Ein Mann steht vor einem Dirigentenpult und dirigiert. Seine Arme sind angewinkelt und er trägt seine Haare zu einem Dutt. © IMAGO / Rudolf Gigler Foto: Rudolf Gigler
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AUDIO: Thomas Posth und das "Orchester im Treppenhaus" in Hannover (55 Min)

Thomas Posth und das "Orchester im Treppenhaus" berühren alle Sinne

Stand: 05.02.2024 00:01 Uhr

Das "Orchester im Treppenhaus" ist nicht nur ein besonderes Orchester mit Akkordeon und E-Gitarre, es organisiert auch sogenannte Darkroom-Konzerte, bei dem das Publikum nichts sieht, erzählt der künstlerische Leiter Thomas Posth bei NDR Kultur à la carte.

Es ist ein Orchester, das die Gepflogenheiten des Klassik-Betriebs hinterfragt, das neue Konzertformate entwickelt und Musik abseits ausgetretener Pfade machen will: das Orchester im Treppenhaus aus Hannover. 2006 hat es sich gegründet, der künstlerische Leiter und Geschäftsführer Thomas Posth ist Dirigent, Cellist und, so nennt er sich selbst, Konzertdesigner, außerdem akademischer Musikdirektor der Universität Hamburg. Über Projekte, Ideen, Konzertformate spricht Thomas Posth. Einen Auszug davon lesen Sie hier, das ganze Gespräch können Sie bei NDR Kultur à la carte hören.

Was ist das für eine Besetzung bei dem "Orchester im Treppenhaus"? Welche Instrumente gehören überhaupt dazu?

Thomas Posth: Wir haben mit dem ganzen Orchester eine relativ ungewöhnliche Besetzung. Wenn man so ein freies Ensemble gründet, gibt es erst mal ein Streicherensemble und dann holen wir uns manchmal noch Bläser und Bläserinnen dazu. Bei uns ist das alles ganz anders gewachsen. Deswegen haben wir in unserem Orchester zum Beispiel auch ein Akkordeon, einen Pianisten und einen Bassklarinettisten. Wir haben sogar eine Tuba. Das ist natürlich eine Herausforderung, Stücke für dieses Instrument zu finden. Deswegen gehen wir auch manchmal an Kompositionen und bearbeiten sie. Wir haben auch eine E-Gitarre dabei, um die Möglichkeiten zu nutzen, die dieses Instrument in so einem kleinen klassischen Ensemble hinzufügen kann. Ansonsten ist es relativ klassisch mit Streichquintett, Flöte, Bassklarinette, Akkordeon und E-Gitarre.

An dieser Besetzung mit E-Gitarre und Akkordeon merkt man, ihr wollt neue Räume ausloten. Mit der "Winterreise" habt ihr euch ein Werk vorgeknöpft, was wirklich sehr bekannt ist. Was war euch wichtig, als ihr das Arrangement gemacht habt?

Posth: Ich glaube, es ist für uns sehr wichtig, dass wir grundsätzlich immer Mut haben, bei allem, was wir machen. Es ist natürlich toll, dass wir gerade in Hannover immer das Gefühl hatten, dass das Publikum offen ist und sich nicht dagegenstellt. Wir hatten gute Bedingungen, um relativ angstfrei Dinge auszuprobieren. Einfach mal zu sagen, wir wollen jetzt diese 'Winterreise' auf eine andere Art spielen. Für mich ist die 'Winterreise' ein lebenslanges Thema. Ich bin ihr sehr früh begegnet und habe mich sehr früh in die 'Winterreise' verliebt. In München habe ich mal ein Projekt gemacht, da hat sich durch einen Zusammenhang ergeben, dass wir eins unserer Dunkel-Live-Hörspiele geplant haben. Es war wunderbar, die 'Winterreise' mit in dieses Projekt einzubeziehen, weil es zu dem Thema sehr gut gepasst hat. Das war jetzt eine neue Gelegenheit sich mal wieder mit diesem Stück zu beschäftigen. Mir war sehr wichtig, dass wir das Stück nicht verfremden, so dass man nichts mehr erkennt, sondern, dass wir rausfinden, was in dieser wunderbaren Musik noch alles drinsteckt, was man mit diesen Klangfarben mit kleinen Veränderungen noch schärfen könnte. Wie könnten wir die 'Winterreise' noch stärker oder berührender machen? Diese Musik bietet so viele Möglichkeiten, so viele Ansatzpunkte, dass es eine wirklich sehr glücksbringende Arbeit war, sich damit zu beschäftigen.

Eure Bearbeitung ist sehr farbig und macht Spaß zu hören. Das Format "Darkroom" war aber nicht nur für die 'Winterreise' gedacht, sondern ihr habt das auch schon im November 2023 in der Elbphilharmonie vorgestellt. Das sind Dunkel-Konzerte, was steckt dahinter?

Posth: Das Format 'Darkroom' beginnt schon vor dem Konzert, denn da teilen wir dem Publikum Schlafbrillen aus. Für mich ist das ganz wunderbar. Wir bringen das Publikum selbst in den Saal, die Menschen sind blind und wir bringen sie alle auf ihren Platz. Das ist sehr aufwendig und sehr ungewöhnlich für Orchestermusikerinnen und -musiker. Aber das ist auch ein wunderbarer Vorgang, dass sich uns das Publikum so anvertraut, und zwar schon bevor das Konzert losgegangen ist. Sie vertrauen uns sozusagen blind. Dadurch erzeugen wir die Situation, dass das Publikum in einen Raum kommt, den sie nicht kennen. Sie wissen nicht, wo das Orchester sitzt. Im Idealfall kennen sie noch nicht mal den Raum. Diese Leere, die im Kopf entsteht, füllen wir über die nächsten anderthalb Stunden mit einem Live-Hörspiel. Das heißt, wir spielen sehr viel Musik und drumherum erzählen zwei Synchronsprecherinnen oder Synchronsprecher eine Geschichte. Mit ihren Stimmen entsteht ein Hörspiel, das unsere Musik umrahmt. Wir machen alle Sounds, die in diesen Situationen passieren, mit dem Orchester. Es gibt also auch ungewöhnliche Vorgänge in unseren Orchesterproben. Wir brauchen zum Beispiel eine Schneewüste, also suchen wir nach den Klängen einer Schneewüste.

Also entsteht etwas in dem Moment, wo es passiert?

Posth: Wir improvisieren ganz viel mit dem Orchester und das ist ein Moment, wo es auch ganz konkret wird, wo wir genau wissen, in welche Richtung wollen wir improvisieren? Das Wunderbare ist, dass das Publikum anderthalb Stunden lang dasitzt, sich das alles vorstellt und mit den geschlossenen Augen fühlt. Für uns sind die Konzerte immer ein richtig tolles Erlebnis.

Das Gespräch führte Friederike Westerhaus.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NDR Kultur à la carte | 05.02.2024 | 13:00 Uhr

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