Heimspiel in ausverkaufter Arena: Scorpions rocken Hannover
"Rock Believer", das 19. Studio-Album der Scorpions, ist vor gut einem Jahr erschienen. Jetzt ist die Band mit neuen und alten Songs auf Tournee durch Europa. Tausende Rock-Gläubige kamen am Freitag zum Konzert in Hannover - der Geburtsstadt von Sänger und Texter Klaus Meine.
Der Vorhang fällt und ein weiterer enthüllt die Frage der Band ans Publikum: "Are you ready to rock?" Dass sie selbst es sind, beweisen die fünf Musiker gleich zu Beginn vor einem riesigen, metallischen Skorpion mit gefährlich weiß strahlenden Augen: Die Gitarristen Rudolf Schenker und Matthias Jabs springen mit ihren Gitarren auf die Fans zu. Klaus Meine greift sich einen Bund Schlagzeug-Sticks, schlägt den Rhythmus damit kraftvoll auf einer Kuhglocke und wirft die Sticks dann gut gelaunt in die Menge.
Politisches auch auf der neuen Platte
"Gas In The Tank" und "Seventh Sun" vom neuen Album erklingen. Den neuen Song "Peacemaker" - ein rockiges Musikstück mit wummerndem Bass - kündigt Klaus Meine an mit den Worten "hier geht es um Gut und Böse". Dabei ist die Platte im Februar 2022, noch vor Beginn des Angriffs auf die Ukraine, veröffentlicht worden. Eine Vorahnung, wie sie einst auch der Welthit "Wind Of Change" vermittelte. 1989, wenige Monate vor dem Fall der Mauer entstanden, beschrieb er die Hoffnung, dass sich der Wind in der Sowjetunion dreht. In Hannover wird er auf einer blau-gelb gestrichenen Gitarre gespielt, in blutroten Lettern erscheint der geänderte Text "Now listen to my heart - It says Ukraine, waiting for the wind to change" - damit alle mitsingen können.
Heimvorteil und Wechselgesang mit den Fans
"Say yeah!" - ein Großteil der 11.000 Fans in der ausverkauften Arena antwortet begeistert mit "Yeah". Immer wieder streckt Klaus Meine sein Mikro samt Stativ Richtung Publikum und lässt dort einen Refrain anstimmen. "Es ist eine Weile her, dass wir hier waren, aber ihr habt euch gar nicht verändert", sagt er. Nur was früher die Feuerzeuge waren, die bei ruhigen Songs geschwenkt wurden, das seien heute die iPhones, die sollten alle jetzt mal rausholen.
Mehr als zehn Jahre ist es her, dass die Scorpions zuletzt in Hannover gespielt haben, an wenigen Stellen im Konzert taucht so etwas wie Wehmut auf. Auch die 1980er-Jahre sind stark vertreten mit Titeln wie "The Zoo", "Coast To Coast" und dem ruhigeren "Bad Boys Running Wild". Es ist eine gelungene Mischung von ruhigen und energiegeladenen Titeln, dazwischen kraftvolle Gitarrensoli und das beeindruckende, minutenlange Solo von Drummer Mikkey Dee. Am Anfang wird er noch durch die Basslinie von Paweł Mąciwoda begleitet, die den Boden der Arena vibrieren lässt. Dann spielt Mikkey Dee sich warm. Der frühere Trommler von Motörhead, der im Herbst 60 wird, schüttelt seine graue, lange Mähne und findet nach einem Freestyle-Trommelgewitter am Ende wieder in ruhigere Rhythmen.
Ein Showdesign, das Geschichten erzählt
Überzeugendes Showdesign und Lichtkonzept stammen vom Österreicher Manfred Nikitser. Den Schlagzeuger hat der Lichtdesigner auf einen pyramidenartig erbauten Thron aus einer Reihe von blinkenden Lichtstufen in die Mitte des Raumes gesetzt. Drumherum steht ein halbrundes Stage-Set mit unzähligen Scheinwerfern. Die Projektionen erinnern an Zeiten des Rock 'n' Roll - mal erscheinen die rotierenden Scheiben eines Spielautomaten, dann wieder wird per Live-Kamera das Bild der Gitarristen in einen Rahmen aus bunten Leuchtlampen übertragen, wie sie sich einst an Spielautomaten im Casino finden ließen.
Immer wieder werden auf der Projektionsfläche auch visuell Geschichten erzählt: Vögel, die entfernt an Friedenstauben erinnern, reißen bei "Wind of Change" eine Mauer mit Stacheldraht ein und fliegen frei gen Horizont. Oder aber es wird - zur romantischen Ballade "Still Loving You" - die Silhouette einer Frau in hohen Stiefeln gezeigt, die sich schlangenartig über den Boden bewegt und im Gegenlicht selbstbewusst ihre Haare hochschleudert als wollte sie den Verehrer, der erneut um sie wirbt, abschütteln.
Es ist ein überzeugendes Bekenntnis zum Rock, das diese "Rock Believer" aus Niedersachsen in Hannover abgeliefert haben. Vom Publikum wurden die Alt-Rocker dafür am Ende ausgiebig gefeiert.