Elbtower: Baubeginn ohne ausreichendes Kapital
Seit Ende 2023 passiert an der größten Bauruine Hamburgs, dem halbfertigen Elbtower, nichts mehr. Recherchen von Panorama 3 legen nahe: Es war absehbar, dass der Koloss nicht fertig werden würde - denn die geplante Finanzierung war still und heimlich weggebrochen. Der Hamburger Senat ist nun mit der Tatsache konfrontiert, dass er sich mit einem zweifelhaften Geschäftsmann eingelassen hat.
Wie eine Recherche von Panorama 3 zeigt, war in dem Moment, als der Rohbau Anfang 2023 in die Höhe wuchs, kaum noch Geld für das gigantische Immobilienprojekt da. Der Senat wusste allerdings nichts vom Wegbrechen des Kapitals, ging vielmehr von einer soliden Finanzierung aus.
Panorama 3 konnte Einblick in nichtöffentliche Protokolle des Haushaltsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft nehmen. Demnach wurde ein Kredit über 150 Millionen Euro, den die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) wenige Monate zuvor dem Signa-Konzern zugesagt hatte, am 27. Februar 2023 aufgehoben. Ein Bankenkonsortium, das weitere Kredite im Umfang von mehr als einer halben Milliarde Euro beisteuern sollte, kam nicht zustande. Das Eigenkapital von Benkos Firmenimperium schrumpfte zusammen.
Landesbank als eine Art Prüfinstanz
Das Zusammenschmelzen des Kapitals für den Elbtower just bei Baubeginn ist brisant, weil der Benko-Konzern im Herbst 2022 gegenüber dem Senat eine üppige Finanzierungsgrundlage präsentiert hatte. Dazu gehörten ein Kontoauszug der Signa vom 23. September 2022, der ein Guthaben von mehr als 553 Millionen Euro auswies, und ein Darlehensvertrag mit dem Kreditgeber Helaba. Die Landesbank hatte bei dem Geschäft die Funktion des "Tauglichen Finanzierers", die im Grundstückskaufvertrag zwischen dem Hamburger Senat und Signa 2019 definiert worden war. Als eine Art Prüfinstanz sollte sie garantieren, dass die Finanzierung des Elbtowers gesichert sei.
Sie überprüfte auch Mietverträge zwischen dem Bauherrn und Unternehmen, die in den Elbtower einziehen sollten. Benko musste, als Auflage der Bürgerschaft, bis September 2022 nachweisen, dass er mindestens 30 Prozent der Flächen des Büroturms vermietet hatte. Die Helaba bescheinigte dem Senat, dass diese Bedingung erfüllt sei. Im Januar 2024 stieg der bedeutendste dieser angeblichen Mieter, die Hamburg Commercial Bank (HCOB), aus dem Mietvertrag aus. Die Helaba ging auf NDR-Anfrage dazu nicht ein. Ein Banksprecher erklärte nur allgemein, dass man sich "zu Kundenverhältnissen nicht äußern" könne. Die HCOB ließ eine Anfrage unbeantwortet.
Vertrag sollte eine Bauruine eigentlich verhindern
Der Nachweis der Finanzierung im Herbst 2022, die Übergabe des Grundstücks im Januar 2023, Baubeginn und das Verschwinden des Kapitals im Februar 2023 - zeitlich liegen diese Schritt sehr eng beieinander. "Ein sehr kurzer Zeitraum" sei das gewesen, innerhalb dessen das Geld für den Elbtower verdampfte, sagt der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Markus Schreiber. Im Gegensatz zur Mehrheit seiner Partei sah er die Vergabe des Projekts an Benko von vornherein kritisch.
Der 197 Seiten dicke Vertrag spricht von Benko als "leistungsfähigem Bauherr erstrangiger Bonität", der eine "unterbrechungsfreie, vollständige und qualitätsvolle Realisierung" des Elbtowers garantiere. "Es ging aus Sicht des Senats in dem Vertrag darum, sicherzustellen, dass es nicht zu etwas kommt, was wie eine Bauruine aussieht," sagt Heike Sudmann von der Linken-Fraktion. Dies sei "komplett daneben gegangen".
Stadt hatte keine Einsichtsrechte mehr
"Sämtliche Nachweise wurden fristgerecht und vollständig eingereicht," rechtfertigt sich Andreas Kleinau, Geschäftsführer der Hafencity GmbH, der städtischen Gesellschaft, die das Geschäft mit dem Benko-Konzern vollzog. "Das wurde dann auch von unserer Seite fachmännisch geprüft." Doch nach der Übergabe des Grundstücks sei vertragsgemäß keine Kontrolle des Kapitals für den Elbtower mehr vorgesehen gewesen. "Wir hatten keine Auskunfts- und Einsichtsrechte mehr", sagt Kleinau. Nach der Grundstücksübergabe sei nicht mehr die Finanzierung, sondern der Baufortschritt am Turm zu überwachen gewesen.
Luftbuchungen als "EDV"-Fehler
Und dieser war 2023 augenscheinlich da - der Rohbau wuchs in die Höhe. Doch hinter den Kulissen passierten bald Ungereimtheiten: Zur Überwachung des Baufortschritts gehörte die Prüfung des Mittelabflusses an den Rohbauer. Wie in der vertraulichen Dokumentation der Bürgerschaft festgehalten ist, gab Benkos Konzern irgendwann im Laufe des Jahres 2023 Zahlungen an die Baufirma an, die er gar nicht geleistet hatte. Es kam zu einer "rechnerischen Differenz" von 38 Millionen Euro. Als diese schließlich auffiel, wurde sie von Signa gegenüber der Stadt Hamburg mit einem "EDV-Fehler" begründet.
Jörg Hamann, als Bürgerschaftsabgeordneter der CDU bis 2020 ein früher Gegner des Paktes der Stadt mit Benko, sieht sich bestätigt. Dieser sei als "unseriös" bekannt gewesen. Mit diesem Mann hätte der Senat nie Geschäfte abschließen dürfen. Hier liege "der Grundfehler", sagt Hamann, der jetzt als Fachanwalt für Baurecht arbeitet.
Wie es mit der Bauruine an den Elbbrücken weitergeht, ist unklar. Der Insolvenzverwalter hat noch keinen neuen Käufer gefunden.