"Oha! Zwei Welten an einem Tisch": Brauchen wir die Wehrpflicht zurück?
Ein spannendes Thema, zwei gegensätzliche Meinungen. Das ist die Idee für das Dialog-Format "oha! Zwei Welten an einem Tisch" anlässlich der Bundestagswahl. NDR Info bringt dafür jeweils zwei Menschen aus dem Norden zusammen - zu insgesamt vier Themen. Hier geht's um die Zukunft der Bundeswehr.
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat vieles verändert - auch in der Verteidigungspolitik Deutschlands. Für die Bundeswehr wurde ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro geschaffen. Und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) plant einen "neuen Wehrdienst", bei dem vor allem auf Freiwilligkeit gesetzt wird. Reicht das? Oder brauchen wir die Wehrpflicht zurück? Darüber diskutieren Robert Uthmann und Dietmar Wich bei "oha! Zwei Welten an einem Tisch".
Robert Uthmann hält eine Wehrpflicht für angebracht
Robert Uthmann hat im Alter von neun Jahren bei der Feuerwehr angefangen - seitdem ist er dabei geblieben. "Die Feuerwehr ist mir quasi angeboren, schon mein Vater und meine Großeltern waren in der Feuerwehr." Seinen Einsatz dort versteht der 25-Jährige als Dienst an der Gesellschaft. So will er auch eine mögliche Wehrpflicht verstanden wissen.
Wichtig ist Robert Uthmann, dass Deutschland mit einer Wehrpflicht seiner Ansicht nach im Kriegsfall besser aufgestellt ist. "Wir leben in schwierigen Zeiten. Das zeigen der Ukraine- und der Gaza-Krieg. Auch wir könnten in den Fokus geraten. Deshalb müssen wir uns selbst verteidigen können, wenn es darauf ankommt." Zumal die Zukunft des NATO-Bündnisses mit US-Präsident Donald Trump ungewiss sei.
"Ich möchte mit einer Wehrpflicht nicht nur die Bundeswehr stärken, sondern auch Feuerwehr und Katastrophenschutz." Robert Uthmann
Dietmar Wich lehnt eine Wehrpflicht ab
Dietmar Wich hingegen hält nichts von einer Wehrpflicht. "Es ist illusorisch, dass man die heutigen komplexen Waffensysteme innerhalb weniger Monate erlernen kann", sagt der 60-Jährige aus Hann. Münden. In den 1980er-Jahren hat Wich als Zivilist beim Marinearsenal in Wilhelmshaven eine Ausbildung zum Nachrichtengerätemechaniker und Funkelektroniker absolviert. Anschließend studierte er Elektrotechnik. Während seines Studiums war Wich vom Wehrdienst zurückgestellt, nach dem Studium war er dann mit 27 Jahren zu alt für eine Einberufung.
"Der nächste Krieg wird nicht mit Maschinengewehren gewonnen, sondern mit Marschflugkörpern und Waffen im Cyber-Raum." Dietmar Wich
Die Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 findet der Diplom-Ingenieur richtig. Dabei solle es auch bleiben. "Zu einer Wehrpflicht gehört eine Wehrgerechtigkeit. Und diese Wehrgerechtigkeit gibt es nicht - und kann es nicht geben." Denn nur ein Bruchteil der Wehrpflichtigen eines Jahrgangs könnte tatsächlich eingezogen werden. Die anderen würden ohne Wehrdienst davonkommen. Das sei ungerecht, so Wich.
So lief die "oha!"-Debatte über eine mögliche Wehrpflicht
Robert Uthmann spricht lieber von einer "allgemeinen Dienstpflicht" und nicht von einer "Wehrpflicht". "Wer gerne zur Bundeswehr gehen will, soll das tun. Aber jeder soll wählen können, ob er lieber zur Feuerwehr, zum Katastrophenschutz, zum Rettungsdienst, in ein Krankenhaus oder ins Altenheim geht. Hauptsache, es dient dem Gemeinwohl." Ihm schwebt ein Zeitraum von 12 bis 18 Monaten vor. "Und wem sein Einsatz gefällt, kann noch länger bleiben."
Dietmar Wich sieht einen solchen Dienst kritisch - ob er nun Wehrpflicht oder allgemeine Dienstpflicht heißt. Er weist auf verfassungsrechtliche Bedenken hin, die er hat. "Das ist ja nichts anderes als Zwangsarbeit für alle." Und die sei im Grundgesetz verboten. Wer zur Bundeswehr oder zur Feuerwehr gehen wolle, könne das jetzt auch schon tun - freiwillig.
![Eine Kamerafrau filmt in einer Hamburger Kneipe ein Gespräch von drei Männern, die an einem Tisch sitzen. Eine Kamerafrau filmt in einer Hamburger Kneipe ein Gespräch von drei Männern, die an einem Tisch sitzen. © NDR Info Foto: Katrin Kampling](/nachrichten/info/ohadreh100_v-contentgross.jpg)
Robert Uthmann erwidert: "Aber das machen halt zu wenige. Das merkt man bei der Bundeswehr und bei vielen Feuerwehren, wo die Leute fehlen." Und deswegen sei eine Pflicht das Beste. Sein Gesprächspartner hat einen anderen Vorschlag: "Die Bundeswehr muss einfach attraktiver werden und ihr Image ändern." Dann würden sich auch wieder mehr Menschen für die Bundeswehr entscheiden.
Robert Uthmann macht deutlich, dass ihm der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine Sorgen bereitet: "Wir haben eine Sicherheitslage in Europa wie seit 1945 nicht mehr." Im Verteidigungsfall müsse Deutschland genügend Manpower haben. Dafür sei die Wehrpflicht wichtig.
"Man braucht heutzutage gar keine großen Armeen mehr", findet hingegen Dietmar Wich. "Die nächsten Kriege werden technische Kriege sein." Deswegen benötige die Bundeswehr Spezialisten. "Keiner, der nur sechs Monate beim Bund eine Grundausbildung macht, kann eine Cyber-Attacke der Russen abwehren. Wir brauchen Profis - und mehr Geld für die technische Ausrüstung der Bundeswehr." Ein gutes Vorbild sei die Berufsarmee in Frankreich.
Zur Finanzierung regt Dietmar Wich einen "Bundeswehr-Soli" an. Das könnten etwa 90 Euro im Monat sein. "Wenn man sieht, was die Leute an Versicherungen für ihr Auto und ähnliches zahlen: Warum können sie nicht auch mit dem Bundeswehr-Soli eine Art Versicherung für ein sicheres Leben und den Schutz ihres Hauses bezahlen?" Robert Uthmann lehnt einen solchen "Bundeswehr-Soli" ab. Das könnten sich die meisten Leute gar nicht leisten.
So fällt das Fazit aus
Robert Uthmann sagte hinterher: "Es war eine interessante Debatte. Ich finde Herrn Wich sehr sympathisch, auch wenn er ganz anderer Meinung ist. Aber es war sehr aufschlussreich für mich persönlich."
Dietmar Wich sagte hinterher: "Ich fand das Gespräch sehr interessant. Wir sind fair miteinander umgegangen, keiner hat sich angebrüllt. Ich war überrascht, dass Robert so stark die Feuerwehr und den Katastrophenschutz betont hat. Das hat doch mit der Bundeswehr nichts zu tun."
Alle vier Videos von "oha! Zwei Welten an einem Tisch" können Sie sich auch in der ARD-Mediathek ansehen - und ab dem 13. Februar komplett im YouTube-Kanal von NDR Info. Die Artikel zu den drei weiteren Folgen finden Sie hier:
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