"Texas Hold 'Em": Beyoncé toppt die US-Countrycharts
Die Sängerin Beyoncé (32 Grammys, 200 Millionen verkaufte Tonträger) ist eigentlich bekannt für üppig arrangierte R'n'B-Songs. Mit ihrer Single "Texas Hold 'Em" steht sie jetzt als erste schwarze Frau an der Spitze der US-Countrycharts.
Das klingt ungewohnt! Beyoncé, die Spezialistin für ausufernden Dance-R'n'B, einmal ganz minimalistisch. Die Beats kommen hier ausschließlich vom Stampfen der Tanzenden, dazu gibt es eine Akustik-Gitarre, ein Banjo und ein Call and Response von ihr und dem feiernden Chor. "Texas Hold 'Em" lädt zum Feiern, Tanzen und Trinken ein - und auch zum Vergessen der komplizierten Gegenwart: "Alle Probleme fühlen sich dramatisch an, lass uns in die nächste Bar gehen, die wir finden" heißt es im Text.
Album "Act II": Beyoncé goes Country
Schon als Beyoncé sich bei den Grammys mit großem, weißen Cowboyhut zeigt, stutzen viele. Welches modische Zeichen will sie hier setzen? Inzwischen ist klar: Auf ihrem Album "Act II" wird sich die Musikerin ganz dem Genre widmen, das für lange Überlandfahrten in Pickups steht, für Rednecks, Bier, Steakhouses und vor allem: Für das weiße Amerika des mittleren Westens. Ein weiterer symbolträchtiger Ausflug also: Mit "Act I: Renaissance" hat Beyoncé 2021 ein House-Album mitten in den Lockdown der Clubs geworfen und deutete dabei auf die schwarzen und queeren Wurzeln der elektronischen Tanzmusik.
Die afro-amerikanischen Wurzeln des Country
Taucht man genauer ein ins Arrangement von "Texas Hold' Em", findet man auch hier den ein oder anderen Fingerzeig: Das Banjo-Intro spielt Rhiannon Giddens, die legendäre Musikerin, die seit 30 Jahren auf die afro-amerikanischen Wurzeln des Country hinweist. Und sie spielt es in einem Stil, der unmittelbar auf die schwarzen Oldtime-Bands des Südens verweist, musikalischer Fachbegriff: Claw Hammer Jam. Es ist ein Stil, der noch stark an die westafrikanischen Musiktraditionen erinnert, die die Versklavten einst mitgebracht haben. Die Harmonien des Songs wiederholen sich alle zwölf Takte. Dieses Blues-Schema ist die mächtige DNA von Jazz, Soul, Rock'n'Roll und R'n'B - eigentlich dem Großteil der gesamten Popmusik, auch des Country.
Die liberalen Medien in den USA feiern diese Wiederaneignung einer musikalischen Kultur. Schon jetzt habe Beyoncé dem schwarzen Country mehr Sichtbarkeit gegeben. Den ersten "Texas Hold' Em"-Skandal gab es auch schon: Ein Country-Radio wollte den Song nicht spielen. Es kam zum Shitstorm, dann die Entschuldigung: Wir kannten das Lied doch noch gar nicht!
Lil Nas Xs "Old Town Road": Queerer Rapper mit Cowboyhut
Der Sender Fox News hält sich bisher zumindest online noch recht bedeckt: Der Rassismus im Country sei doch eine Erfindung der Mainstreammedien! Doch wie viele schwarze Künstler waren denn schon auf Platz 1 in diesen Genrecharts, die 1944 vom Billboard Magazin ins Leben gerufen wurden? Eine handvoll, zuletzt Jimmi Allen und Kane Brown im Jahr 2018. Der schwule Rapper Lil Nas X hätte es 2019 schaffen können mit seinem Song "Old Town Road", aber dem Lied hat man dann schnell das "Countryeske" abgesprochen, als es in den Country-Charts nach oben klettert. Auch das damals ein Skandal: Ein Queerer Hip-Hopper im Cowboyhut, das war zu viel.
Billboard-Charts gehen auf die Rassentrennung zurück
Dabei liegt der eigentliche Rassismus in den US-Charts an sich: Die heutigen R'n'B-Charts gehen auf die Listen für Race-Music aus den 20er-Jahren zurück. In den Billboard-Charts existiert sie also noch, die alte Rassentrenung. Sie ist Alltag in einem multiethnischen Staatengebilde, das die Wurzeln seiner Kultur, seiner Identität, ständig neu verhandelt - gegenwärtig auch oft in sehr schriller Tonlage.