Stundentakt. Es entfallen zusätzliche Fahrten in den Hauptverkehrszeiten zwischen Braunschweig und Helmstedt, mit Ausnahme eines morgendlichen Zugpaares.
- RE 50 (Braunschweig nach Wolfsburg) verkehrt an allen Tagen im Stundentakt statt im Halbstundentakt. Zusätzlich fahren montags bis freitags sechs Züge morgens von Braunschweig nach Wolfsburg und drei zusätzliche Züge in die Gegenrichtung.
Sämtliche Strecken, welche auf die Hamburg-Berliner Strecke zulaufen oder sie nutzen, können nicht mit dem Zug befahren werden, wie die Bahn mitteilte. Dazu gehören etwa die Strecken Schwerin-Hagenow-Hamburg, Schwerin-Ludwigslust-Berlin und Hagenow-Ludwigslust-Parchim. Die Bahn verspricht einen funktionierenden Ersatzverkehr und eine gute Kommunikation mit den Reisenden. Veränderungen ergeben sich laut Bahn für folgende Linien:
- RE1 Rostock-Schwerin-Hamburg
- RE8 Wismar-Schwerin-Berlin
- RE4 zwischen Bützow und Lübeck
- RB 17/18 zwischen Wismar, Bad Kleinen, Schwerin und Ludwigslust
- RB14 zwischen Parchim, Ludwigslust und Hagenow
Zwischen Schwerin und Berlin wird laut Bahn-Angaben mit der RE85 eine Extra-Verbindung alle zwei Stunden eingerichtet, über Güstrow und Waren (Müritz). Die Fahrtdauer beträgt laut Ankündigung 2 Stunden und 31 Minuten. Das wiederum zieht Veränderungen auf der Linie RE5 Rostock–Berlin nach sich. "Angesichts der nicht ausreichenden Leistungsfähigkeit der Umleitungsstrecke über Güstrow wird die RE5 zwischen Rostock und Waren umgeleitet und hält für die Dauer der Bauarbeiten nicht in Güstrow", hieß es.
Wer auf schnellstem Weg von Ludwigslust nach Hamburg will, für den bietet die Bahn IC-Ersatzbusse ein. Zwischen Ludwigslust und Berlin gibt es so eine Möglichkeit nicht. Dafür müssten Ersatzbusse des Nahverkehrs genutzt werden, mit Umstieg in Quitzow bei Perleberg sowie Wustermark bei Berlin - Fahrzeit: mindestens 3 Stunden und 40 Minuten.
Das Pilotprojekt für die Generalsanierung hat die DB im Jahr 2024 zwischen Juli und Dezember auf der sogenannten Riedbahn zwischen Frankfurt/Main und Mannheim umgesetzt. Innerhalb von fünf Monaten haben rund 800 Mitarbeitende der DB und der beteiligten Bauunternehmen auf der rund 70 Kilometer langen Strecke die störanfällige und überalterte Infrastruktur nahezu komplett erneuert. Durch die Sanierung sollen laut DB die betrieblichen Störungen auf einer der meistbefahrenen Strecken in Deutschland um bis zu 80 Prozent gesenkt werden.
Als "Vorarbeit" für die Generalsanierung auf der Strecke Hamburg-Berlin sind zwischen Hamburg und Wittenberge (Brandenburg) von Mitte August bis Mitte Dezember 2024 mehr als 74 Kilometer Gleise und 100 Weichen erneuert worden. Die Bauarbeiten waren den Angaben zufolge wichtig, damit Züge weiter mit voller Geschwindigkeit auf der Strecke Hamburg-Berlin fahren können. Außerdem wurden in der Zeit in dem Bereich Brücken modernisiert, zweite Gleise gebaut, Eisenbahnüberführungen weitergebaut und Bahnhöfe modernisiert.
Die Bauwirtschaft vermisst langfristige finanzielle Zusagen aus der Politik und kritisiert, dass der Zeitplan zu kurz ist. Die Unternehmen könnten bis heute keine realistische Zeitplanung machen, so Tim-Oliver Möller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie. Auch wenn die Strecke Frankfurt-Mannheim gut geplant sei: Anderen Projekten fehle die Finanzsicherheit, sagt Christian Böttger von der HTW Berlin. Der Fahrgastverband Pro Bahn begrüßt die Initiative. Die Sanierung gehe "am schnellsten, wenn an allen Gleisen der Strecke gearbeitet wird und die Arbeiten nicht durch am parallelen Gleis vorbeifahrende Züge eingeschränkt werden müssen", sagte Karl-Peter Naumann von Pro Bahn gegenüber tagesschau.de.