Neubrandenburgs "neue Königin" inthronisiert
Am Donnerstag hat die Konzertkirche Neubrandenburg mit gleich zwei ausverkauften Konzerten die Einweihung ihrer neuen Konzertorgel gefeiert. Am Abend gab es vor rund 800 Zuschauern stehende Ovationen für die Organistin Iveta Apkalna, die Neubrandenburger Philharmonie und den Spender der Orgel.
Noch eine Dreiviertelstunde vor Konzertbeginn sitzt Iveta Apkalna am brandneuen Spieltisch in der leeren Konzertkirche und spielt sich intensiv warm. Zu hören ist kein Ton: Der elektronische Spieltisch ist noch nicht auf die Orgel im Hintergrund geschaltet. Beim Zusatzkonzert am Vormittag hatte ein Zuschauer unbemerkt ein Register verstellt und für eine ungewollte Unterbrechung gesorgt. Die kleine Panne soll sich am Abend nicht wiederholen. Tut sie auch nicht. Die Anspannung entlädt sich in ein fulminantes Konzert, das mit minutenlangen, stehenden Ovationen einen würdigen Abschluss findet.
"Die Königin der Instrumente" ist zurück an ihrem Platz
Bereits zu Beginn gibt es stehende Ovationen - dieses Mal für Günther Weber. Der Neubrandenburger Unternehmer hatte mit einer großzügigen Spende die Anschaffung des über zwei Millionen Euro teuren Instruments möglich gemacht. Sowohl Oberbürgermeister Silvio Witt, Kultur-Staatssekretär Sebastian Schröder als auch Festspiel-Intendant Markus Fein danken Weber ausdrücklich und ausführlich. Die Orgel als die "Königin der Instrumente" habe nun ihren Thron wiedererlangt, so die Festredner unisono.
"Bravo"-Rufe und voller Körpereinsatz
Im anschließenden Konzert beweist die lettische Organistin Iveta Apkalna, dass der Dank im Voraus nicht verfehlt war: Mit einem beeindruckenden Parforceritt durch mehrere Jahrhunderte Orgelmusik reizt Apkalna die volle Bandbreite der Konzertorgel mit über 2.800 Pfeifen und 70 Registern bis zur Gänze aus.
Die Toccata aus Charles-Marie Widors "Orgelsinfonie Nr.5 für f-Moll" leitet den Abend schwungvoll ein. Das temporeiche Stück zeigt die Komplexität des Instruments, ist aber weniger bekannt und scheint die Zuschauer zunächst nicht unmittelbar mitzunehmen. Doch bereits nach dem zweiten Stück, Johann Sebastian Bachs Toccata und Fuge d-Moll - dem wohl berühmtesten Orgelstück der Welt -, schwillt der Applaus spürbar an. Apkalna interpretiert das Stück eher schelmisch als ernst und gleichzeitig mit dem vollen Pathos von Bachs Kompositionen. Und nach Thierry Escaichs Orgelsolo "Evocation II", das mit seinem treibenden Pedalspiel Apkalnas vollen Körpereinsatz fordert, gibt es laute "Bravo"-Rufe und vehementen Applaus, den die Künstlerin bescheiden an die Orgel selbst verweist.
Der "Grand Chœur dialogué" von Eugène Gigout schließt die erste Hälfte ab. Das ursprünglich als Orgelsolo komponierte Stück spielt Apkalna in der von Hans Zellner arrangierten Version als Zusammenspiel mit fünf Blechbläsern. Dabei hebt sie den kirchlichen Charakter von Instrument und Spielort hervor.
Minutenlanger Applaus für gelungene Einweihung
In zweiten Teil teilt die neue Königin Neubrandenburgs die Bühne mit der Neubrandenburger Philharmonie gleichsam als Hofstaat. Die spielen zunächst die Ouvertüre des Barbiers von Sevilla von Gioachino Rossini geleitet von Dirigentin Anu Tali. Tali, die als Dirigenten-Wunderkind gilt, verleiht Rossini eine weibliche Nuance und komplettiert den weiblich dominierten Abend - sehr zum Gefallen des Publikums. Alexandre Guilmants Sinfonie Nr. 1 d-Moll beschließt den offiziellen Teil des Konzertabends, kann aber den pointierten ersten Teil nicht überbieten. Der Begeisterung der Zuschauer tat das jedoch keinen Abbruch: Minutenlang spenden die 817 Zuschauer stehend Applaus und klatschen Apkalna zu zwei Zugaben heraus.
Ob nun Neubrandenburg in der Tat eine neue Regentin hat, sei dahingestellt. An diesem Abend wird zumindest deutlich, dass Neubrandenburgs Konzertkirche ihren Anspruch als großartiger Konzertort von mehr als nur nationalem Rang vehement unterstrichen hat.