Die Labelgründerin Lina Burghausen sitzt im Rahmen einer alten Holztür und lächelt in die Kamera. © Label 365XX Foto: Vanessa Seifert
Die Labelgründerin Lina Burghausen sitzt im Rahmen einer alten Holztür und lächelt in die Kamera. © Label 365XX Foto: Vanessa Seifert
Die Labelgründerin Lina Burghausen sitzt im Rahmen einer alten Holztür und lächelt in die Kamera. © Label 365XX Foto: Vanessa Seifert
AUDIO: "365XX": Das erste komplett weibliche Hip-Hop-Label Europas (4 Min)

"365XX": Das erste komplett weibliche Hip-Hop-Label Europas

Stand: 27.08.2024 07:58 Uhr

Rapmusik - das klingt erstmal nach Macho, Gangster und vor allem nach Mann! Das muss sich ändern, so das Hamburger Label "365XX". Als erstes weibliches Hip-Hop-Label Europas unterstützt es ausschließlich Rapperinnen.

von Merle Weisser

Mimiis Rapmusik ist vor allem eins: Voll auf die 12! Klare Kante eben! Seit 2014 macht die Frankfurterin Rapmusik. Damals stand sie die ersten Male im Studio hinter dem Mikrofon. Doch nicht jeder Studiobesuch blieb der Rapperin positiv in Erinnerung. "Bei einem, bei dem ich ab und zu mal aufgenommen habe, habe ich gemerkt, dass der mich die ganze Zeit irgendwie anguckt und mir ein cringes unangenehmes Gefühl gegeben hat. Er hat auch solche Kommentare abgelassen, die auf meinen Körper bezogen waren", erzählt Mimii. Sie habe sich sehr unwohl gefühlt. "Ich habe irgendwie versucht, das zu ignorieren, weil ich einfach mein Ding machen wollte, aber ich hatte das die ganze Zeit im Hinterkopf. Mich hat das so gestört und ich konnte es nicht abschalten."

Mulmiges Gefühl im Studio

Die Rapperin Mimii schaut nach oben vor einer violett gestrichenen Betonwand. © Label 365XX Foto: Jana Bissdorf
Rapperin Mimii kauft sich Mikrofon und anderes Equipment selbst, um selbst Musik zu machen.

Ein mulmiges Gefühl und ein Moment, der sich bei Mimii einprägt. So sehr, dass sich die 35-Jährige entschließt, nur noch Musik zuhause in ihrer Wohnung zu machen. Sie kauft sich Mikrofon und anderes Equipment selbst. "Da steckt schon ein bisschen was dahinter", erklärt Mimii. "Man hat erst einmal die Beats, dann muss man in sich reinhören. Was will man eigentlich machen? Man braucht eine Struktur. Ich bin früher sehr unstrukturiert rangegangen. Ich bin auch jemand, die es liebt, etwas zusammen mit anderen zu erschaffen und wenn ich das für mich alleine mache, dann klappt es irgendwie auch, aber dann dauert es auch länger, weil ich teilweise nur halb motiviert bin."

Musiklabel "365XX" von Frauen für Frauen

Herausforderungen, die Mimii 2021 nicht mehr allein stemmen muss. Sie schließt sich dem Musiklabel "365XX" an, dem ersten "All-Female" Hip-Hop Label Europas. Von Frauen für Frauen. Mitten in der Hamburger Hafencity. Sexismus hat hier nichts verloren. Im Gegenteil, hier gilt das Motto: "Rap soll kein Boys-Club bleiben". Denn wer sich Charts, Magazincover und Streamingplattformen anschaut, könnte genau das glauben.

Musik machen ohne stereotype Erwartungen

Für Musikpromoterin und Gründerin des Labels Lina Burghausen ist das eine Sache der Perspektive: Rapperinnen gibt es genug, sie haben es nur oft schwerer, sagt sie. "Es ist natürlich ganz spannend zu beobachten, wie Musikerinnen innerhalb der Musikindustrie behandelt werden. Ich finde, da merkt man schon relativ große Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Acts oder auch genderqueeren Acts", erklärt Burghausen. Bei Musikerinnen werde erwartet, dass sie "dann besondere optische Standards erfüllen sollen, dass über bestimmte Themen mehr gerappt und gesungen werden soll, wie Liebe und Romantik und sowas. Mir war es einfach wichtig, ein Label und ein Umfeld zu schaffen, wo diese Erwartungen eben non-existent sind", betont Burghausen.

Weitere Informationen
Eine Frau mit Gitarre in rosa Nebel © NDR

Männer, macht Platz! Musikerinnen kämpfen für Gleichberechtigung

Frauen sind im Musikgeschäft unterrepräsentiert. Mit Netzwerken versuchen sie, die Dominanz der Männer zu brechen. mehr

Entstanden ist die Idee des Labels auf Linas Blog. 2018 startet sie hier ihr Format "365 Female* MCs", um zu zeigen: Ja, Frauen im HipHop gibt es! Und zwar eine Menge. Sie präsentiert und porträtiert Rapperinnen wie Nura, Haiyti und viele mehr. Und Burghausen geht zwei Jahre darauf noch einen Schritt weiter: Gründet gemeinsam mit dem Indie-Label [PIAS] das Label "365XX".

Zusammenarbeit auf Augenhöhe

"Ein Stück weit wünsche ich mir natürlich, dass ein Label wie wir überflüssig ist", erklärt die Labelgründerin. "Das ist eine komische Aussage, aber ich wünschte mir, dass wir Debatten um Sexismus und um Gender-Equality in 2024 nicht mehr führen müssten. Ich weiß, dass dieser Kampf nicht morgen vorbei sein wird, aber ich würde mir wünschen, dass sich Musikerinnen mit derselben Selbstverständlichkeit in der Musikindustrie und in der Hip-Hop-Szene bewegen können, wie es ihre männlichen Kollegen tun können." Sie werde weiter versuchen, einen Anteil daran zu haben und mitzuarbeiten. Darüber hinaus wolle sie einfach fantastische Musik veröffentlichen. Für Mimii ist das Label eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Ein Paradebeispiel, wie es im Musikbusiness laufen kann. Mimiis neues Album unter dem Label "365XX" erscheint in den nächsten Monaten.

Weitere Informationen
Sie sind muslimisch, weiblich und verdammt laut: Sie sind „Voice of Baceprot“! Heavy Metal vom Feinsten. Aus einem kleinen Dorf in Indonesien. Firda, Widi und Siti hatten es schon als Teenager satt, brave, unmündige und stimmlose Mädchen zu sein. © NDR
30 Min

Jung, laut, Frau – Mit Metal und Hijab nach Wacken

Sie sind muslimisch, weiblich und verdammt laut: Firda, Widi und Siti aus Indonesien spielen Heavy-Metal vom Feinsten. 30 Min

Doğa Çetin dirigiert © NDR Screenshot

Dirigentin werden - Frauen erobern eine Männerdomäne

Lange war Dirigieren ausschließlich ein Beruf für Männer. Doch das ändert sich langsam. Immer mehr junge Frauen greifen zum Taktstock. mehr

Antje Schomaker beim Hamburg Sounds Konzert © NDR Foto: Lisa Marie Lechner

Initiative Keychange: Ist die Zukunft der Musik weiblich?

Frauen haben es im Musikbusiness noch immer schwer. Wie steht es um die Rolle und die Präsenz von Frauen in der Musiklandschaft? mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Nachmittag | 27.08.2024 | 14:40 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Rock und Pop

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur sucht Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Porträt von Philipp Schmid © NDR Foto: Sinje Hasheider

Philipps Playlist

Philipp Schmid kennt für jede Lebenslage die richtige Musik. Egal ob Pop, Klassik oder Jazz. Träumt Euch zusammen mit ihm aus dem Alltag! mehr

Peter Urban © NDR Foto: Andreas Rehmann

Urban Pop - Musiktalk mit Peter Urban

Spannende Stories, legendäre Konzerte, bewegende Begegnungen: Peter Urban hat viel erlebt und noch mehr zu erzählen. mehr

Mehr Kultur

Zwei blonde Schauspielerinnen, eine in einem schwarzen Kleid und die andere in einem weißen, sitzen auf einer Bühne. © Axel Biewer

"Für mich soll's rote Rosen regnen" erzählt Lebensgeschichte der Knef

Das Stück an der Landesbühne Nord in Wilhelmshaven setzt auf zwei Darstellerinnen, die Hildegard Knef in unterschiedlichem Alter spielen. mehr