Usedomer Musikfestival geht in die 30. Spielzeit
Am Sonnabend ist das Usedomer Musikfestival mit dem Eröffnungskonzert in Peenemünde gestartet. Das Festival lockt seit drei Jahrzehnten internationale Spitzenmusiker nach Vorpommern. Die Schwierigkeiten um das langjährige Nord-Stream-Sponsoring scheinen überwunden.
Musikalische Märchen und Mythen aus dem Baltikum: Das Usedomer Musikfestival startet am Sonnabend in die 30. Spielzeit. Das Eröffnungskonzert in Peenemünde soll mit Werken von Jean Sibelius, Igor Strawinski und Georgs Pelecis den Zauber der "Weißen Nächte" im Norden hörbar machen. Mit einem Fokus auf den Ostseeraum bleibt das Festival seiner Gründungsidee auch in diesem Jahr treu.
Kurt Masur übernahm 1994 die Schirmherrschaft
Die Idee zum Usedomer Musikfestival entstand 1994. Es sollte Musiker aus dem Baltikum zusammenführen, für Verständigung durch Kunst sorgen und die Insel im strukturschwachen Osten der Republik in der Nachsaison kulturell beleben. Dafür wurde ein Förderverein gegründet; Intendant Thomas Hummel konnte sogar den Dirigenten und damaligen Leipziger Gewandhauskapellmeister Kurt Masur als Schirmherren für die erste Saison gewinnen.
Brittens "War Requiem" sorgte für Aufmerksamkeit
Das erste Achtungszeichen wurde an einem historisch belasteten Ort gesetzt: 2002 dirigierte Mstislaw Rostropowitsch das "War Requiem" in der Turbinenhalle des Kraftwerks Peenemünde. Benjamin Brittens Werk, gewidmet den Opfern des Zweiten Weltkrieges, wurde dort gespielt, wo im Auftrag Hitlers die V2-Rakete entwickelt wurde. "Ich bin so berührt, diese Aufführung genau an diesem Platz, das ist eine sehr emotionale Sache", sagte Rostropowitsch damals in einem NDR-Interview.
2022: New Yorker Philharmoniker sorgen für Aufmerksamkeit
Für weltweite Aufmerksamkeit sorgten 2022 die New Yorker Philharmoniker. Als Solisten kamen Stargeigerin Anne-Sophie Mutter, Pianist Jan Lisiecki und Bariton Thomas Hampson dazu. Das Land Mecklenburg-Vorpommern förderte das Gastspiel des Weltklasse-Orchesters mit einer Million Euro. Landtagspräsidentin Birgit Hesse (SPD) war im Vorfeld mit einer Verhandlungsdelegation nach New York gereist. "So konnten wir tatsächlich zeigen: Wir stehen dahinter. Insofern bin ich glücklich, dass es geklappt hat", zeigte sich Hesse letztes Jahr zufrieden.
Orchester vereint Musiker aus dem Baltikum
2008 wurde ein eigenes Festivalorchester gegründet: Damals noch als multinationales Jugendorchester "Baltic Youth Philharmonic". Im ersten Jahr gab das Nachwuchsorchester zwei Gründungskonzerte: eines in Riga, ein weiteres im Rahmen des Usedomer Musikfestivals. Altkanzler Gerhard Schröder kam zur Gründung, vertrat den Mitinitiator des Ensembles, die Nord Stream AG, die als Sponsor auftrat. 2015 erhielt das kurz darauf in "Baltic Sea Philharmonic" umbenannte Orchester für seine Botschafterfunktion den Europäischen Kulturpreis. Zwei Jahre später wurde die Nord Stream 2 AG Hauptsponsor.
Kritik an Kooperation mit der Nord-Stream-Gesellschaft
Kurz nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine, im vergangenen Februar, distanzierten sich Festival und Orchester von Nord Stream und kündigten die Zusammenarbeit auf. "Dies sind schwarze Zeiten für Europa", teilte das Orchester um seinen künstlerischen Leiter Kristjan Järvi damals auf Facebook mit. Nun sei es wichtiger denn je, sich gegenseitig zu unterstützen und einander zuzuhören, Solidarität und Einigkeit zu zeigen, so der Gründungsdirigent damals.
Das Festival selbst stehe aber in "keiner vertraglichen oder werblichen Verbindung zur Nord Stream 2 AG", hieß es von einem Festivalsprecher. Kritischen Stimmen, Nord Stream habe mit Kulturförderung sein Image aufpolieren wollen, trat Intendant Thomas Hummel entgegen: "Wir wurden nie irgendwo eingespannt, irgendetwas zu tun, was nicht in unserem Interesse war, denn wir haben uns immer für Frieden und Versöhnung eingesetzt."
Ukrainische Künstler kommen nach Swinemünde
Die Schwierigkeiten vom Vorjahr scheinen inzwischen überwunden. Mit 26 Konzerten wird das 30. Usedomer Musikfestival bis zum 7. Oktober renommierte Künstlerinnen und Künstler nach Vorpommern holen. Am 23. September gibt es eine Hommage an Rachmaninow in der Petri-Kirche Wolgast. Corinna Harfouch liest, begleitet von Hideyo Harada am Klavier. Das Festival macht traditionell nicht an der Staatsgrenze zu Polen halt, sondern bezieht auch den polnischen Teil Usedoms ein. Am 27. September ist das Kharkiv-Musicfest aus der Ukraine im Dom Swinemünde zu Gast.