Mirga Gražinytė-Tyla: Blitzkarriere am Dirigentinnenpult
Die litauische Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla gehört zu den aufstrebenden Sternen der Klassikszene. Schon mit 29 wurde sie Chefdirigentin des Birmingham Symphony Orchestra.
Sie wirkt bescheiden, die junge, sympathische Dirigentin, die 2016 als erste Frau Chefdirigentin des City of Birmingham Symphony Orchestra wurde. "Ich hatte niemals die konkrete Idee, dass ich Dirigentin werden sollte. Das hat sich irgendwie ergeben als Lösung, wie man Musikerin werden könnte. Und bis jetzt mache ich das", sagt sie. In Birmingham trat sie die Nachfolge von Andris Nelson an - auch Sir Simon Rattle hat das Orchester schon geleitet. Zwei Jahre vorher hatte die Litauerin bereits als Assistentin von Gustavo Dudamel mit dem Los Angeles Philharmonic Orchestra gearbeitet.
"Tyla" bedeutet Ruhe
Mirga Gražinytė-Tyla weiß, was sie will, freundlich, aber bestimmt. Beim Proben mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester, bei dem sie wenige Monate nach der Geburt ihres ersten Kindes debütiert, arbeitet sie diszipliniert, gibt sehr genaue Anweisungen. "Es geht mit vielen Dingen so, dass weniger im Endeffekt mehr ist", sagt Gražinytė-Tyla. "Das betrifft sowohl die Dirigiertechnik als auch ganz viele andere Ebenen."
Wie um sich selbst daran zu erinnern, hat die junge Musikerin ihren Namen 2012 in einen Doppelnamen umgeändert: Mirga Gražinytė-Tyla. Tyla bedeutet auf Litauisch so viel wie Ruhe oder Stille. "Vom Charakter her tendiere ich eher dazu, sehr aktiv bis zu aktiv zu sein", sagt sie. "Das ist dann immer wieder die schöne Herausforderung, es genau zu dosieren."
Aufgewachsen in musikalischer Familie
Sie selbst ist von Musik umgeben aufgewachsen: ihr Vater Chordirigent, die Mutter Pianistin. Doch Mirga lernte zunächst kein Instrument, das folgte erst später, sondern sang einer großen baltischen Tradition folgend im Chor. So entdeckte sie ihre Liebe zur Musik und letztlich fürs Dirigieren. "Es ist ein Teil Magie", schildert Mirga Gražinytė-Tyla. Den Großteil machen die Musiker selbst. Ihre Aufgabe sei es: "Diesen kleinen Teil zu finden, den sie noch brauchen, um als Gesamtes das Allerbeste zu geben, das ist im Endeffekt die große Kunst."
Mirga Gražinytė-Tyla: "Menschlich auf Augenhöhe"
Die Dirigentinnen-Kunst lernte Mirga Gražinytė-Tyla zuerst in Litauen, dann studierte sie in Graz, Leipzig, Zürich und Bologna, besuchte Meisterkurse bei Peter Gülke, Herbert Blomstedt und David Zinman. Ihre ersten Dirigierstationen waren Theater in Osnabrück, Heidelberg und Bern, wo sie unter anderem als Kapellmeisterin arbeitete. Das Credo der jungen Dirigentin für ihre Arbeit mit den Orchestern: "Menschlich auf Augenhöhe - das würde ich mir sehr wünschen", sagt Mirga Gražinytė-Tyla. "Jeder hat seinen Teil gut zu machen, und im Idealfall steht man im Dialog, wo dann beide Seiten wahrscheinlich am meisten gewinnen können."