Kita-Leiterin aus Hannover: "Die Zukunft sieht recht düster aus"
In den meisten Kitas fehlen Erzieherinnen und Erzieher - und im Moment werden zudem viele krank. Kita-Leiterin Stefanie Schulze vom Caritas-Familienzentrum Hannover-List spricht im NDR Interview über eine Einrichtung am Limit.
Viele Kitas kämpfen mit Personalmangel. Wie ist Ihre Lage gerade?
Stefanie Schulze: Bei uns sind heute über ein Drittel der Mitarbeitenden nicht da. Wir haben insgesamt 26 pädagogische Fachkräfte. Davon sind neun krank, zwei im Urlaub und zwei auf Fortbildung. Daher mussten wir heute früh von unseren neun Gruppen zwei ganz schließen und in zwei weiteren die Betreuungszeiten am Nachmittag reduzieren. Da müssen die Kinder jetzt früher abgeholt werden.
Wie haben die Eltern reagiert?
Schulze: Für Eltern ist das meist eine schwierige Situation. Manche sind zu Recht verärgert. Ich verstehe das. Sie müssen ja schnell Ersatz finden oder selbst die Betreuung übernehmen. Das ist auf die Schnelle nicht leicht zu wuppen. Ich hoffe sehr, dass das jetzt nicht viele Tage so weitergeht. Eine Gruppe ist schon seit Montag geschlossen.
Warum gibt es eigentlich keine Vertretung für die kranken Kolleginnen und Kollegen?
Schulze: Es gibt ja Vertretungen. Wir haben knapp 40 Mitarbeiter hier im Haus und sind eigentlich gut aufgestellt. Aber nicht immer sind alle Mitarbeitenden verfügbar, weil es Fortbildungen gibt, Urlaub und auch die Kolleginnen, die einspringen sollen, werden mal krank - und da ist man irgendwann am Ende mit seinem Latein.
Das klingt so, als ob Sie ganz grundsätzlich am Limit sind.
Schulze: Wir fordern schon seit langer Zeit, dass der Betreuungsschlüssel endlich angepasst wird. Doch es ist immer noch so, dass eine pädagogische Fachkraft 12,5 Kinder betreuen muss. Wenn man also eine Kindergartengruppe mit 25 Kindern hat, dann sind darin nur zwei pädagogische Fachkräfte. Wir brauchen aber heute kleinere Gruppen, wenn wir den ganzen Anforderungen an frühkindliche Bildung gerecht werden und nicht permanent an unsere Grenzen gehen wollen. Und da habe ich noch nicht einmal über die ganzen Dokumentationspflichten gesprochen, die heute vorgeschrieben sind.
Sind denn bei Ihnen alle Stellen besetzt?
Schulze: Ja, bei uns im Haus sind alle Stellen besetzt. Aber wir sind eine Ausnahme. In anderen Kitas sieht es ganz anders aus. Da gibt es viele Vakanzen. In der ganzen Branche herrscht ein Fachkräftemangel. Und die Zukunft zeigt auch, dass es genauso weitergeht - oder auch noch schlimmer wird.
Wo sehen Sie die Gründe für diesen Fachkräftemangel?
Schulze: Ein wichtiger Grund dafür ist, dass unser Beruf nicht mehr attraktiv ist. Er hat aus meiner Sicht heute sogar ein sehr schlechtes Image. Viele denken, das seien ja nur Frauen, die Kaffee trinken und ein bisschen mit den Kindern spielen. Das ist natürlich ein ganz falsches Bild, denn der Beruf ist sehr komplex und anspruchsvoll, aber diese großen Anforderungen nehmen viele in der Gesellschaft gar nicht wahr. Hinzukommen weitere Punkte: Die starren Arbeitszeiten schrecken viele ab, denn wir haben jeden Tag von 8 Uhr bis 15 oder 16 Uhr geöffnet. Auch da wünschen sich viele junge Kolleginnen und Kollegen, das ein bisschen freier und flexibler handhaben zu können. Viele Menschen wünschen sich mehr Homeoffice, andere wollen insgesamt weniger arbeiten. Das sind alles Gründe, warum uns Fachkräfte fehlen. Zumal die Ausbildung in den ersten Jahren nicht vergütet ist.
Erfahren Sie als Kita nur Kritik oder auch Unterstützung von den Eltern?
Schulze: Ich glaube, dass sich hier das Selbstverständnis tatsächlich sehr gewandelt hat. Es gibt viele, die uns in Notlagen Hilfe anbieten. Das kann sein, dass vielleicht eine Mutter sagt, ich kann heute Nachmittag in einer Gruppe mit auf die Kinder aufpassen oder bei einem Ausflug unterstützen. Wenn also ein Kind dann vielleicht ein Pflaster braucht oder was zu trinken haben möchte, dann kann das eine solche Mutter übernehmen. Ich glaube, dass wir diese Zeiten nur Hand in Hand schaffen können.
Können das denn so viele Eltern darstellen - neben Beruf und Haushalt?
Schulze: Natürlich gibt es auch viele Eltern, die sagen, ich kann das nicht leisten. Ich bin in Vollzeit berufstätig, das geht nicht auch noch. Dann würde ich diese Person nicht dazu drängen oder unter Druck setzen. Wir müssen alle aufeinander aufpassen. Das ist ganz wichtig.
Blicken Sie also insgesamt positiv in die Zukunft?
Schulze: Nein, denn ich finde, sie sieht recht düster aus. Es gibt die Prognosen, wie das mit dem Fachkräftemangel weitergeht, die sind ja nicht wegzudenken, da können wir nichts gegen tun. Und wenn die Politik nicht etwas verändert, mehr Geld in diesen Bereich schießt, dann wird es ziemlich grauenhaft werden. Darauf müssen wir uns leider einstellen.
Das Interview führte Caroline Schmidt.