Nils Mönkemeyer über Depressionen bei Musikerinnen und Musikern
Profi-Musikerinnen und -Musiker liefern Abend für Abend Spitzenleistungen ab - und das scheinbar mühelos, mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Dabei kann es hinter der Fassade ganz anders aussehen. Bratschist Nils Mönkemeyer spricht über Depressionen bei Musiker*innen.
Laut einer aktuellen Studie besteht bei Musikerinnen und Musikern offenbar allein genetisch ein erhöhtes Depressionsrisiko. Dazu kommen natürlich äußere Umstände, die sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken können.
Hoher Druck erfordert mentale Stärke
"Generell, denke ich, ist es ähnlich wie beim Leistungssport", erklärt Nils Mönkemeyer. "Als Musiker*in ist man sehr darauf fokussiert, eine Spitzenleistung zu erzeugen - und das Ganze vor vielen Ohren und Auge. Das erzeugt selbstverständlich einen hohen Druck und eine hohe Belastung. Man muss mental sehr stark sein, damit man diese Leistung im richtigen Moment bringt"
Dass das aber nicht immer zu 100 Prozent funktionieren kann, darüber wird laut Nils Mönkemeyer viel zu wenig offen gesprochen: "Meiner Meinung nach gibt es immer noch ein großes Stigma in dem Moment, wo man sich vielleicht nicht so stark fühlt, weil wir darauf geeicht sind, eine Illusion von Perfektion zu erzeugen, von Mühelosigkeit und von Leichtigkeit. Wenn ich auf dem Seil balanciere, dann soll das so aussehen, als wäre es der normale Fußboden, obwohl es eigentlich ein hoch gespanntes Seil ist. Das ist tatsächlich ein Punkt, der selbst unter uns Kolleg*innen gar nicht wirklich thematisiert wird, außer man kennt sich sehr gut. Man sagt: Für mich ist das alles kein Problem, ich habe das locker im Griff."
Viele verschiedene körperliche Auswirkungen
Nils Mönkemeyer spricht davon, dass Musikerinnen und Musiker durch diese Umstände "zerbrechen" könnten. Denn auch in der Praxis könne dieser Druck oft große Auswirkungen für sie haben: "Es gibt Menschen, die sich vor dem Konzert übergeben müssen. Dann gibt es bei uns Streichern oder Sängern das Zittern des Bogens oder der Stimme oder man vergisst den Text. Es gibt so viele Facetten davon: körperliche Probleme, die durch diese innere Anspannung entstehen, dass man zum Beispiel schlechter atmet, dass das Herz zu schnell schlägt. Manche Leute nehmen Tabletten."
Immerhin: Inzwischen werden angehende Profi-Musikerinnen und -Musiker auf diesen Druck vorbereitet, sagt der Bratschist, der selbst Professor an der Musikhochschule in München ist. Konkret gehe es darum, "dass die Studierenden gecoacht werden, dass die eine Anleitung bekommen: Wie gehe ich mit einer Stresssituation um, wenn ich wirklich unter Druck stehe? Welche mentalen Mittel bekomme ich zur Verfügung gestellt, um damit besser umzugehen?", sagt Mönkemeyer. "Das gab es zum Beispiel zu meinen Studienzeiten quasi überhaupt nicht, sondern ich war da einfach auf mich selbst gestellt, so nach dem Motto: Friss oder stirb - wenn man es nicht packt, dann ist man dafür nicht geeignet."
An die eigenen Grenzen gehen
Das gehöre der Vergangenheit an. Doch trotzdem - eine gewisse Nervosität gehöre beim Auftritt dazu und ist sogar wichtig: "Das ist ein hochsensibler Bereich, wo diese Sensibilität ein Stück einer guten Aufführung ist und die mitbringt, dass man manchmal an die Grenzen dessen geht, was die Nerven mitmachen", erklärt der Bratschist. "Diese Gratwanderung erzeugt wirkliche Kunst - und in diesem Moment braucht man dann eine mentale Stärke. Das kann man natürlich trainieren und sich mental darauf einstellen. Wenn man die Scham da rausnimmt und versteht, dass, wenn ich etwas Besonderes sagen will, ich das natürlich auch mit etwas Nervosität tun muss, weil sonst der Moment nicht besonders ist. Ich glaube, dass das ein bisschen der Schlüssel ist, um mentale Blockaden zu überwinden. Das gilt gar nicht nur für Musiker und Musikerinnen, sondern für alle.