Finnische Außenministerin: "Schattenflotte auch gefährlich für Russland"
Nach mehreren Zwischenfällen in der Ostsee mit zerstörten Pipelines, beschädigten Datenkabeln und havarierten Öltankern wollen die NATO-Staaten jetzt die Schutzmaßnahmen verstärken.
Sie vereinbarten auf einem Treffen in Helsinki unter anderem, direkt gegen Schiffe vorzugehen, von denen Gefahren ausgehen. Die russische Schattenflotte sei allerdings auch ein Risiko für das Land selbst, sagte die finnische Außenministerin Elina Valtonen im Gespräch mit NDR Info. Denn von einer Schiffshavarie in der Ostsee wie jüngst vor Rügen wäre auch das russische Festland betroffen.
Wie wollen Sie künftig zuverlässig erkennen, dass von einem Schiff Gefahr ausgeht?
Elina Valtonen: Wir wollen in der NATO gemeinsame Kompetenzen aufbauen, um die kritische Infrastruktur besser überwachen zu können. Tatsächlich sind diese Pläne in den vergangenen Monaten schon sehr weit gediehen. Aber wir müssen natürlich noch viel mehr tun.
Welche Schiffe haben Sie denn da besonders im Blick?
Valtonen: Vor allem die russische Schattenflotte, die sich als sehr riskant erwiesen hat. Sie stellt ein sehr großes Risiko für die kritische Infrastruktur da, die in der Ostsee liegt, aber auch für die Umwelt, weil Russland sich nicht davor scheut, auch marode Tankschiffe einzusetzen. Daher müssen wir den Transport von russischem Öl mit dieser Schattenflotte einschränken.
Wie groß ist denn die Gefahr, die direkt von Russland ausgeht, speziell im Ostseeraum?
Valtonen: Die Ostsee ist nicht nur für den Transport von Gütern, sondern auch ganz generell für die Verbindung mit dem Rest der Welt für Russland sehr, sehr wichtig. Aus diesem Grund würden wir eigentlich erwarten, dass Russland durch die Unfälle in der Ostsee in den letzten Monaten bemerkt, dass die Schattenflotte auch für das Land selbst eine Gefahr darstellt.
Ist es denn künftig noch zeitgemäß und praktikabel, Leitungen welcher Art auch immer so ungeschützt auf den Meeresboden zu legen?
Valtonen: Bestimmt nicht. Und wir werden ganz robust die Schutzmaßnahmen, die schon heute zur Verfügung stehen, effektiv nutzen. Am allerwichtigsten ist, dass wir die Risiken verteilen. Es kann nicht sein, dass ein einziges Land an nur einem Kabul hängt oder von einer Datenverbindung abhängig ist. Diese Abhängigkeiten müssen wir abbauen. Und das geschieht in diesem Fall natürlich am leichtesten dadurch, dass wir viele Verbindungen aufbauen, vor allem zwischen befreundeten Ländern, und dadurch resilienter werden.
Ihr Land ist erst jetzt seit kurzem Mitglied der NATO und hat die längste gemeinsame Grenze mit Russland. Wie läuft die Zusammenarbeit mit den neuen Partnern?
Valtonen: Die Zusammenarbeit läuft sehr gut. Finnland ist ja schon seit Jahrzehnten genauso wie Schweden ein Partner der NATO, aber war eben noch kein Mitglied. Die hybride Kriegsführung ist allerdings neu für uns. Daher ist es besonders wichtig, dass wir ganz eng zusammenarbeiten mit unseren Alliierten und Partnern und gemeinsame Lösungen finden.
Wie groß ist Ihre Sorge, wenn Sie an die Zukunft denken?
Valtonen: Wir sind natürlich besorgt, weil wir wissen, dass Russland unter seiner jetzigen Führung ziemlich aggressive Ziele hat. Diese zeigen sich auf grausame Art in der Ukraine, wo Russland einen brutalen Angriffskrieg führt. Aber sie sind nicht nur auf die Ukraine begrenzt. Russland will im gesamten Westen die Demokratien schwächen und scheut dabei vor nichts zurück, um dies zu erreichen. Daher müssen wir besonders stark auf unsere Verteidigung setzen. Im Großen und Ganzen mache ich mir aber in dem Sinne keine Sorgen, weil wir schon jetzt ziemlich gut gewappnet sind. Und wir wissen hier im Westen, worum es geht und wofür wir kämpfen.
Das Interview führte Andreas Sperling.