"Mindestens so gut wie Verdi": Wainwrights "Dream Requiem"
Der Grenzgänger Rufus Wainwright hat sein erstes Oratorium komponiert. Die Uraufführung vom Juni 2024 in Paris war ein fulminantes Ereignis - nun ist der Mittschnitt erschienen.
Rufus Wainwright ist bekannt als Singer-Songwriter mit bislang elf Album-Veröffentlichungen. Aber der Sohn der amerikanisch-kanadischen Folklegenden Loudon Wainwright III und Kate McGarrigle wagt sich auch immer wieder in die Welt der Klassik - bislang mit zwei Opern und vertonten Shakespeare-Sonetten. Jetzt kommt ein erstes Oratorium hinzu: "Dream Requiem", inspiriert von Giuseppe Verdis "Messa da Requiem" von 1874.
"Mein Requiem sollte mindestens so gut ausfallen wie das von Verdi - wenn nicht sogar noch besser. Das war die Herausforderung, anstatt mich an Komponisten zu orientieren, die ziemlich lahme Requien geschrieben haben - wie Dvorak. Mein Ziel war, dass es auf einem Level mit der besseren Gesellschaft sein sollte", beschreibt der Komponist sein Ziel.
Bescheidenheit war noch nie die Stärke von Rufus Wainwright - das gibt der Mann mit Wohnsitz Los Angeles offen zu. Und das setzt sich beim "Dream Requiem" fort: Eine Verneigung vor Verdi, Mozart, Cherubini und Berlioz - die sich alle daran verdingt haben. Gleichzeitig ist es ist der Versuch, etwas Neues aus der liturgischen Totenmesse zu machen.
Covid, Trump und private Tragödien: Requiem mit Endzeitstimmung
Für Wainwright folgt ein Oratorium keinen festen Richtlinien - außer den lateinischen Original-Text zu verwenden. Den durchsetzt er im "Dream Requiem" mit Auszügen aus Byrons Gedicht "Finsternis" - vorgetragen von US-Schauspielerin Meryl Streep. So entsteht eine noch intensivere Endzeitstimmung - hervorgerufen durch Covid, Trump und diverse Kriege, aber auch private Tragödien. "Mein Mann Jörn und ich hatten einen Welpen namens Puccini, der von einem großen Hund getötet wurde - was uns traumatisiert hat. Das fließt hier ebenfalls ein: Der Verlust eines geliebten Tieres", berichtet Wainwright.
Minimalistisch, experimentell, bombastisch
Ein Requiem für einen Hund - typisch Rufus Wainwright. Und doch ist sein Werk keine Parodie, sondern ernst gemeint und ambitioniert. Prominent besetzt mit Sopranistin Anna Prohaska sowie dem Philharmonie-Orchester und zwei Chören von Radio France tobt sich der Grenzgänger Wainwright so richtig aus: Mal leise, minimalistisch und durchaus experimentell, mal so episch, bombastisch und laut, wie es nur geht. Oder auch mal ganz ohne Text:
"Was fehlt, ist nur das 'Offertorium'. Das habe ich instrumental gehalten, weil ich kein getaufter Katholik bin. Ich bin zwar auf eine katholische Schule gegangen, aber zur Kommunion oder Beichte wurde ich nicht zugelassen. Eine verrückte Situation. Als es dann darum ging, das Abendmahl zu komponieren, habe ich auf die Worte verzichtet - als Erinnerung daran, dass ich nie getauft wurde."
Wainwright: "Werde endgültig in der Klassik akzeptiert"
Schelmische, kleine Nadelstiche - das passt zum etwas anderen Requiem, mit dem Wainwright versucht, seinen geliebten Verdi in puncto Lautstärke und Drama noch zu überbieten. Dazu fährt er Kesselpauke, Becken, Streicher, Chor und Sopran gleichzeitig auf und riskiert Überladenheit wie Verzerrung. Nicht weiter tragisch bei einem Album, das live bei der Pariser Premiere mitgeschnitten wurde - inklusive hustendem Publikum und stehenden Ovationen.
"Ich denke, dieses Stück sorgt dafür, dass ich endgültig in der Klassik akzeptiert werde. Anfangs galt ich da eher als Eindringling, aber ich habe durchgehalten. Dieses Requiem ist der Beweis, dass es sich gelohnt hat. Es wird demnächst von vielen bekannten Orchestern aufgeführt. Von daher ist es mein Durchbruch in diesem Genre - nach 20 Jahren."
Im August wird "Dream Requiem" von Rufus Wainwright in der Hamburger Elbphilharmonie aufgeführt.
Dream Requiem
- Label:
- Warner Classics
- Veröffentlichungsdatum:
- 17.01.2025