Nach Bremen-Wahl: Grünen-Spitzenkandidatin tritt zurück
Bei der Bürgerschaftswahl in Bremen hat die SPD laut der amtlichen Hochrechnung die CDU klar als stärkste Kraft abgelöst. Verlierer des Abends sind die Grünen, Spitzenkandidatin Maike Schaefer kündigte ihren Rückzug an. Die Bürger in Wut legten deutlich zu. Spitzenpolitiker von SPD, CDU und FDP äußerten sich nach der Wahl auf NDR Info.
Nach der neunten und letzten Hochrechnung der Landeswahlleitung vom frühen Montagnachmittag liegt die SPD mit 30,1 Prozent vorne - sie konnte ihr historisch schlechtes Ergebnis von 2019 (24,9 Prozent) demnach deutlich verbessern. Die CDU kommt auf 25,0 Prozent (2019: 26,7). Die Grünen rutschen ab auf 12,0 Prozent (2019: 17,4). Die Linke erreicht mit 11,1 Prozent ein ähnliches Ergebnis wie 2019 (11,3). Die FDP zieht der Hochrechnung zufolge mit 5,2 Prozent (2019: 5,9) nur knapp erneut ins Landesparlament ein. Die Bürger in Wut (BiW) machen den größten Sprung - sie legen zu auf 9,7 Prozent (2019: 2,4). Das vorläufige Endergebnis der Wahl in Bremen wird am Mittwoch erwartet.
Bürger in Wut in Bremerhaven zweitstärkste Kraft
Dagegen wurden in Bremerhaven am Montag bereits alle Wahlbezirke ausgezählt. Dort sind die Bürger in Wut (BiW) die zweitstärkste Kraft hinter der SPD geworden. Demnach hat die SPD mit 29 Prozent die meisten Stimmen bekommen. Die BiW erreichten 22,7 Prozent, knapp vor der CDU mit 21,3 Prozent. Die FDP schaffte in Bremerhaven 5,2 Prozent. Damit kommt die FDP in die Bremische Bürgerschaft, selbst wenn sie in der Stadt Bremen bei der Auszählung der Stimmen noch unter die Fünf-Prozent-Hürde fallen sollte. Die Grünen landeten in Bremerhaven bei 13,2 Prozent der Stimmen, die Linke erreichte 6,1 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 44 Prozent.
Starkes Ergebnis der BiW besorgt Bürgermeister Bovenschulte
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) zeigte sich angesichts des starken Ergebnisses der Bürger in Wut in Bremerhaven besorgt. "Es ist eine besorgniserregende Entwicklung, dass eine rechtspopulistische Partei dort zweitstärkste Kraft geworden ist", sagte er am Montag vor einer Sitzung des Landesvorstandes seiner Partei in Bremen. Die Bürger in Wut seien eine im Ergebnis marginale rechtspopulistische Partei. "Die werden sich im Alltag entzaubern, da bin ich fest von überzeugt, weil sie nicht in der Lage sein werden, real umsetzbare Politik zu machen", sagte Bovenschulte.
Erste personelle Konsequenz: Schaefer kündigt Rückzug an
Nach den starken Stimmverlusten ihrer Partei bei der Wahl kündigte Grünen-Spitzenkandidatin Maike Schaefer am Montag ihren Rückzug aus dem Senat an. "Ich ziehe als Spitzenkandidatin die Konsequenz aus diesem Ergebnis gestern und stehe für die kommende Legislaturperiode nicht mehr als Senatorin zur Verfügung", sagte die bisherige Umwelt- und Mobilitätssenatorin.
Klingbeil: "Bovenschulte hat sich das erarbeitet"
Der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil erklärte im Interview mit NDR Info den Erfolg seiner Partei in Bremen mit dem Spitzenkandidaten der SPD, der vor Ort sehr gut angekommen sei. "Andreas Bovenschulte hat sich das in den letzten Jahren erarbeitet", so Klingbeil. Zudem sei die Bremer SPD geschlossen gewesen und habe auf die richtigen Themen gesetzt. Auch die Bundes-SPD werde langfristig wieder an Stimmen zulegen, sagte Klingbeil.
Prien für Große Koalition in Bremen
Die Bremer CDU sei mit ihren Themen nicht durchgedrungen, sagte die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien auf NDR Info zu den Verlusten ihrer Partei. Zudem komme es bei allen Landtagswahlen darauf an, wie es um die Spitzenkandidaten steht. "Hier gab es einen sehr starken und populären Bürgermeister, der einen guten Job gemacht hat während der Pandemie." Prien sprach sich für eine Große Koalition in Bremen aus. Das sei nach den Verlusten der Grünen eine vernünftige Lösung.
Kubicki: Hauptziel der FDP erreicht
"Ich bin froh und auch guten Mutes, dass die Freien Demokraten in Bremen wieder in der Bürgerschaft sein werden", sagte der stellvertretende FDP-Parteichef Wolfgang Kubicki am Montagvormittag auf NDR Info. Der Einzug in die Bürgerschaft, der laut Hochrechnung knapp geglückt ist, sei das Hauptziel gewesen. Mit Blick auf die Ergebnisse der FDP bei der Bürgerschaftswahl in Bremen und bei der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein sagte Kubicki: "Wenn wir nicht mitverhaftet werden für Positionen von Grünen und Sozialdemokraten, sondern dokumentieren, welche Lösungsvorschläge Freie Demokraten unterbreiten, dann bekommen wir auch Zustimmung."
Bovenschulte: "Wahlkampf hat sich gelohnt"
Bremens Regierungschef Bovenschulte hatte bereits am Wahlabend betont, dass er die SPD als klaren Wahlgewinner sieht. "Was für ein Tag, was für ein Ergebnis. Wir haben einen harten Wahlkampf gemeinsam gefochten und es hat sich gelohnt", sagte Bovenschulte. "Die Nummer eins in Bremen - das sind wir!"
Die SPD hat aus Sicht ihres Landesvorsitzenden Reinhold Wetjen bei der Wahl "alle Ziele erreicht". "Wir sind stärkste Kraft, ohne uns kann keiner regieren und wir haben kräftig zugelegt", sagte Wetjen. Im Lauf der Woche wolle er seiner Partei einen Vorschlag für Sondierungen machen. Es gebe "gute Gründe" für eine Fortsetzung von Rot-Grün-Rot als auch für eine mögliche Große Koalition mit der CDU.
Auch der amtierende Bürgermeister Bovenschulte legte sich noch nicht auf ein Regierungsbündnis fest. "Wir werden die Wahlprogramme und die Forderungen und inhaltlichen Positionen übereinanderlegen und gucken: Wo gibt es die meisten Gemeinsamkeiten?", sagte der Spitzenkandidat in den "Tagesthemen" im Ersten. Man werde sich anschauen, welche Koalition am besten geeignet sei, die Zukunftsprobleme von Bremen und Bremerhaven zu lösen. Mit den bisherigen Koalitionspartnern Grüne und Linke gebe es große Gemeinsamkeiten, aber auch mit der CDU.
Schwesig: "Vertrauen der Menschen hoch verdient"
Die Reaktionen aus dem Norden auf den SPD-Wahlerfolg im kleinsten Bundesland fielen am Wahlabend überwiegend positiv aus. Mecklenburg-Vorpommerns SPD- und Regierungschefin Manuela Schwesig wertete das Ergebnis als Ausdruck der guten Arbeit ihres Parteikollegen und der Bremer SPD. "Mit Verlässlichkeit und einem klaren Kurs für starke Wirtschaft, gute Arbeit und sozialen Zusammenhalt hat Andreas Bovenschulte mit seiner SPD das Vertrauen der Menschen hoch verdient und ist mit deutlichen Zuwächsen stärkste Kraft", erklärte sie. Sie freue sich auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit im Verbund der Nord-Länder.
Weil: "Ergebnis nicht selbstverständlich"
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sieht das Krisenmanagement seines Parteifreundes als einen Grund für den Stimmenzuwachs bei der Wahl in Bremen. "Andreas Bovenschulte hat mit dem Ergebnis einen großen persönlichen Erfolg erzielt", sagte er. Bovenschulte habe Bremen sicher durch die vergangenen, schwierigen Jahre geführt. Dies hätten die Menschen honoriert. "Angesichts der aktuellen Krisen ist ein solches Ergebnis nicht selbstverständlich und zeigt die tiefe Verankerung der SPD in der Bremer Gesellschaft", sagte Weil.
Tschentscher: Bovenschulte "verlässlicher Partner"
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) würdigte seinen Parteikollegen in Bremen nach dessen Sieg als Krisenmanager. "Die SPD ist nach vier Jahren guter Regierungsarbeit in schwierigen Zeiten wieder stärkste politische Kraft in Bremen. Andreas Bovenschulte hat die Hansestadt sicher durch die Corona-Pandemie und die Energiekrise geführt", sagte er. Der Bremer Bürgermeister sei "ein verlässlicher Partner in der Kooperation der Stadtstaaten und der norddeutschen Länder", sagte Tschentscher.
Günther: "Leider hat es nicht gereicht"
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) bedauerte das Abschneiden seiner Partei in Bremen. "Leider hat es nicht gereicht, um erneut als stärkste Kraft aus der Bremer Bürgerschaftswahl hervorzugehen", sagte er. "Bremen ist für die CDU kein leichtes Pflaster." Bovenschulte habe seine persönliche Popularität erfolgreich genutzt, um die Sozialdemokraten in der Hansestadt vom negativen Bundestrend abzukoppeln. "Es liegt jetzt an ihm, Gespräche über eine Regierung zu führen, die Bremen mehr Schwung bringt", sagte Günther.