Marion Dönhoff Preis für Memorial-Mitgründerin Scherbakowa
Im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg ist am Sonntag der Marion Dönhoff Preis für internationale Verständigung und Versöhnung verliehen worden. Er ging in diesem Jahr an die Mitgründerin der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial, Irina Scherbakowa. Den Förderpreis bekam die Tafel Deutschland.
Die Laudatio für Scherbakowa hielt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine sei die Auszeichnung Scherbakowas ein "eindeutiges politisches Signal zur richtigen Zeit", sagte Scholz. Von Menschen wie der 73-jährigen russischen Historikerin gehe die Botschaft aus, "ein anderes, besseres, helleres Russland ist möglich".
Memorial bekommt auch den Friedensnobelpreis
Die Jury des Preises zeichnete Scherbakowa für ihren Einsatz für die Demokratisierung und Humanisierung der russischen Gesellschaft aus. Seit Jahrzehnten wirke sie an der Aufklärung der Verbrechen des Stalinismus mit. Ihre Organisation Memorial, die im vergangenen Jahr in Russland verboten wurde, erhält in der kommenden Woche in Oslo gemeinsam mit anderen Menschenrechtlern aus Belarus und der Ukraine auch den Friedensnobelpreis.
Scherbakowa: "Es gibt dieses andere Russland"
Scherbakowa sagte, als Historikerin habe sie immer gedacht, mit der Aufarbeitung des Stalinismus für Freiheit und Demokratie sorgen zu können. "Wenn wir den Menschen zeigen, wie es war, gerade der jüngeren Generation, dann werden sie gegen die Verlockungen einer neuen Diktatur geimpft", habe sie geglaubt. Die Realität sei im Moment eine andere. "Wenn man sein Lebenswerk von einer Diktatur zertreten sieht, dann besteht die Gefahr, aber auch die Verlockung der Hoffnungslosigkeit", warnte sie. Doch für sie sei es wichtig, den Menschen zu zeigen: "Es gibt dieses andere Russland, es schweigt nicht."
Förderpreis für die Tafel
Der Förderpreis ging in diesem Jahr an die Tafel Deutschland. Es gehöre zur "bitteren Wahrheit unseres Landes, dass viele Menschen aus unterschiedlichsten Gründen in Armut leben", sagte Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) in ihrer Laudatio. Die deutschlandweit mehr als 960 Tafeln mit ihren mehr als 60.000 Helferinnnen und Helfern machten auf Lebensmittelverschwendung aufmerksam und sorgten dafür, "dass Essen hinkommt, wo es hingehört: nämlich auf den Teller". Die Tafeln leisteten in Krisenzeiten Herausragendes. "Ihre Arbeit ist heute wichtiger als jemals zuvor", sagte Fegebank.
Preise mit jeweils 20.000 Euro dotiert
Die von der "Zeit" und der "Zeit"-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius und der Marion Dönhoff Stiftung verliehenen und mit jeweils 20.000 Euro dotierten Preise werden zum 20. Mal vergeben. Sie sind nach der ehemaligen "Zeit"-Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff benannt, die 1909 in Königsberg geboren wurde und 2002 in Hamburg starb.