Besonders viele Krankmeldungen in Kitas im Norden
Mitarbeitende in Kitas sind deutlich häufiger krank als andere Berufsgruppen - oft wegen psychischer Krankheiten. Im ganzen Norden liegen die Krankheitstage von Erzieherinnen und Erziehern über dem bundesweiten Durchschnitt. Das hat eine Auswertung von Daten der Krankenkassen durch die Bertelsmann Stiftung ergeben.
Besonders oft fallen Beschäftigte in der Kinderbetreuung in Mecklenburg-Vorpommern aus - im Jahr 2023 an 34,7 Tagen (bundesweit 29,6). Damit liegt der Nordosten laut Bertelsmann Stiftung deutschlandweit auf Platz zwei der meisten Ausfälle, nach Berlin.
Nur 24 Krankheitstage haben im Vergleich dazu alle anderen Berufsgruppen im Durchschnitt (bundesweit 20). Um die Ausfallzeiten durch Krankheit, Urlaub und Fortbildungen aufzufangen, bräuchte es laut Stiftung im Nordosten knapp 2.500 vollzeitbeschäftigte Fachkräfte zusätzlich. Kostenpunkt demnach: 154 Millionen Euro jährlich.
Erzieherinnen im Norden überdurchschnittlich oft krank
In Niedersachsen waren Beschäftigte in der Kinderbetreuung und -erziehung im Jahr 2023 demnach an durchschnittlich 31,2 Tagen arbeitsunfähig. In Schleswig-Holstein an 32 Tagen und in Hamburg an 33,2 Tagen. Beschäftigte anderer Berufsgruppen waren laut Bertelsmann Stiftung in den drei Bundesländern lediglich an 19 bis 21 Tagen arbeitsunfähig - was etwa dem bundesweiten Durchschnitt entspricht. Zwischen 2021 und 2023 seien die Arbeitsunfähigkeitstage des Kita-Personals in Deutschland um 26 Prozent gestiegen.
Kita-Mitarbeitende leiden oft an psychischen Krankheiten
Kita-Mitarbeitende sind den Auswertungen der Bertelsmann Stiftung zufolge nicht nur deutlich häufiger als andere Berufsgruppen krank. Auch die Zahl psychischer Erkrankungen sei deutlich höher. Am häufigsten werden Kita-Beschäftigte demnach wegen Atemwegserkrankungen arbeitsunfähig, am zweithäufigsten aus psychischen Gründen. Die Bertelsmann Stiftung und das Fachkräfte-Forum, das sich aus Kita-Fachkräften, Leitungskräften und Fachberatenden aus allen Bundesländern zusammensetzt, erklären diesen Umstand unter anderem mit dem Personalmangel in Kitas. Demnach sei die Personalsituation bundesweit dramatisch, wodurch die psychische Belastung der Mitarbeitenden immer weiter steige. Izabela Böhm, Co-Vorsitzende der Landeselternvertretung der Kindergärten in Schleswig-Holstein, bestätigt, dass der hohe Krankenstand am fehlenden Personal liege. "Die, die noch da sind, arbeiten natürlich das Doppelte oder Dreifache und haben gar keine Zeit, Luft zu holen."
Fachkräfte immer mehr überlastet
Unter diesen Umständen leide auch die frühkindliche Erziehung. In den hohen Krankheitsausfällen sieht Anette Stein, Expertin der Bertelsmann Stiftung für frühkindliche Bildung, einen Teufelskreis: "Aufgrund der steigenden Krankenstände fallen immer mehr Fachkräfte aus, wodurch die Überlastung für die verbleibenden Beschäftigten weiter zunimmt. An gute frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung ist vielerorts gar nicht mehr zu denken", so Stein. Personalmangel und Krankenausfälle führten zu Problemen beim Sozialverhalten, bestätigt auch Elternvertreterin Böhm. "Es ist für die Kinder eine Katastrophe, wenn sie immer wieder aus ihrem Kita-Alltag gerissen werden." Mangelndes Sozialverhalten müsste anschließend in der Schule aufgefangen werden.
Forderung an die Politik
Entlastung könnten Vertretungen durch qualifiziertes Personal bringen. Die Bertelsmann Stiftung und das Fachkräfte-Forum fordern daher, dass diese Vertretungen für alle Ausfallzeiten finanziert werden. Um die aktuelle Personalsituation in Kitas zumindest kurzfristig zu stabilisieren, müssten demnach bundesweit zusätzlich knapp 97.000 vollzeitbeschäftigte Fachkräfte für Vertretung eingestellt werden. Daher sollte laut Bertelsmann Stiftung und Fachkräfte-Forum im Kita-Qualitätsgesetz ein Standard festgehalten werden, der Vertretungen für Ausfallzeiten garantiert. Dafür brauche es jedoch genügend pädagogisch qualifiziertes Personal.
Demo in Hamburg für mehr Investition in Bildung
Das Kitanetzwerk Hamburg lädt am 19. September zu einer Demo für mehr Investitionen in die frühkindliche Bildung. Die hohe Arbeitsbelastung und der daraus resultierende hohe Krankenstand führten zu einer nicht verlässlichen Betreuung, heißt es auf dem Aufruf. Ab 16.30 Uhr findet ein Sternmarsch zur Kundgebung am Dammtor statt.