Klaviermusik zu vier Händen mit den Schwestern Dörken
Die beiden Schwestern Danae und Kiveli Dörken sind nicht nur familiär verbunden, sondern sie machen auch gemeinsam Musik, haben ein Festival auf der Insel Lesbos gegründet und wohnen sogar im selben Haus. Dennoch sind sie verschieden.
Sie stammen aus einer deutsch-griechischen Familie, sind in Düsseldorf ausgewachsen und haben früh das Klavierspielen gelernt. Studiert haben die Schwestern Danae und Kiveli Dörken bei dem legendären Karl-Heinz Kämmerling an der Musikhochschule Hannover. Die vier Jahre jüngere Kiveli wechselte nach Kämmerlings Tod in die Klasse von Lars Vogt. Vor acht Jahren gründeten sie das Molyvos International Musik Festival auf der Insel Lesbos. Es findet jeden Sommer statt und ist ganz der Kammermusik gewidmet. Pünktlich zum Erscheinen ihres Debütalbums als Klavierduo präsentieren Danae und Kiveli Teile ihres Programms "Apollo & Dionysus" bei NDR Kultur EXTRA. Beide Götter lernten sie in ihrer Kindheit durch die Geschichten ihrer griechischen Großmutter kennen, wenn sie diese im Sommer auf Lesbos besuchten.
Wir wollen über eure Beschäftigung mit Apollon und Dionysos sprechen, so heißt auch euer neues Album. Es geht einerseits um Form und Ordnung und andererseits um das Rauschhafte, das in der Kunstästhetik eine ganz entscheidende Rolle gespielt hat. Wer ist denn wer von euch? Wer ist mehr apollinisch und wer mehr dionysisch?
Kiveli Dörken: Ich glaube, dass wir ziemlich stark in das archetypische Ältere-und-jüngere-Schwester-System reinfallen. Ich würde sagen, ich, die jüngere Schwester, würde mich vielleicht von Natur aus mehr zu der dionysischen Energie hingezogen fühlen, Danae mehr zur apollinischen Energie. Wenn wir zusammen sind, ergänzen wir uns umso besser. Wenn wir zusammen sind, haben wir das Gleichgewicht dieser beiden Energien. Das macht unsere Zusammenarbeit nochmal viel, viel schöner.
Eure Großmutter auf der Insel Lesbos hat euch inspiriert, die griechische Mythologie näher kennenzulernen und darin einzusteigen. Was hat sie euch mitgegeben?
Kiveli Dörken: Wir sind, obwohl wir halb deutsch, halb griechisch sind, sehr griechisch aufgewachsen. Die Gute-Nacht-Geschichten, die man griechischen Kleinkindern vorliest, sind immer Geschichten aus der Mythologie: Die Heldensagen aus der griechischen Mythologie, die Genesis-Geschichte aus der Mythologie und es werden die verschiedenen olympischen Götter vorgestellt. Wir hatten ein paar große Bücher, ein Buch war die "Zwölf Götter des Olymp", ein Buch war die "Odyssee", eines waren gewählte Mythen aus der griechischen Mythologie. Wir haben sie immer vorgelesen bekommen und diese Geschichten gehören einfach zum Aufwachsen mit dazu und haben uns sicherlich ab jüngstem Kindesalter begleitet.
Das sind zum Teil aber grausige Geschichten für Kinder.
Danae Dörken: Klar. Es gibt natürlich brutale und tragische Elemente, aber als Kind nimmt man das irgendwie so hin. Das Interessante ist, dass das sehr archetypische Geschichten sind. Ich ertappe mich oft dabei, wie ich manchmal an einige dieser Geschichten aus der Mythologie zurückdenke und mir durchaus auch Sachen fürs Leben ableiten kann. Das sind schon Sachen, mit denen man sich sehr früh identifizieren kann. Ich glaube, deswegen haben sie auch einen Wert in unserer heutigen Kultur. In anderen Kulturen ist diese griechische Mythologie ein Fundament, das bleibt. Daher sind wir sehr dankbar, dass wir sie schon als Kinder kennenlernen durften.
Sind denn bei euch die Rollen klar verteilt? Wer spielt an der Tastatur oben und wer unten? Danae, du spielst heute oben.
Danae Dörken: Musikalisch sind die Rollen recht klar verteilt. Ich spiele meistens oben und Kiveli meistens unten. Das hat auch musikalische Gründe, weil das sehr andere Sachen sind, auf die man achten muss. Diejenige, die unten spielt, macht zum Beispiel immer das Pedal und ist für die Wärme des Klangs zuständig. Diejenige, die oben gespielt, hat oft diese Kantilenen im Diskant. In unserem Leben sind die Rollen nicht klar verteilt, da ist es ein Geben und Nehmen zwischen uns. Da ist es jetzt nicht so, dass eine eine Position einnimmt und die Andere die andere.
Ihr wohnt im gleichen Haus.
Danae Dörken: Genau. Wir sind uns auch im Leben sehr nah. Und wir haben auch wirklich ein sehr enges Verhältnis. Das hilft natürlich auch fürs Spielen. Aber das ist natürlich auch für uns einfach wunderschön, dass man eine Schwester hat, mit der man alles teilen kann, da wir auch im Leben dasselbe machen, wir sind beide Pianistinnen. Das ist natürlich ein großes Geschenk.
Apollo und Dionysos, diese beiden Antipoden, die kommen auch ohne einander nicht aus. Ihr selbst habt mal das Orakel von Delphi besucht und eine besondere Lebensweisheit mitgenommen.
Kiveli Dörken: Bei einer Führung durch das Orakel von Delphi wurde uns zum ersten Mal diese Idee nahegelegt, dass das Orakel von Delphi zwei Götter hat, die es bewachen. Zum einen ist das Apollo, der berühmtere der beiden, er war für das Orakel von Delphi zuständig. Aber Dionysos war auch ein Gott, der immer wieder zum Orakel von Delphi reiste, um dort seine Ratschläge zu geben. Was ganz klar in dieser griechischen Philosophie verankert und immer wieder zu finden ist, ist diese Idee, dass es beide Energien gibt. Bei den meisten Menschen ist eine dieser Energien von Natur aus vielleicht ausgeprägter. Aber beim Erwachsenwerden, beim Entscheidungen treffen und bei der Integration geht es immer darum, beide Energien in sich zu tragen, in sich zu finden und aus beiden Ratschläge schöpfen zu können. Das ist etwas, das gilt natürlich sowohl für uns beide als Klavierduo, das relativ mühelos stattfindet. Aber es gilt auch für uns als Individuum, für jeden als Individuum. Man muss beide Seiten in sich pflegen, um wirklich weise Entscheidungen treffen zu können.
Danae Dörken: Und es ist wichtig, dass man auch offen für die andere Seite ist, zu der man sich von Natur aus nicht hingezogen fühlt.
Das Gespräch führte Philipp Cavert.