Investor Becken: "Für mich wäre der Elbtower ein Glücksgriff"
Seit mehr als sieben Monaten wird der Elbtower an den Hamburger Elbbrücken nicht weitergebaut. Nach der Signa-Pleite läuft derzeit die Suche nach neuen Investoren. Der Hamburger Dieter Becken will dem Insolvenzverwalter ein Angebot machen. Was hat er vor?
Sein Fernglas hat Dieter Becken in seinem Büro immer griffbereit. Aus dem 12. Stock seines Firmensitzes nahe der Hamburger Binnenalster bietet sich dem Immobilien-Unternehmer ein beeindruckender Blick über die Stadt. In der Ferne kann er auch die oberen Etagen des Elbtowers sehen. Aber der Rohbau des Hochhauses, der seit Oktober 2023 auf einer Höhe von 100 Metern verharrt, ist ihm ein Dorn im Auge. "Das macht doch keine Freude, auf dieses halbe Gebäude zu schauen, auf diesen Stummel", sagt Becken. "Und genau aus diesem Grund würde ich den Elbtower fertig bauen. Hamburg hat verdient, dass dieses Haus dort gebaut wird. An dieser Stelle ist es ein Highlight. Ich finde, es gehört da hin."
"Ich weiß mit den Kosten umzugehen"
Der 75-Jährige ist überzeugt, dass er das "Leuchtturmprojekt" am Rande der Hafencity stemmen könnte - mit all seiner Erfahrung. "Ich selbst habe in Hamburg bereits fünf Hochhäuser gebaut, bin 45 Jahre lang im Geschäft", sagt Becken. "Ich weiß mit den Kosten umzugehen. Ich weiß mit der Komplexität dieses Gebäudes umzugehen. Ich habe Erfahrung in der Vermietung derartiger Gebäude. All das passt zusammen."
Findet Dieter Becken ausreichend Geldgeber?
Der Hamburger will nach eigenen Angaben mitbieten, wenn es darum geht, wer den Elbtower nach den Plänen des Architekten David Chipperfield zu Ende baut. Dieter Becken sucht noch nach Geldgebern, die mit ihm zusammen das Wagnis eingehen. Für ihn ist klar: Er würde erst dann anfangen zu bauen, wenn der Elbtower komplett durchfinanziert ist.
In diesem Punkt würde er sich von Signa-Gründer René Benko unterscheiden. Denn der Investor aus Österreich hatte den Bau des Elbtowers begonnen, obwohl er das nötige Geld dafür gar nicht zusammengetragen hatte. Und so ging Benko schnell das Geld aus - der Baustopp war die logische Folge.
Bis zu 500 Millionen Euro für den Weiterbau
Becken zeigt sich optimistisch, bald Partner mit dem nötigen Eigenkapital präsentieren zu können: "Ich habe gute Hoffnung, dass sich unsere Investoren, mit denen wir sprechen, überzeugen lassen und wir diese Abschlüsse in den nächsten Wochen hinbekommen." Einen Zeitplan hat er auch: Dem Hamburger Bau-Entwickler schwebt vor, dass in sechs Wochen sein Bieter-Konsortium steht. Etwa die Hälfte habe er bereits zusammen. Ob sein Plan aufgehen wird, könne er aber jetzt noch nicht sagen.
Becken rechnet damit, dass noch bis zu 500 Millionen Euro in das Bauprojekt Elbtower investiert werden müssten. Ursprünglich sollte das 245-Meter-Hochhaus rund 950 Millionen Euro kosten.
Die Suche nach Mietern läuft
Aber für Dieter Becken geht es nicht nur darum, Geldgeber vom Elbtower zu überzeugen. Er braucht auch Mieter, die bereits sind, die mutmaßlich sehr hohen Mieten im dritthöchsten Bürogebäude Deutschlands zu zahlen. Denn nur, wenn hohe Mieteinnahmen fließen, lohnt sich der Einstieg für die Investoren. Nach Beckens Angaben laufen Gespräche mit zwei Interessenten. "Diese beiden Mieter würden etwa 40.000 bis 45.000 Quadratmeter Fläche nehmen. Das wären schon etwa 35 bis 40 Prozent der Gesamtfläche. Der Rest sind Büroflächen im oberen Teil des Elbtowers, die unserer Meinung nach sehr gut vermietbar sind. Dafür würden wir ganz sicher in der Bauzeit Mieter finden."
Von den einstigen Mietern des Elbtowers sind nur noch zwei übrig: ein Hotel und ein Co-Working-Anbieter. René Benko hatte seinerzeit die Hamburg Commercial Bank als bedeutendsten Großmieter an Bord geholt. Aber die Bank ist längst von ihrem Mietvertrag zurückgetreten.
Becken ist dennoch guter Dinge: "Wenn ich das Konsortium zusammengestellt bekomme und wenn ich meine beiden Mieter, mit denen ich rede, überzeugen kann, einen Mietvertrag zu unterschreiben, dann ist dieses Haus für mich ein Glücksgriff."
Angebote aus dem In- und Ausland
Aber letztendlich kommt es auf Insolvenzverwalter Torsten Martini an. Denn Dieter Becken ist nicht der einzige Elbtower-Interessent. Martini hat dem NDR bestätigt: "Mir liegt bisher rund eine Handvoll Kaufangebote aus dem In- und Ausland vor." Seine Aufgabe ist es nun, das beste Angebot herauszusuchen. "Die Kaufverträge sollen bis zum Herbst unterschrieben werden, bis zum Jahresende soll der Verkaufsprozess dann abgeschlossen sein", teilt der Elbtower-Insolvenzverwalter mit. Neben Becken gibt es offenbar einen weiteren Bieter aus Deutschland. Außerdem soll auch ein US-Unternehmen Interesse angemeldet haben.
Hamburger SPD: Eine private Lösung wäre sehr gut
In der Hamburgischen Bürgerschaft ist man erleichtert, dass endlich Bewegung in den Verkaufsprozess kommt. Seit Monaten gibt es das Schreckgespenst in der Stadt, dass der halbfertige Elbtower als Bauruine die Hafencity in Richtung Osten abschließt - und nicht als das Juwel, das sich Hamburgs Stadtplaner und der frühere Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) erträumt haben.
Der Vorsitzende der SPD-Bürgerschaftsfraktion Dirk Kienscherf sagt nun: "Der Elbtower ist ein privates Objekt - und wenn es eine private Lösung gibt, ist das sehr gut. Von daher ist das Angebot von Herrn Becken ein spannender Vorschlag. Das muss der Insolvenzverwalter entsprechend prüfen."
Die Linken fordern, dass die Bürgerschaft ein Mitsprache-Recht erhält, was die Zukunft des Elbtowers anbelangt. "Die Bürgerschaft und auch die Öffentlichkeit muss wissen, wenn jetzt andere Investoren auftreten: Was genau kriegen sie für Bedingungen für den Weiterbau des Elbtowers? Das muss transparent sein", sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Heike Sudmann.
Stillstand auf der Baustelle: Hohe laufende Kosten
Auf der Baustelle des Elbtowers an den Elbbrücken wird sich jedenfalls so schnell nichts Neues tun. Aktuell sind dort nur wenige Personen im Einsatz. Sie kümmern sich beispielsweise um die Sicherung des Rohbaus. Dieser "Stilllstandsbetrieb" kostet laut dem ehemaligen Signa-Projektleiter Torben Vogelgesang jeden Monat einen niedrigen sechsstelligen Betrag. Frühestens im kommenden Jahr wird der Elbtower weiter an Höhe gewinnen können.
Dieter Becken hofft, dass er im Sommer 2025 weiterbauen kann - vorausgesetzt, dass der Insolvenzverwalter seinem Bieter-Konsortium den Zuschlag erteilt. Und in ein paar Jahren könnte der Hamburger Bauentwickler dann in seinem Büro an der Binnenalster zum Fernglas greifen - und den fertigen Elbtower in der Stadtsilhouette bewundern.