DJ-Pult statt Altar: Technoparty in Rostocker Kirche
In Rostock gab es zum ersten Mal eine Technoparty in der St.-Petri-Kirche. Der Andrang war groß: 500 Besucher kamen in die Kirche, viele haben lange angestanden, einige mussten sogar wegen Überfüllung weggeschickt werden.
Zwischen den hohen, bunten Kirchenfenstern der Rostocker Petrikirche dröhnen elektronische Bassklänge. Auf dem steinernen großen Tisch, der bei Gottesdiensten als Altar genutzt wird, steht das DJ-Pult. Bunte Scheinwerfer und Leuchtröhren pulsieren, Stroboskop-Licht flattert. Am frühen Nachmittag tanzen die ersten junge Leute im Hauptschiff der Kirche.
Kirche als Ort für Modernes
Hinter der Aktion steckt unter anderem Jenny Somiesky von der Evangelischen Studierendengemeinde Rostock. Die Idee des ersten Kirchen-Raves in Rostock ist durch eine ähnliche Veranstaltung in Erfurt inspiriert, sagt die Studentin: "Wir wollen zeigen, dass die Kirche ein Ort ist, wo auch was Modernes passieren kann, wo auch junge Menschen angesprochen werden und dass Menschen die Kirche gestalten." Das DJ-Pult steht dort, wo bei Gottesdiensten der Altar ist: "Für uns Lutheraner kein Problem", sagt der Diakon der Rostocker Innenstadtgemeinde, Arne Böldt. Wenn die Platte nicht für einen Gottesdienst hergerichtet sei - mit einer Tischdecke, Kerzen oder Blumen - sei sie nicht heilig, sondern einfach nur ein Tisch.
Die Gemeinde hat das ungewöhnliche Projekt mit dem Motto "Hope 'N Rave" unterstützt, bestätigt auch Somiesky. "Als wir die Innenstadtgemeinde gefragt haben, kam eigentlich sofort das 'Go'! Zwischendurch gab es nochmal Bedenken, als das Plakat kam, auf dem Kirche so ein bisschen auseinander fällt. Da hatten sich wahrscheinlich ein paar Leute aus der Gemeinde Sorgen gemacht, aber wir machen das hier auch alles ordentlich und achten darauf, dass alles bewahrt wird, sauber bleibt und nichts kaputt geht."
Orte für Partys sind rar
Für die große Party waren monatelange Vorbereitungen nötig. Viel Licht- und Tontechnik musste in der Petrikirche aufgebaut werden. Außerdem brauchte es genug DJs, um den Tag mit elektronischer Musik zu füllen. Dafür war federführend das Kontrastkollektiv Rostock zuständig. Eine Gruppe, die regelmäßig Partys organisiert, in Clubs- und bei sogenannten Open Airs, erklärt William Mache vom Kontrastkollektiv: "Wenn wir Open-Airs machen, sind wir mehr so im Industriegebiet oder Gewerbegebiet unterwegs, wo wir niemanden stören." Leider werde auf diesen Flächen auch viel gebaut, klagt er. Dadurch gebe es immer weniger Orte für Partys. Nicht nur bei Open Airs werde die Lage schwieriger. Auch einige Clubs und Diskotheken seien bedroht, haben wirtschaftliche Probleme oder zum Beispiel zu viele Lärmbeschwerden von Anwohnenden, sagt Mache: "Da ist es extrem wertvoll, neue Räume zu gewinnen und die auch auszuschöpfen."
Großer Andrang bei "Hope 'N Rave"
Unter dem Motto "Hope 'N Rave"- kommen schließlich insgesamt 500 Besucherinnen und Besucher in die St. Petri Kirche, viele haben lange angestanden, einige müssen am Abend sogar wegen Überfüllung weggeschickt werden. Für den Rave in der Kirche gelten übrigens ähnliche Regeln wie für Techno-Partys in Clubs. Die Türsteherinnen und Türsteher kleben alle Handykameras ab. Denn Filmen oder Fotos machen ist auf der Tanzfläche verboten. Alle sollen unbeschwert feiern können - ohne Sorge haben zu müssen, auf einem Video in den Sozialen Netzwerken aufzutauchen. Paul Weber ist schon seit vielen Jahren in Rostock und Umgebung als DJ aktiv. So etwas wie die Party in der Kirche hat er aber noch nicht erlebt: "Die heiligste oder unheiligste Party in Rostock, ich weiß gar nciht, wie ich es sagen soll. Ich bin sehr positiv überrascht, wie viele junge Leute das hier aufbauen und einfach diesen Raum füllen."
Party mit Plattenbörse und Kleidertausch
Bei der Aktion geht es jedoch nicht ausschließlich um Musik. Auch eine Plattenbörse und ein Kleidertausch in den oberen Räumen der Kirche gehören dazu. Somiesky zeigt sich mit der Premieren-Veranstaltung zufrieden: "Ich denke, das ist sehr gut gelungen und wir würden das bestimmt auch wieder machen, aber es hängt alles von Kapazitäten ab, von den Leuten, die mitmachen." Den Segen der Innenstadtgemeinde hätten die Techno-Fans. Wie Diakon Böldt sagte, ist die Petrikirche ordentlich verlassen worden.