Der Wald fällt als Helfer bei Klimaschutz-Zielen aus
Die Wälder in Deutschland tragen nicht wie erwartet zur Speicherung des klimaschädlichen Treibhausgases CO2 bei. Das ist das ernüchternde Ergebnis der jüngsten Bundeswaldinventur (BWI). Was folgt daraus für die Wälder im Norden?
Die Zahlen, die Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) am Dienstag vorgestellt hat, verheißen nichts Gutes. Eigentlich sind die Wälder als ein wichtiger Helfer vorgsehen, damit Deutschland seine Klimaziele erreichen kann. Doch diese Rolle kann der Wald - wie sich jetzt zeigt - schon seit dem Jahr 2017 nicht mehr erfüllen. Wegen klimabedingter Schäden gibt der Wald inzwischen mehr Kohlenstoff ab als er aufnehmen kann. Der Wald sei also mittlerweile zu einer Kohlenstoff-Quelle geworden, sagte Özdemir in Berlin bei der Vorstellung der vierten Bundeswaldinventur. "Das grüne Herz unseres Landes gerät außer Takt. Das wäre ungefähr so, als wenn die Klimaanlage, statt zu kühlen, heizen würde." Der Grund: Der Verlust an Biomasse ist durch Stürme und Dürre sowie Käferbefall größer als der Zuwachs an lebender Biomasse.
Dabei hat die Waldfläche im Zeitraum von 2012 bis 2022 bundesweit sogar leicht zugenommen. Aber vor allem der Bestand der Fichte ist stark zurückgegangen - um knapp 17 Prozent. Folglich ist nicht mehr die Fichte, sondern die Kiefer die Baumart, die am weitesten verbreitet ist. Jeder zweite Baum in einem Wald ist ein Nadelbaum.
"Alle Bäume leiden unter dem Klimawandel"
Vor allem die Jahre 2018 bis 2021 haben dem Wald zuletzt zugesetzt. Langanhaltende Trockenheit und Extremwetter-Ereignisse wie Stürme und Hagel haben zu massiven Schäden geführt. Dies kann auch Jobst Böttger von den Landesforsten Niedersachsen in seinem Berufsalltag beobachten. "Alle Bäume leiden unter dem Klimawandel", sagt Böttger. "Einige Bäume kommen zwar besser mit der Trockenheit klar - wie Kiefern und Eichen. Aber wenn es zu trocken wird, schaffen sie das auch nicht mehr." In diesem Jahr habe es relativ viel geregnet, die Bodenwasserspeicher seien gut gefüllt. "Der Wald kann mal aufatmen." Mehr als eine Atempause wird es aber aller Voraussicht nach nicht sein. Denn der Klimawandel schreitet voran.
Wälder der Zukunft: Die Mischung macht es
Nun geht es - im Norden wie in ganz Deutschland - darum, die Wälder fit für die Zukunft zu machen. Mischwald heißt das Zauberwort. Das heißt: Auf einer Fläche steht nicht nur eine Baumart, sondern gleich mehrere. "Die Bäume, die geschädigt sind, wird man nicht retten können", sagt Böttger. "Aber wir können Mischwälder etablieren, um die Wälder an den Klimawandel anzupassen." In Niedersachsen sind das viele Buchen, aber auch Douglasien, Birken, Eichen. Und auch Nadelbäume wie Kiefern. "Durch die Mischung können wir den Bestand widerstandsfähiger machen und das Risiko streuen: Falls eine Baumart ausfällt, haben wir noch vier oder fünf andere. Der Wald der Zukunft wird auf jeden Fall anders aussehen als der, den wir bislang kennen."
Der Fokus für die Landesforsten liegt auf der Wiederbewaldung der Schadflächen, die durch die Stürme und den Borkenkäfer-Befall entstanden sind. In Niedersachsen wurden zuletzt innerhalb eines Jahres fünf bis sechs Millionen neue Pflanzen in den Boden gebracht. Nötig sind aber landesweit Hunderte Millionen neue Bäume. "Den Waldumbau zu klimastabilen Laub- und Laubmischwäldern müssen wir weiterführen und beschleunigen", teilte am Dienstag Niedersachsens Forstministerin Miriam Staudte (Grüne) mit. Immerhin: Die Bundeswaldinventur zeigt, dass deutschlandweit der Umbau hin zu Mischwäldern vorankommt.
Wald-Experten: Eine Kehrtwende ist nicht zu erwarten
Reicht der Umbau der Wälder, damit sie wieder einen Beitrag zum Klimaschutz leisten? Die Verfasser der Bundeswaldinventur sind da eher pessimistisch: Eine Besserung sei vorerst nicht in Sicht. In dem Bericht heißt es: "Ein weiterer Kohlenstoff-Vorratsanstieg im Wald wie bisher wird für die Zukunft nicht erwartet wegen des steigenden Alters des Waldes, des Ausfalls der Fichte und der Folgen der zurückliegenden Dürrejahre." Dies alles führe zu einem Absinken der Kohlenstoff-Einbindung. "Zudem erfordert der notwendige aktive Waldumbau zu klimaangepassten Mischwäldern in aller Regel die Entnahme von alten Bäumen und führt somit zu einer Absenkung des Vorrats", so die Experten.
Das Klimaschutzgesetz setzt auf die Wälder
Für den Kampf gegen die Folgen des Klimawandels ist das ein Rückschlag. Denn das Klimaschutzgesetz sieht vor, dass Wälder gemeinsam mit Mooren von 2027 bis 2030 jährlich im Durchschnitt mindestens 25 Millionen Tonnen des klimaschädliche Gases Kohlendioxid aufnehmen. Um "unvermeidliche Emissionen" in anderen Bereichen wie Landwirtschaft und Industrie auszugleichen. Bis zum Jahr 2045 sollen es sogar 40 Millionen Tonnen sein. Das ist das Jahr, in dem Deutschland klimaneutral sein will. Doch im Moment lassen die Wälder die CO2-Emissionen stiegen, anstatt sie auszugleichen. Die Bundesregierung wird dies in ihren Bemühungen, die CO2-Emissionen herunterzufahren, berücksichtigen müssen.
Wie sieht das Klima in hundert Jahren aus?
Und so stehen die Politiker und die Waldbesitzer vor großen Herausforderungen. "Zumal keiner genau weiß, wie das Klima in Norddeutschland in hundert Jahren sein wird", sagt Förster Jobst Böttger. "Aber wir sind positiv gestimmt, dass wir unsere Wälder retten können. Wir schaffen das."