Pop-Up-Kühlzentren helfen Obdachlosen und ihren Vierbeinern
In Australien leiden die Menschen unter häufigen und intensiven Hitzewellen. Besonders für Menschen, die in Obdachlosigkeit leben, ist das problematisch. Die Stadt Sydney setzt daher auf mobile Kühlzentren, die allen offen stehen.
Extremwetter wird auch in Deutschland immer mehr zum Thema, aber wie groß die Bedrohung ist, ist den wenigsten bewusst: Hitzewellen töten jährlich mehr Menschen als jede andere Naturkatastrophe. Besonders anfällig dafür sind Obdachlose, ältere Menschen und Menschen ohne Klimaanlage. Ein Team von australischen Forschern will das jetzt ändern. In Pop-up-Kühlzentren mit Ventilatoren und schattigen Bereichen sollen sich vor allem vulnerable Bevölkerungsgruppen vor Hitze schützen können. Ein Projekt, das auch anderswo Schule machen könnte.
Simple Idee: Ventilatoren und viel Wasser
Der Aufbau der Kühlzentren ist simpel: In einem Park in Sydney stehen drei weiße Zelte, im Schatten darunter: große schwarze Ventilatoren. Wer vorbeikommt und eine Abkühlung braucht, setzt sich auf einen Plastikstuhl und lässt sich für eine Weile kühle Luft ins Gesicht pusten. Der Obdachlose Alan Patrick McLeod ist einer von Ihnen: "Mein Herzschlag verlangsamt sich, ich bin entspannt. Für mich ist das ein wunderschöner Ort", sagt er einem Reporter der Nachrichtenagentur Reuters, während ihm Timothy English eine Flasche Wasser reicht. Der Wissenschaftler der Universität Sydney hatte die Idee für die Pop-up-Kühlzentren. Was unspektakulär aussieht, habe eine große Wirkung, sagt er: "Wir bieten kaltes Wasser zu trinken an und Wasser zum Sprühen auf die Haut. Unsere großen Industrie-Ventilatoren erzeugen einen starken Luftstrom. Wenn der Schweiß und das Wasser auf der Haut verdunsten, ist das die beste Möglichkeit, sich kühl zu halten." Die langen Reihen von Ventilatoren sehen zwar erst mal nach einem hohen Stromverbrauch aus, tatsächlich brauchen sie aber weniger Energie als Klimaanlagen und sind zudem kostengünstiger.
Besonders gefährdet: Vulnerable Gruppen
Auf einem großen Banner, das an den Zelten hängt, steht das Wort "Cooling Hubs". Die Kühlzentren richten sich besonders an Obdachlose und arme Menschen. Sie sind laut English besonders von den potenziell tödlichen Folgen von Hitzewellen bedroht, weil sie keine privaten Rückzugsorte haben. Sie wohnen auf der Straße, in Zelten, ihren Autos oder überfüllten Unterkünften. In der Regel haben sie keine Klimaanlage und nicht die Mittel, sich im Pool oder anderen Orten Abkühlung zu verschaffen.
Behandlungen bei Extremwetter verursachen hohe Kosten
English erntet oft erstaunte Blicke, wenn er beschreibt, dass Hitzewellen tödlich für viele Menschen sind. Die Gefahr liege vor allem an der physiologischen Belastung des Körpers. Bei anhaltender Hitze geht der Herzschlag hoch, der Körper reagiert mit Stress. Die Folgen: Nierenprobleme, Herzinfarkte, Schlaganfälle. Ende das im Krankenhaus, sei das nicht nur schlimm für die Betroffenen, es wird auch teuer fürs Gesundheitssystem. Mehr als umgerechnet 40.000 Euro habe es gekostet, vor einiger Zeit zwei Obdachlose im nächstgelegenen Krankenhaus zu behandeln. Kosten, die sich durch solche Kühlzentren sparen ließen: "Jede Investition in Prävention rettet einfach Menschenleben. Manche leiden unter Erschöpfung, weiter geht es dann mit einem Hitzeschlag. Einer landete in der Folge für 28 Tage auf der Intensivstation. Er ist fast gestorben." Aus seiner Sicht werde die Gefahr von Hitze unterschätzt - vielleicht weil sie weniger sichtbar sei als Erdbeben oder Überschwemmungen.
Mobile Zelte für Mensch und Tier
Die Zelte des Kühlzentrums sind mobil und können Tag für Tag umziehen - immer dahin, wo sie gerade am meisten gebraucht werden. Neben Obdachlosen und ärmeren Menschen sind auch deren Vierbeiner in den Zelten willkommen. Adam Abbi schiebt seinen Hund in einer Art Kinderwagen Richtung Zelt und setzt sich vor die Ventilatoren. Er wohnt eigentlich in einer nahegelegenen Sozialwohnung, aber wegen Renovierungsarbeiten kann er die Räume heute nicht betreten: "Ich bin total glücklich und dankbar dafür, hier sein zu können. Ich finde gar keine Worte dafür. Mir macht es nicht so viel aus, wenn es heiß ist, aber meine Hündin braucht es. Sie ist 17 Jahre alt, sie soll sich wohl fühlen und es kühl haben." Das Fell der Hündin weht im Wind, während sie gierig Wasser aus einem Napf trinkt.
Sommer in Hamburg: Hitzebus statt Kältebus
Auch in Deutschland werden extreme Wetterlagen immer mehr zum Problem. Verschiedene Standorte in Norddeutschland haben dafür Notfallpläne entwickelt. Auch Hamburg arbeitet an einer Strategie für die Zukunft, allerdings werde aktuell nicht genug getan, meint ein Experte der Hafen City Universität. Er vermisst ausreichende Verschattung durch Bäume und fordert mehr Mut zu neuen Ideen. Die Initiative Cafée mit Herz geht die Sache stattdessen mit einer Hands-On-Mentalität an. Der Verein im Hamburger Stadtteil St. Pauli finanziert sich rein über Spenden, stellt aber trotzdem einiges auf die Beine. Im Winter hilft ihr Kältebus Obdachlosen und schützt sie bei eisigen Temperaturen. Im Sommer wird der Wagen kurzerhand als Hitzebus eingesetzt. An besonders heißen Tagen verteilen Ehrenamtliche zwischen 50 und 100 Halbliter-Wasserflaschen. "Hinzu kommen etwa fünf Liter Eistee und jede Menge Obstsalat", sagte Kältebus-Koordinatorin Christina Pillat-Prieß der dpa.
Flächendeckende Wasserspender
Maike Oberschelp, Leiterin des Cafée mit Herz wünscht sich mehr konkrete Maßnahmen im öffentlichen Raum. In Hamburg gebe es im Vergleich zu anderen Städten viel zu wenige Wasserspender. "Dabei geht es nicht nur um Durst, sondern auch um Hygiene: Im Ernstfall kann flächendeckender Zugang zu frischem Wasser auch eine Sepsis verhindern." Kurzerhand wurde deshalb vor der Tür des Vereins ein Wasserspender installiert, als "schlanke Lösung", wie sie sagt: "In der Anschaffung hat er uns 3.000 Euro gekostet. Nicht nur die Stadt, auch Geschäfte oder Firmen können so einen Spender unkompliziert an ihre Wasserleitung montieren. Wir sind eine Gesellschaft. So eine Geste könnten auch Unternehmen leisten."
Forderung: Menschen aus Wohnungslosigkeit herausbringen
Oberschelp betont aber auch, dass mit solchen Maßnahmen nur an den Symptomen gearbeitet werde. Tatsächliche brauche es einfach mehr bezahlbaren Wohnraum, damit weniger Menschen in Obdachlosigkeit leben müssen. Sie appelliert auch an Vermieter*innen, Obdachlose als Mieter*innen zuzulassen: "Die verheizen euch nicht das Parkett. Ganz im Gegenteil, machen sie eher keine ausufernden Junggesellenabschiede, sondern sind sehr dankbar für ein Dach über dem Kopf." Sie müsse viel gegen Vorurteile anreden und beobachtet gleichzeitig mit Sorge, wie die Menschen auf der Straße immer älter und immer kränker werden. "Mit einer Wohnung stabilisiert sich meist die komplette Lage der Menschen. Aber unsere Arbeit endet oft kurz vor diesem Ziel." Sozialarbeit, sagt sie, könne immer nur so gut sein, wie das, was sie den Menschen anbieten kann.
Cooling Hubs sorgen auch für mehr Teilhabe
Auch Timothy English weiß, dass die Probleme tiefer liegen. Allerdings sieht er in den Cooling Hubs auch die Chance für mehr Teilhabe und Austausch. Viele Menschen nutzen die Chance und sprechen bei ihrem Besuch im Hub auch über andere Themen, die sie bewegen oder informieren sich zum Thema Gesundheitsvorsorge. Bisher sind die Cooling Hubs noch ein Pilotprojekt - die erste mobile Kühlstation Australiens. Aber geht es nach Forschungsleiter English, soll es dieses Angebot bald nicht nur in ganz Australien, sondern international geben. Und das Bewusstsein dafür schärfen, wie gefährlich Hitze sein kann.