"Oha! Zwei Welten an einem Tisch": Verstehen sich die Generationen noch?
Ein spannendes Thema, zwei gegensätzliche Meinungen. Das ist die Idee für das Dialog-Format "oha! Zwei Welten an einem Tisch" anlässlich der Bundestagswahl. NDR Info bringt dafür jeweils zwei Menschen aus dem Norden zusammen - zu insgesamt vier Themen. Hier geht's um das Verhältnis der jüngeren Generationen zu den Älteren.
Vier-Tage-Woche, Rente und Klimawandel - diese Themen haben das Zeug dazu, die Jüngeren und die Älteren in unserer Gesellschaft zu entzweien. Woher rühren die unterschiedlichen Meinungen? Sind die Jungen tatsächlich so faul, wie manche Ältere sagen? Und haben die Boomer uns den Klimawandel eingebrockt? Darüber diskutieren Janine Rduch und Heiko Pohse bei "oha! Zwei Welten an einem Tisch" miteinander.
Janine Rduch: "Arbeit darf nicht alles sein im Leben"
Bei Janine Rduch klingelt der Wecker unter der Woche immer besonders früh, denn die 34-Jährige sitzt in der Regel schon um 6.45 Uhr im Büro. Sie ist im öffentlichen Dienst angestellt, betreut in Vollzeit Kunden, hat viel mit Menschen zu tun. Ihren Arbeitstag beginnt sie gerne früh, damit sie eher Feierabend hat: "Ich sehe Arbeit als wichtig an. Ich sehe auch meine Tätigkeit als sinnstiftend an. Aber ich finde: Arbeit darf nicht alles sein im Leben." Und so nimmt sie sich vor, ihre Feierabende zu genießen, am liebsten mit Freunden oder der Familie. Studiert hat Janine Rduch in Greifswald, jetzt lebt sie mit ihrem Partner in Potsdam.
"Man hört ja oft diese Sätze: Arbeit ist nur dafür da, dass man ein Dach über dem Kopf hat. Das reicht der jüngeren Generation nicht mehr." Janine Rduch
Ihr Berufseinstieg nach der Uni war hart: "Ich wurde in meinen ersten zwei Jahren extrem mit Arbeit bombardiert. Ich bin daran kaputt gegangen - bis zum Burn-out. Ich war dann auch lange krank. Für mich hat das den Denkanstoß gegeben, etwas zu ändern." Und so versucht die 34-Jährige, für sich eine gute Work-Life-Balance hinzukriegen.
Rentner Heiko Pohse: "Arbeit war mein Leben"
Heiko Pohse hat sein Arbeitsleben schon hinter sich. Der 69-Jährige ist seit ein paar Jahren Rentner. Er hat aber noch bis vor einem halben Jahr als Selbstständiger gearbeitet. "Ich habe mein Leben lang gerne gearbeitet - und Arbeit war für mich ein Stück Selbstverwirklichung", sagt Pohse. Der Hamburger, der zur Boomer-Generation gehört, hat unter anderem als Informatiker gearbeitet, zeitweise programmierte er Roboter. 58 Wochenstunden seien für ihn normal gewesen. Pohse war auch mal Lehrer, zwischendurch leitete er ein Kinderheim.
"Heute machen 20-Jährige ihren Umzug zusammen mit den Eltern. Das wäre uns damals nie in den Sinn gekommen." Heiko Pohse
Mit der Arbeitseinstellung der jüngeren Generationen heute kann er nicht viel anfangen:"Die Arbeitsmoral ist eine andere geworden. Die Jüngeren sind mehr auf Konsum ausgerichtet. Man hört ja viel von der Work-Life-Balance. Diese Unterscheidung haben wir damals nie gehabt. Wir haben unser Leben ganz bewusst als Arbeitsleben definiert."
So lief die "oha!"-Debatte zum Generationen-Konflikt
Jammern junge Menschen zu viel? "Nein", sagt Janine Rduch. "Wir achten einfach mehr auf uns und sprechen Missstände an. Ich finde das eher positiv."
Heiko Pohse will hingegen bei der jungen Generation eine Anspruchshaltung ausmachen, "die wir so nicht hatten". Die Zeiten hätten sich geändert. "Heute haben wir großen Wohlstand, alles ist leicht zu erhalten. Als ich 14 Jahre alt war und einen Rückspiegel fürs Fahrrad wollte, musste ich dafür auf dem Bauernhof arbeiten." Auch die Werte hätten sich verschoben, meint der Rentner: Früher sei der Beruf das Wichtigste gewesen, heute die eigene Work-Life-Balance.
Das findet die 34-jährige Janine Rduch gar nicht verkehrt: "Ich habe in meinem Elternhaus erlebt, was es heißt, wenn der Beruf über allem steht. Meine Mutter hat ihren Job gehasst, aber sie hat es 40 Jahre lang durchgezogen und ist daran kaputt gegangen. Das möchte ich nicht für mich." Ihr ist es wichtig, sich in der Freizeit zu erholen: "Dann bin ich auch effektiver und produktiver auf der Arbeit." Eine Vier-Tage-Woche ist für Janine Rduch aber kein Thema: "Wenn ich nicht Vollzeit arbeite, könnte ich mir meine Miete gar nicht leisten."
![Zwei Männer und eine Frau sitzen in einer Kneipe an einem Tisch und unterhalten sich. Zwei Männer und eine Frau sitzen in einer Kneipe an einem Tisch und unterhalten sich. © NDR Info Foto: Katrin Kampling](/nachrichten/info/ohadreh102_v-contentgross.jpg)
Heiko Pohse befürchtet, dass die junge Generation den Wohlstand in Deutschland verspielt: "Das Leben ist kein Ponyhof. Es geht nicht, dass jeder seinen Traumjob hat und sich selbst verwirklicht. Dann wären ja alle in Hollywood, keiner würde hier frühmorgens beim Bäcker arbeiten." Der 69-Jährige sieht aber auch, dass die junge Generation finanziell vor großen Herausforderungen steht: "Ihr müsst mich als Rentner finanzieren. Ich weiß, das belastet euch massiv."
Janine Rduch spricht die Politikverdrossenheit unter jungen Menschen an: "Wir werden nicht gehört. Es wird immer nur für die ältere Wählerschaft Politik gemacht. Wir werden schon so lange von der Politik im Stich gelassen. Auch die Klimaproteste von 'Fridays for Future' wurden größtenteils von der Politik belächelt. Da ist es leicht, zu resignieren."
Heiko Pohse sagt, seine Generation habe nichts von den Auswirkungen des Klimawandels gewusst. Inzwischen denkt er, der Klimawandel sei in dieser globalisierten Welt nicht mehr aufzuhalten: "Der Klimawandel wird kommen, er wird extrem kommen." Die Politik werde da nichts mehr ändern. Janine Rduch hält dagegen: "Diese Haltung finde ich schade. Man sieht ja den Willen der jüngeren Generation, beim Klimaschutz voranzugehen. Das macht mir Hoffnung." Der Rentner bleibt pessimistisch: "Aber wird die breite Masse da mitziehen? Das glaube ich nicht."
So fällt das Fazit aus
Janine Rduch sagte hinterher: "Ich bin zwiegespalten. Einerseits war es interessant zu hören, wie Herr Pohse von seiner ganzen Lebenserfahrung erzählt. Andererseits hat mich seine Einstellung wütend gemacht: dass beim Klimawandel nichts mehr zu machen sei. Wir können uns nicht erlauben, so zu denken! Wir sollten hoffnungsfroh in die Zukunft blicken. Gut finde ich, dass wir im Gespräch einen respektvollen Umgang miteinander hatten."
Heiko Pohse sagte hinterher: "Ich habe sehr gemischte Gefühle. Ich sehe die Sorgen der jungen Generation und kann die Zukunftsängste nachvollziehen. Aber ich sehe grundsätzlich die Schwierigkeit, daran etwas zu ändern. Ich traue der Politik bei der Rente und beim Klima nichts mehr zu. Ich habe da ein Stück weit resigniert."
Alle vier Videos von "oha! Zwei Welten an einem Tisch" können Sie sich auch in der ARD-Mediathek ansehen - und ab dem 13. Februar komplett im YouTube-Kanal von NDR Info. Die Artikel zu den drei weiteren Folgen finden Sie hier:
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