Stillstand auf der Baustelle: Was wird aus dem Elbtower in Hamburg?

Stand: 26.04.2024 14:15 Uhr

Seit einem halben Jahr steht die Baustelle des Elbtowers in Hamburg still. Nach der Pleite des Bauherrn Signa läuft die Suche nach einem neuen Investor. Wird das Hochhaus weitergebaut? Kommt ein abgespeckter Turm? Oder gar ein Abriss?

von Marc-Oliver Rehrmann und Julia Freistedt

"So viel mehr als Office": Auf einem großen Plakat an der Baustelle sind die Verheißungen des Elbtowers noch immer zu lesen. Das Gebäude des Stararchitekten David Chipperfield soll nicht irgendein Hochhaus sein. Geplant sind Social Spaces, Art Venues, Edutainment, Event Hub, Conferencing, Co-Working, Fitness, Bars - und noch so manches mehr. Und natürlich Büros, viele Büros. Kurzum: ein einmaliges Gebäude an einem einmaligen Standort. So haben es Stadtplaner, Politiker und Architekten versprochen. Aber die Zukunft des Elbtowers ist ungewiss. Die Baufirma stellte ihre Arbeiten am 27. Oktober 2023 ein, weil Rechnungen nicht bezahlt wurden. Und nach der Signa-Pleite fehlt nun ein Investor. Der Turm ist aktuell rund 100 Meter hoch, vorgesehen ist eine Höhe von knapp 245 Metern.

Suche nach einem neuen Investor läuft

Insolvenzverwalter Torsten Martini bemüht sich, mögliche Investoren aufzuspüren. Jemand, der Hunderte Millionen Euro aufbringt, um den Elbtower weiterzubauen. Es geht aber zunächst darum, zu klären, welche Bauleistungen für den Elbtower bereits erbracht worden sind. Laut bisherigen Schätzungen sind mindestens 300 Millionen Euro verbaut. Die Gesamtkosten sollten ursprünglich bei rund 950 Millionen Euro liegen. Auf Anfrage des NDR teilte Martini in dieser Woche mit: "Im März haben wir für dieses Landmark-Projekt einen der weltweit größten Dienstleister für Gewerbe-Immobilien mit einer internationalen Investoren-Suche beauftragt." Üblich sei, dass bei Projekten dieser Größenordnung sich nicht nur Einzel-Investoren, sondern auch Investoren-Clubs mit einem Einstieg befassen. Sollte es mehrere Interessenten geben, gilt: Wer das höchste Gebot abgibt, erhält den Zuschlag.

Wer lässt sich auf das Abenteuer Elbtower ein?

Klar ist: Die Suche nach einem neuen Investor gestaltet sich schwierig. Dies räumt auch das Team des Insolvenzverwalters gegenüber dem NDR ein: "Die Vermarktung eines Projekts in der Größenordnung des Elbtowers im Rahmen eines Insolvenzverfahrens ist schon unter 'Normalbedingungen' herausfordernd. Im gegenwärtigen Markt- und Zinsumfeld gilt dies aber in besonderer Weise. Im Interesse der Gläubiger und der Freien und Hansestadt Hamburg streben wir schnellstmöglich eine zufriedenstellende Lösung an."

"Das rechnet sich nur mit sehr hohen Mieten"

Der Hamburger Immobilien-Experte Sebastian H. Lohmer ist skeptisch. Es sei keineswegs ausgemacht, dass es einen Investor gibt, der sich auf das Abenteuer Elbtower einlässt. "Der Bau ist so teuer, dass man sehr hohe Mieten aufrufen muss, damit sich das Projekt rechnet", sagt Lohmer. "Und das ist an diesem Standort äußerst schwierig zu erreichen. Einfach weil der Elbtower zu weit von der Innenstadt entfernt liegt. Das Umfeld ist nicht so attraktiv, dass es gerechtfertigt wäre, so hohe Mieten zu nehmen - auch wenn die Architektur schön ist."

"Mir fehlt der Glaube an den Elbtower"

An der Baustelle des Elbtower wird ein Teil eines großen Krans abgebaut. © icture alliance / ABB
Weil die großen Kräne am Elbtower gerade nicht gebraucht werden, werden sie zu anderen Baustellen abtransportiert.

Welcher Investor und welche Bank wagt sich an den Elbtower, wenn es offenbar schwierig ist, Mieter für die rund 77.000 Quadratmeter zu finden? Investor René Benko hatte vor dem Kauf des Grundstücks nur einen großen Mieter vorweisen können: die Hamburg Commercial Bank. Dieser Deal kam aber offenbar nur zustande, weil Benko im Gegenzug 220 Millionen Euro für das Gebäude in der Hamburger Innenstadt zahlte, in dem die Bank aktuell ihren Hauptsitz hat. Dieser Kaufpreis liege weit über Marktwert, sagen Experten. Zudem ist die Hamburg Commercial Bank inzwischen von ihrem Mietvertrag zurückgetreten. "Ich kann mir gut vorstellen, dass noch weitere Mieter abspringen", sagt Lohmer. "Mir fehlt der Glaube an den Elbtower."

Die Stadt will keine Bauruine

Die Stadt Hamburg hofft darauf, dass sich ein neuer Investor finden lässt. Die Stadtentwicklungsbehörde teilte auf Anfrage des NDR mit: "Ziel ist es, dass der Elbtower als privatwirtschaftliches Projekt durch einen neuen Investor fertiggestellt wird." Das bedeutet auch: Ohne Investor ist ein Weiterbau sehr unwahrscheinlich. Der rot-grüne Senat hat immer wieder betont, dass für den Elbtower keine Steuergelder ausgegeben werden sollen - anders als bei der Elbphilharmonie. Eine politische Kehrtwende kurz vor der nächsten Bürgerschaftswahl halten viele Beobachter nicht für möglich. Eine Bauruine an so markanter Stelle wäre für die Stadt aber auch nicht hinnehmbar. Zumal der Spitzname "Kurzer Olaf" in Anspielung an Ex-Bürgermeister Olaf Scholz der regierenden SPD sicher nicht gefällt. Was dann?

Der Rohbaus des Elbtowers © NDR Foto: Marc-Oliver Rehrmann
AUDIO: Wie kann es mit dem Hamburger Elbtower weitergehen? (9 Min)

Die Linken wollen einen "Deckel" prüfen

In der Stadt fragen sich viele: Warum belässt man den Elbtower nicht einfach bei der aktuellen Höhe von 100 Metern? Auch für die Linken in der Bürgerschaft wäre ein solcher "Deckel" eine mögliche Lösung. "Braucht Hamburg weitere Büroflächen? Braucht Hamburg weitere Hotelflächen? Nein!," sagt Heike Sudmann, Fachsprecherin für Stadtentwicklungspolitik bei den Linken. "Von daher ist es überhaupt nicht unser Ansinnen, dass der Elbtower weiter in die Höhe gebaut wird. Es wird eher zu prüfen sein, ob jetzt ein Deckel drauf kann. Und dann ist die Frage: Welche Nutzung geht da rein? Man kann darüber nachdenken, ob man da öffentliche Einrichtungen reinlässt. Aber dann muss es alles in der Regie der Stadt sein."

Wohnungen sind im Elbtower nicht möglich

Visualisierung zeigt das Bauvorhaben "Elbtower" in Hamburg © picture alliance / SIGNA_Chipperfield/HafenCity Hamburg GmbH/dpa Foto: SIGNA_Chipperfield
So stellt sich Architekt David Chipperfield den Elbtower vor - der Turm wäre mit 245 Metern das dritthöchste Gebäude Deutschlands.

Aber ist eine "Deckel"-Lösung zu verwirklichen? Das Problem: Der Elbtower ist - Stand jetzt - ein Rohbau, der keineswegs bezugsfertig ist. "Selbst wenn man es bei der jetzigen Höhe beließe, müssten wahrscheinlich noch mehrere Hundert Millionen investiert werden", sagt Immobilien-Experte Lohmer. Würde die Stadt so viel Geld investieren? Wohl kaum. Könnten städtische Behörden ihre Büros in dem Turm einrichten? Unvorstellbar, dass die Stadt bereit wäre, die notwendigen hohen Mieten zu zahlen. Wohnungen sind im Elbtower auch nicht möglich. Das hatte Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) bereits deutlich gemacht. "Wohnen ist an dieser Stelle aufgrund der Lärmbelastung nicht möglich."

Der Architekt hat auch ein Wort mitzureden

Gegen einen Deckel spricht zudem das Urheberrecht des Architekten. Der Elbtower in geschrumpfter Fassung mit einer Höhe von 100 Metern? Das dürfte David Chipperfield nicht schmecken. Und nur mit seiner Zustimmung wären gravierende Änderungen an den Plänen möglich. Das hat das Architektenbüro dem NDR bestätigt. "Entweder ein Investor baut den Elbtower zu Ende oder man reißt es ab", sagt Lohmer. "Eine andere Lösung sehe ich nicht."

Könnte die Stadt mit einem Abriss Geld verdienen?

Sollte kein neuer Investor gefunden werden, wäre die Stadt am Zug. Sie könnte versuchen, den Elbtower samt Grundstück vom Insolvenzverwalter günstig zu kaufen und den Rohbau abzureißen. Unter dem Strich müsse das kein Verlustgeschäft sein, sagt Immobilien-Experte Lohmer. Denn für den Verkauf des Grundstücks hat die Stadt Hamburg einst 122 Millionen Euro kassiert. "Die Abrisskosten werden mit Sicherheit nicht so hoch sein. Und selbst wenn man die Grundschuld des Elbtower-Grundstücks in Höhe von Dutzenden Millionen Euro berücksichtigt: Ich glaube, dass die Stadt mit einem Abriss Geld verdienen kann." Zumal die Stadt nach dem Abbruch das Grundstück erneut verkaufen könnte.

Und dann gibt es noch das Wiederkaufsrecht

Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Stadt nach gescheiterter Investoren-Suche ihr vertraglich festgeschriebenes Wiederkaufsrecht nutzt. "Bei einem Rückkauf würden wir den ursprünglichen Kaufpreis in Höhe von 122 Millionen Euro - ohne Zinsen und abzüglich von fünf Millionen Euro - erstatten und im Gegenzug das Grundstück zurückerhalten", so Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Die Stadt bekäme außerdem den rund 100 Meter hohen Baukörper quasi geschenkt dazu - im Wert von etwa 300 Millionen Euro. Aber dann wäre die Frage: Was macht die Stadt Hamburg mit diesem Geschenk? Auf eigene Faust einen Investor suchen? Warum sollte der Stadt gelingen, was dem Insolvenzverwalter zuvor nicht gelungen ist?

So bleiben bei der Frage nach der Zukunft des Elbtowers viele Fragezeichen. Spannend wird es, wenn Insolvenzverwalter Martini verkündet, ob er einen Investor gefunden hat oder nicht. Auf der Baustelle des Elbtowers stehen die Kräne bis dahin weiter still.

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NDR Info | 26.04.2024 | 14:00 Uhr

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