Gerappt und gerockt: Biermann-Gala im Thalia Theater
"Re:Imagined" heißt das Album, auf dem Weggefährten und junge Musiker*innen die Lieder von Wolf Biermann ganz neu vertont haben. Das wurde am Mittwochabend im Hamburger Thalia Theater mit einer ungewöhnlichen Release-Party gefeiert.
Es ist eine Album-Release-Party der ungewöhnlicheren Sorte. Die Bühne des Hamburger Thalia Theaters steht voll mit Instrumenten - Gitarren, Schlagzeug, ein Klavier. Immer wieder rauschen an diesem Abend auch Streicher rauf und runter von der Bühne. 15 Acts aus vielen verschiedenen Musikrichtungen erweisen Wolf Biermann, der am Freitag 88 Jahre alt wird, die Ehre. Darunter Musikerinnen und Musiker, die in ihrem Genre selbst Legendenstatus haben. Wie der Hip-Hopper Torch, der eine eigene Variante des Biermann-Liedes "Von den Menschen" präsentiert. "Ein Raubtier, das betet. Ein Gott, der beißt", rezitiert Torch Wolf Biermann mit dröhnender Stimme.
Neue Zugänge zu Biermanns Liedern
Musiker wie der Schweizer Bonaparte finden einen ziemlich eigenen Zugang zu den Liedern von Wolf Biermann. Biermann selbst steht ebenfalls auf der Bühne. Zwei Abende vor seinem 88. Geburtstag wirkt er sehr fit. Er passt gut in dieses bunte Potpourri verschiedener Acts.
"Wie sie schon dunkel ahnen, kannte ich keinen einzigen", sagt Biermann lachend. "Falsch, zwei kannte ich dann doch. Die Älteren. Diesen Torch und den BAP-Leadsänger aus Köln, diesen Niedecken. Aber die anderen kannte ich nicht mal vom Namen nach. Mein großer Anteil an diesem Projekt besteht darin, dass ich mich nicht eingemischt habe", erklärt Wolf Biermann.
"Glückskind": Biermann überlebte Katastrophen
Auf der Bühne wirkt er sehr nachdenklich: "Ich bin wirklich ein Glückskind. Ich überlebte die Nazidiktatur, obwohl ich ein kleines Juden- und Kommunistenkind war. Das ist doch Glück. Ich überlebte den Bombenangriff 1943 auf Hammerbrook, wo 40.000 Leute verbrannt oder erstickt sind. Ich überlebte dann in der DDR die stalinistische Dikatur. Mehr Glück kann man doch im Leben gar nicht haben."
Mit dem Begriff Vorbild kann Wolf Biermann nicht viel anfangen. "Och, daran habe ich noch nie gedacht. Jeder hat seine Vorbilder, ich auch. Ich wuchs auf als ein junger Brechtianer - Brecht, Brecht, Brecht. Wenn die irgendwas von mir in Gebrauch nehmen können, dann freut das mein Herz. Denn jeder möchte sich gern nützlich machen."
Beeindruckender Abend mit vielen kreativen Ansätzen
Die Ulmer Rockband Van Holzen interpretiert "Wann ist denn endlich Frieden". Zweieinhalb Stunden dauert dieser beeindruckende Abend. Es geht ziemlich nah, wie viele kreative Ansätze hier für die Texte und Lieder von Wolf Biermann gefunden werden. Wie er selber auch mit anderen Musikern spielt. Mit Freunden wie den Jazzmusikern Günter "Baby" Sommer und Ulrich Gumpert.
Biermann: Möchte neue Dummheiten machen
Das Album zum 88. Geburtstag soll explizit keine Lebensbilanz, kein Best-Of, keine Werkschau sein, sagt Biermann. "Ich möchte immer neue Dummheiten machen. Ich möchte gerne lebendig leben. Das heißt, ich möchte immer noch dazulernen." Wolf Biermann hat die deutsche Geschichte erlebt, hat sie in seiner Musik verarbeitet. Der Abend in Hamburg zeigt, dass es viele gibt, die diese Geschichte inspiriert hat.