Vater des Amok-Schützen Philipp F. wandte sich an Hamburger Behörde
Der Vater des Hamburger Amok-Schützen Philipp F. hat sich bereits 2021 wegen psychischer Probleme seines Sohnes an die Behörden gewandt. Das wurde am Donnerstag im Innenausschuss der Bürgerschaft bekannt. Außerdem sagte der Hanseatic Gun Club dem NDR, er habe in diesem Winter eine Warnung in Bezug auf Philipp F. an die Waffenbehörde der Hamburger Polizei weitergegeben.
Vor dem Innenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft sagte Jan Hieber, Leiter des Landeskriminalmats in der Hansestadt, der Vater von Philipp F. habe den Sozialpsychiatrischen Dienst angerufen und gesagt, dass sein Sohn Stimmen höre und sich umbringen wolle. Nach einem Gespräch mit dem Sohn seien dann jedoch keine weiteren Maßnahmen für nötig befunden worden.
LKA: Wesensänderung 2019 festgestellt
Bereits 2019 habe das Umfeld des späteren Täters eine Wesensänderung bei Philipp F. festgestellt, nachdem dieser seine Beziehung beendet und seinen Arbeitsplatz verloren habe, sagte Hieber. Philipp F. habe dann selbst Kontakte zu Ärzten aufgenommen, "um seine psychischen Probleme in den Griff zu bekommen", und sei zwischenzeitlich auch in Bayern in stationärer Behandlung gewesen. Als Philipp F. 2021 angekündigt habe, sich selbst heilen zu wollen, habe sich der Vater entschieden, die Behörden einzuschalten.
Hanseatic Gun Club: Warnung vor Amoktäter an Waffenbehörde weitergeleitet
Die Behörden über eine mögliche Gefährdung durch Philipp F. informiert hat in diesem Winter nach eigenen Angaben der Hanseatic Gun Club in Hamburg. Gegenüber dem Rechercheformat STRG_F (NDR und funk) und T-Online erklärte der Sprecher des Gun Clubs, bei dem Philipp F. seit Oktober 2021 Mitglied war, eine Warnung an die Waffenbehörde der Hamburger Polizei weitergeleitet zu haben. Der Bruder des Attentäters soll demnach bereits im Januar bei dem Schießverein angerufen und auf eine “Veränderung” von Philipp F. hingewiesen haben. Diese Informationen seien sofort telefonisch an die zuständige Abteilung bei der Waffenbehörde weitergeleitet worden.
Die "Zeit" hatte am Donnerstag online berichtet, dass der Gun Club, bei dem der Täter das Schießen gelernt habe, frühzeitig gewarnt worden sei. Die Zeitung berief sich in ihrem Artikel auf Ermittlerkreise. Demnach sei die Polizei vom Gun Club nicht gewarnt worden. Dem widerspricht nun der Sprecher des Schießclubs.
Letztes Schießtraining im Verein am 12. Dezember 2022
Laut Gun Club hatte Philipp F. seit dem 6. Dezember 2022 eine Waffenbesitzkarte, am 12. Dezember habe er zuletzt beim Verein geschossen und sei danach nicht mehr dort erschienen. Anfang Januar sei dann die Warnung des Bruders telefonisch beim Club eingegangen. Man habe dann bei der Waffenbehörde sogar danach gefragt, wie der Bruder die Verantwortlichen über die "Veränderung" von Philipp F. informieren könne.
Den Recherchen zufolge soll die Behörde daraufhin gesagt haben, ein anonymer Hinweis reiche aus. Kurz darauf, am 24. Januar 2023, ging tatsächlich ein anonymer Hinweis bei der Polizei ein, in dem gewarnt wurde, dass Philipp F. unter Verfolgungswahn leide und in den Augen des Hinweisgebers nicht in der Lage sei, Waffenbesitzer zu sein. Die Waffenbehörde hatte danach eine sogenannte Waffenbesitzkontrolle bei Philipp F. veranlasst, bei der die Beamten aber nach Polizeiangaben nichts Verdächtiges festgestellt hatten.
Konfrontiert mit den Aussagen des Gun Clubs, verwies Polizeipräsident Ralf Martin Meyer gegenüber STRG_F und T-Online auf die laufenden Ermittlungen. Alles sei derzeit eine "Momentaufnahme". Inwieweit sich die Äußerungen bewahrheiten, müsse man sehen.
Grote und Meyer: Waffenbehörde hätte Amoktat wohl nicht verhindern können
Die Rolle der Hamburger Waffenbehörde steht seit der Amoktat im Fokus. Konkret geht es um die Frage, ob diese nach einem anonymen Hinweis bei einer Kontrolle des Sportschützen wenige Wochen vor der Tat auf dessen psychischen Zustand hätte aufmerksam werden und ihm die Waffe entziehen müssen.
Im Innenausschuss gaben die Hamburger Polizei und die Innenbehörde am Donnerstag an, weiter keine Verfehlung der Waffenbehörde bei der Zuverlässigkeitsüberprüfung des späteren Amokschützen zu sehen. Innensenator Andy Grote (SPD) und Polizeipräsident Meyer verwiesen in diesem Zusammenhang auf bisherige Erkenntnisse einer Prüfgruppe der Polizei und der Fachaufsicht der Innenbehörde. Auch wenn ein von Philipp F. verfasstes Buch, mit dem der anonyme Hinweisgeber die psychische Störung des späteren Täters belegen wollte, von der Waffenbehörde ausgewertet worden wäre, hätte die Tat wohl nicht verhindert werden können, sagte Meyer. Denn selbst wenn man zu dem Schluss gekommen wäre, ein fachpsychologisches Gutachten anzufordern, hätte dem 35-Jährigen die Waffe nicht sofort entzogen werden können. Innensenator Grote äußerte sich ähnlich. Er forderte erneut eine Verschärfung der Waffengesetze.
Hätten die Behörden mehr tun können?
Der Vorsitzende des Innenausschusses, Ekkehard Wysocki (SPD), sagte: "Selbst wenn man in der Konsequenz dieses Buch gekannt hätte und geprüft hätte, wäre es nicht unmittelbar dazugekommen zu sagen, dass es eine direkte Verbindung zu der bevorstehenden Tat gegeben hätte." Dirk Nockemann, Innenpolitiker der AfD, kam zu einem ähnlichen Schluss. Nach den Gutachten stelle sich die Lage so dar, "dass aus dem Buch selber überhaupt keine Erkenntnisse hätten gezogen werden können darüber, dass es eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit gibt". Die CDU bleibt dagegen bei ihrer Einschätzung, dass die Behörden mehr hätten tun können und tun müssen.
Acht Tote nach Amoklauf
Bei dem Amoklauf am 9. März in der Straße Deelböge im Stadtteil Alsterdorf hatte der 35-jährige Philipp F. bei einer Gemeindeversammlung der Zeugen Jehovas sieben Menschen und sich selbst getötet. Neun Menschen wurden verletzt.