Hoher Krankenstand: Was sich Betriebe dagegen einfallen lassen

Stand: 03.12.2024 15:45 Uhr

Besonders in der Grippe- und Erkältungssaison ist der hohe Krankenstand ein Problem. Aber auch insgesamt steigt die Anzahl der Krankheitstage. Einige Firmen im Norden setzen sich nun besonders für die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden ein.

von Anna-Lou Beckmann, Felix Tenbaum, Isabel Lerch und Marvin Weber

Die morgendliche Bauleiter-Besprechung bei der Firma Wilken & Sohn beginnt mit einem Blick auf den Dienstplan. Zwei Mitarbeiter haben sich an diesem Morgen bei dem Betrieb in Hamburg-Wandsbek krankgemeldet, zwei weitere Krankmeldungen kommen wenig später hinzu. Mehr als eine Stunde lang beschäftigt sich Geschäftsführer Hendrik Wolfgramm damit, die Lücken im Dienstplan zu stopfen.

Der Krankenstand ist ein Dauerthema in dem mehr als 100 Jahre alten Familienbetrieb. Von seinen rund 50 Beschäftigen, die auf verschiedenen Baustellen in und um Hamburg im Einsatz sind, fehlen in der Regel fünf bis zehn Personen. In der Erkältungs- und Grippesaison sind es auch schon mal mehr.

Mitarbeiter eines Hamburger Bauunternehmens sitzen bei einer Besprechung an einem Tisch. © Screenshot
Geschäftsführer Hendrik Wolfgramm (links) muss nach Krankmeldungen häufig seine Dienstpläne ändern.

Und: Die Anzahl der Krankheitstage hat in den vergangenen Jahren zugenommen: "Wenn ich vier Jahre zurückschaue, dann lag unsere Krankheitsquote - wir messen das immer an Krankheitstagen pro Mitarbeiter pro Jahr - bei ungefähr zwölf Tagen pro Mitarbeiter. Letztes Jahr waren wir schon bei 14 Tagen. Und wenn ich mir die Auswertung für dieses Jahr anschaue, dann sind wir schon in den Monaten Januar bis Oktober bei 14 Krankheitstagen. Da fehlen noch zwei Monate", sagt Wolfgramm.

Für den Bauunternehmer bedeutet das manchmal auch, dass er Vertragsstrafen zahlen muss, wenn er vereinbarte Fertigungstermine nicht einhalten kann.

Zwei Mitarbeiter in einem Hamburger Dentallabor schauen auf eine Prothese. © Screenshot
AUDIO: Wie Hamburger Unternehmen gegen den hohen Krankenstand ankämpfen (9 Min)

Ältere Angestellte sind häufiger krank

Laut Statistischem Bundesamt fehlten Arbeitnehmer im Jahr 2023 durchschnittlich an gut 15 Tagen im Jahr. Das ist gut ein Drittel mehr als vor drei Jahren. Gründe für den hohen Krankenstand in Deutschland sind unter anderem eine hohe Arbeitsbelastung, der Fachkräfte-Mangel und eine älter werdende Gesellschaft, sagt Volker Nürnberg, Professor für Gesundheitsmanagement an der Hochschule Allensbach: "De facto ist der Krankenstand hoch: einerseits im Vergleich zu anderen Ländern und andererseits im Vergleich zu den letzten Jahren und Jahrzehnten." Etwa die Hälfte der Ausfälle seien durch Langzeit-Erkrankungen wie etwa Burn-out bedingt. Hinzu komme, dass die Bevölkerung durch den demografischen Wandel immer älter werde. Und ältere Angestellte seien mehr und länger krank, sagt Nürnberg.

Krankenstand im Norden bleibt auf hohem Niveau

Typisch für die kalte Jahreszeit sorgten die typischen Diagnosen wie klassische Erkältung, die Grippe und Bronchitis – aber auch Corona - für die meisten Fehltage im Oktober. Versicherten-Daten der Techniker Krankenkasse zeigen: Rund 6 Prozent der Norddeutschen meldeten sich im Oktober krank.

Im Vergleich zu den Vorjahren bleibt der Krankenstand auf einem hohen Niveau. Insgesamt waren Versicherte in den vergangenen drei Jahren im Schnitt an rund zwei Tagen im Oktober krank und fielen aus – 2021 war es noch ein halber Tag weniger. In allen norddeutschen Bundesländern ist der Krankenstand in diesem Herbst noch einmal leicht gestiegen.

Firma fördert Gesundheit der Beschäftigten

Der dauerhaft höhere Krankenstand hat Geschäftsführer Wolfgramm zum Umdenken gebracht. Vor drei Jahren hat er ein dreiteiliges Konzept für seine Firma entwickelt, das aus seinen Angestellten gesündere und auch zufriedenere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen soll. Dieses umfasst zügige Facharzt-Termine, Vorsorge-Angebote und eine betriebliche Krankenversicherung. Durch eine betriebliche Krankenversicherung bekommen die Mitarbeitenden Vorsorge-Angebote und zügig Facharzt-Termine: "Die Mitarbeiter kriegen einen finanziellen Anreiz, in ihre eigene Gesundheit zu investieren und dadurch langfristig natürlich auch weniger Ausfallzeiten zu haben."

Wer gesund bleibt, erhält eine Prämie

Geschäftsführer Hendrik Wolfgramm schaut auf seinem Computer die Dienstpläne. © Screenshot
Weniger Lücken im Dienstplan: Wolfgramm geht mit mehreren Maßnahmen gegen den hohen Krankenstand an.

Außerdem zahlt der Betrieb eine außertarifliche Prämie für Mitarbeitende, die innerhalb eines Quartals keinen einzigen Tag ausgefallen sind. "Wir wollen nicht diejenigen bestrafen, die krank sind. Deswegen ist das eine absolute Zusatzleistung", sagt Wolfgramm.

Für seinen Betrieb habe sich das Konzept schon bezahlt gemacht - auch wenn der Krankenstand immer noch anhaltend hoch sei. "Wir befinden uns weiterhin unter dem Bundesdurchschnitt, was die durchschnittlichen Ausfallzeiten betrifft. Es ist zwar schwer messbar, aber wir würden schon sagen, dass wir einen gewissen Erfolg sehen."

"Das Thema Gesundheit gehört heute dazu"

Die Maßnahmen beim Hamburger Bauunternehmen sind aus Sicht des Gesundheitsexperten Volker Nürnberg sinnvoll. Viele Betriebe könnten sich davon noch etwas abschauen, meint er: "Es ist sogar noch die Mehrheit, insbesondere der kleinen und mittelständischen Unternehmen, die sehr wenig macht für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter." Heutzutage müsse Gesundheitsmanagement in den Unternehmen mitgedacht werden. "Eine gesunde Kultur zahlt auch auf die Attraktivität eines Arbeitgebers ein. Das spricht sich rum - und es wird auch in Arbeitgeber-Portalen hinterlegt, ob du gesunde Arbeitsbedingungen hast oder nicht."

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Ein angemessenes Gesundheitsmanagement gehöre zu einer modernen und zeitgemäßen Unternehmensführung dazu, findet auch Hjalmar Stemmann, Präsident der Hamburger Handwerkskammer. In seinem Dentallabor im Hamburger Norden sorgt die Erkältungssaison für viele leere Arbeitsplätze. "Das Problem ist insbesondere bei den kleinen und mittleren Betrieben sehr groß. Denn dort sind sehr viele Positionen nur einmal oder zweifach besetzt."

Um dieses Problem besser in Griff zu bekommen, wünscht sich Stemmann mehr Vorbilder im Handwerk: "Wir brauchen insbesondere Anregungen von kleinen Betrieben für kleine Betriebe." Oftmals könne man bereits mit kleinen Investitionen Großes bewirken, meint Stemmann. Zum Beispiel mit regelmäßiger Physiotherapie, um körperliche Arbeit gut bewältigen zu können.

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