Hitze in der Stadt: "Mehr Bäume zu pflanzen, ist total sinnvoll"
Folgen des Klimawandels wie außergewöhnliche Hitze-Phasen, Dürre und Starkregen sind auch schon in Deutschland zu spüren. Städte und Gemeinden sind gefordert, sich zu überlegen, wie sie sich an die Klimafolgen anpassen. Eine Recherche von NDR, BR, WDR und CORRECTIV zeigt, dass bundesweit knapp die Hälfte der befragten Landkreise und kreisfreien Städte noch kein Konzept hat.
Die Wissenschaftlerinnen Anja Bierwirth und Constanze Schmidt vom Wuppertal Institut erklären im Interview, worauf es nun ankommt. Sie forschen zum Thema Klimaanpassung und Stadtwandel.
Wenn es um die Klimakrise geht, ist oft die Rede vom Klimaschutz. Kommt die Klimaanpassung zu kurz?
Anja Bierwirth: Ja, viele sagen: Wir kümmern uns um Klimaschutz. Warum müssen wir uns auch noch um Klimaanpassung kümmern? Ich habe ein Problem damit, wenn man fragt: Klimaschutz oder Klimaanpassung? Was ist denn jetzt wichtiger? Ich sage: Die beste Anpassungsmaßnahme ist nach wie vor Klimaschutz, um die Folgen des Klimawandels nicht noch drastischer werden zu lassen, als sie es schon sind. Wir sehen ja jetzt schon die sehr heißen, sehr trockenen Sommer. Also, wir haben schon mit Folgen des Klimawandels zu tun. Und dementsprechend braucht es eben auch Anpassungsmaßnahmen. Denn die Städte in der gebauten Situation, wie wir sie jetzt haben, sind da schon im wahrsten Sinne des Worte Hotspots für die Folgen des Klimawandels.
Sind die Hitze-Perioden vor allem ein Problem für die großen Städte?
Bierwirth: Man sieht, dass in dichtbebauten und hochversiegelten Ballungsräumen die Hitze noch mal andere Auswirkungen hat als in ländlichen Gebieten. Im Umland von Städten ist es tendenziell um einige Grad kühler. Auch innerhalb von Städten - in sehr unterschiedlichen Quartieren - kann sich die Hitze sehr unterschiedlich auswirken. Es macht einen großen Unterschied, ob es ein Stadtteil mit viel Grün ist oder nicht.
Unsere Befragung zeigt, dass viele Landkreise und Städte bereits Maßnahmen gegen Hitze und Dürre ergriffen haben - und zwar vor allem im Bereich von Pflanzungen. Wie sinnvoll ist das?
Bierwirth: Begrünung in die Stadt zu bringen, ist eine total sinnvolle Maßnahme. Und zwar unabhängig davon, ob es eine begrünte Fassade an einem Gebäude ist, ein Rasenstreifen, ein grüner Mittelstreifen oder ein großer Park. All diese mitunter kleinen Maßnahmen haben zusammen genommen wichtige Kühleffekte, die helfen können, die Hitze-Perioden etwas erträglicher zu machen. Aber auch Baumpflanzungen sind sinnvoll, da sie auch noch Schatten spenden.
Welche Maßnahmen sind noch besonders effektiv gegen Hitze?
Bierwirth: Es muss natürlich nicht immer der Baum sein. Man kann auch andere schattenspendende Maßnahmen ergreifen: Es gibt Straßen, die mit Sonnensegeln überspannt sind, auch das ist natürlich eine Möglichkeit. Ich kann nicht überall pflanzen - zumal der Boden in unseren Städten voll ist mit irgendwelchen Versorgungsleitungen und Ähnlichem.
Oft spielt ja auch die Geldfrage mit hinein. Sind Bäume eine besonders günstige Form der Klimaanpassung?
Constanze Schmidt: Ich denke nicht, dass das Pflanzen von Bäumen besonders günstig ist. Erstens gilt es, die Bäume anzuschaffen, was teuer ist. Und sie müssen, gerade wenn es Jungbäume sind, noch angepflanzt werden. Und diese jungen Bäume müssen nicht nur über ein Jahr, sondern meistens über drei bis fünf Jahre ausreichend bewässert werden, damit die Wurzeln tief in das Erdreich eingreifen. Aber ich denke, es ist trotzdem eine sehr sinnvolle und effektive Maßnahme für die Stadt, weil es Klimaschutz und Klimaanpassung miteinander verbindet. Sowohl Pflanzen als auch Bäume können natürliche Senken für die Treibhausgase in der Stadt bilden. Auf der anderen Seite haben sie auch vielfältige Funktionen, die zur klimaangepassten Stadt beitragen: Beschattung und UV-Schutz, aber auch die Funktion, das Wasser im Boden zu halten. Gerade bei Starkregen ist der Bodenschutz ein wichtiges Thema. Kurzum: Das Pflanzen von Bäumen ist eine sehr, sehr sinnvolle Maßnahme.
Wie aufwendig ist es, die Städte an die Folgen des Klimawandels anzupassen?
Bierwirth: In unseren Städten Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu ergreifen, bedeutet auch einen umfassenden Umbau von Straßenräumen und von Gebäuden. Das geht alles nicht von heute auf morgen. Jede Fläche in einer Stadt, alles, was gebaut ist, hat irgendeine Art von Nutzung. Und wenn das jetzt angepasst werden soll, müssen Flächen entsiegelt werden. Dann soll begrünt werden. Dann sollen irgendwo Versickerungsflächen geschaffen werden, damit beim Starkregen die Kanalisation nicht so schnell überlastet ist. Das sind alles ziemlich drastische Maßnahmen.
Wie sieht es mit der Akzeptanz solcher Maßnahmen in der Bevölkerung aus?
Bierwirth: Tja, diese Maßnahmen sind nicht immer beliebt - zumal wenn es um die Frage geht: Welchen Stellplatz entsiegeln wir jetzt mal? Ich glaube, das Ziel von den Städten ist relativ klar. Da können sich auch alle darauf einigen, dass es ganz toll wäre, wenn in Städten insgesamt weniger Verkehr wäre und wenn sie grüner werden. Sie werden verkehrssicherer, wunderbar! Aber sobald es um die Frage gibt, wie viele Stellplätze für Autos wegfallen, dann geht die Diskussion halt trotzdem los. Nichtsdestotrotz halte ich es für total sinnvoll, sich damit zu beschäftigen und sich Pläne und Konzepte zu machen und sie nach und nach umzusetzen. Letztlich sind Stadtumbau-Maßnahmen eine langwierige Geschichte. Aber irgendwann muss ich anfangen. Und je früher ich anfange, umso mehr Chancen habe ich, dass ich meine Stadt in den nächsten 10 bis 15 Jahren deutlich resilienter bekomme, als sie jetzt ist.
51 Prozent der Landkreise und kreisfreien Städte haben angegeben, dass die erforderlichen Maßnahmen in den kommenden Jahren nicht ausreichend finanziert werden können. Wie bewerten sie das?
Bierwirth: Also diese Frage: Wer soll das denn alles bezahlen? Die ärgert mich immer ein bisschen, muss ich sagen. Denn wenn man sich anschaut, wofür alles Geld da ist, was alles gebaut und ausgebaut und asphaltiert wird, was komplett konträr steht zu den Zielen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung, dann finde ich das ziemlich ärgerlich. Besser wäre, die Städte würden sich mal anschauen, was sie alles NICHT bauen. Klimaanpassung heißt eben auch, etwas nicht versiegeln, etwas nicht bauen, die Straße nicht um eine Spur erweitern, nicht die nächste Autobahn-Auffahrt zu bauen. Und die Gelder könnte man sicherlich wesentlich besser in Klimaschutz und Klimaanpassung anlegen. Solange das aber nicht passiert, finde ich die Diskussion darum, wie teuer alles ist, fragwürdig.
Sie machten ja bereits deutlich, dass ein Umbau von Städten im Zuge der Klimakrise dauert. Womit könnten die Städte loslegen?
Bierwirth: Wichtig ist, die Klimaanpassung mitzudenken. Eine Stadt kann eine Straße aufreißen, um irgendwelche Versorgungsleitungen reinzulegen, und die Straße dann wieder zumachen. Aber dabei könnte man gleich die Oberfläche anders gestalten, im Sinne der Klimaanpassung. Und dann ist das eine ganz andere Geschichte, als wenn ich nur die Oberfläche aufreiße und einen neuen Asphaltbelag lege.
Kann auch jede Einzelne und jeder Einzelne etwas tun?
Bierwirth: Es gibt eine Menge Maßnahmen, die Einzelpersonen nicht beeinflussen oder umsetzen können. Wenn wir von Straßenumbau reden, dann ist das von Städten oder von den Gemeinden zu organisieren. Gleichwohl gibt es andere Aspekte wie die Frage: Wie fit ist mein Gebäude, wenn es um die Wohnqualität und um die Hitze in den Gebäuden geht? Da wird immer sehr viel darüber diskutiert, wie teuer eine Sanierung ist und dass man gar nicht so viel Heizenergie einsparen kann, damit sich das finanziell lohnt. Aber was im Winter die Wärme drin hält, hält im Sommer auch die Hitze draußen. Auch das ist wieder eine sehr enge Verbindung zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung: Eine energieeffiziente Gebäude-Hülle ist auch in Hitzesommern etwas Besseres. Und das ist etwas, wo Einzelpersonen mitwirken können - zumindest insofern sie ein Haus haben, das man sanieren kann.
Das Interview führte Lara Schwenner vom WDR.