Gerhard Gundermann zum 70.: Leben zwischen Arbeit, Musik und Stasi
Tagsüber Baggerfahrer, abends Musiker auf der Bühne: Gerhard Gundermann wollte Knochenjob und Kunst nicht trennen. 1998 starb der gebürtige Weimarer mit 43 Jahren. Ein Porträt.
Gerhard Gundermann war noch keine 30 Jahre alt, da hatten sich entscheidende Dinge in seinem Leben geklärt: vom Studium zum NVA-Offizier, exmatrikuliert, dann Hilfsarbeiter im Tagebau Spreetal und Musiker im Singeklub Hoyerswerda. Später wollte Gundermann Musik und Arbeit nicht mehr trennen. "Das sind schon zwei Extreme. Ich komme damit ganz gut damit klar, so vom Innenleben her. Ich komme mit der Zeit nicht klar - es ist eigentlich zu wenig Zeit für alles, das ist die andere Frage", sagte er 1995 in einem ausführlichen Interview mit dem NDR. "Aber der liebe Gott rührt es immer so ein, dass es irgendwie in die Reihe kommt. Und es ist ja auch so, diese Arbeit bringt ja auch eine gewisse Sicherheit mit sich, sodass ich mir in der Kunst auch eine Krise erlauben kann. Und dass wir deshalb nicht darauf verzichten müssen, Brot zu kaufen und zu Hause die Mieter nicht mehr bezahlen können. Die Krise kann ich mir leisten, ohne dass es uns dann nicht gleich schlechter geht."
Gundermann, die Stasi und der Sozialismus
1995 wurde auch bekannt, dass er rund acht Jahre Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi war. "Ich sehe mich nicht als Opfer und auch nicht als Täter. Ich habe mich mit der DDR eingelassen - mit wem sonst? Ich habe ausgeteilt und eingesteckt und ich habe gelernt. Deswegen bin ich auf der Welt." So kommentierte Gundermann seine IM-Tätigkeit.
In der DDR war er zunächst SED-Mitglied und wurde dann aus dieser Partei wieder ausgeschlossen - er war und blieb unangepasst: "Wir haben nicht mehr gewusst, warum unsere Eltern in dieses Land aufgebrochen sind, sondern wir haben nur noch gesehen, was in diesem Land nicht funktioniert. Wir wussten nicht, wieso sie erst mal auf die Idee gekommen sind, dieses Land aufzumachen. Jetzt weiß ich das wieder. Und ich kann mir und uns allen immer weniger verzeihen, dass wir diese Chance vermasselt haben, die wir in diesem Land hatten. Ich denke, das Prinzip Sozialismus ist auf allen Ebenen und von allen Leuten, die daran beteiligt waren, verheizt worden. Darüber mache ich mir Gedanken, was mein Anteil war, dass ich dieses Prinzip verheizt habe."
Nachdenklich vor und nach der Wende
1986 trat Gundermann erstmals als Solist auf, 1988 erschien in der DDR seine erste Platte, es folgten noch vier in der Bundesrepublik. Das geeinte Deutschland sah der Künstler, Arbeiter und Familienvater durchaus zwiespältig: "Irgendwie war es immer klar und es ist alles als selbstverständlich angesehen worden, dass die Mauer weg muss. Die Mauer hatte eine Doppelfunktion: Sie hat verhindert, dass ich nach Italien fahre. Sie hat verhindert, dass die Mafia auf die Schulhöfe meiner Kinder kommt. Nun ist die Mauer weg und ich war noch nicht in Italien, aber die Mafia ist auf den Schulhöfen meiner Kinder. Da frage ich mich, ob ich das nicht falsch eingeschätzt habe, was ich brauche, was ich nicht brauche. Ob ich nicht eine ganze Reihe von Dingen, die ich eigentlich nicht brauche, bezahlt habe mit Dingen, die ich gebraucht hätte, die aber jetzt nicht mehr da sind."
1997 wurde der Tagebau geschlossen, Gundermann ließ sich zum Tischler umschulen und spielte weiter Musik. Ein Jahr später starb er mit 43 Jahren in seinem Wohnort Spreetal an einem Schlaganfall.
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