Divers, klassisch, gut: Das Chineke! Orchestra kommt nach Hamburg
Das Chineke! Orchestra aus Großbritannien ist das erste professionelle Orchester Europas, das aus überwiegend Schwarzen und ethnisch diversen Musiker*innen besteht. Am 11. November spielt es in der Hamburger Elbphilharmonie.
"Ich spiele seit 35 Jahren in Orchestern und war immer allein unter Weißen. Das war mir bewusst, aber ich hatte nie den Raum, darüber zu sprechen", sagt Chi-chi Nwanoku, Gründerin des Chineke! Orchestras, und Rosie Bergonzi ergänzt: "An der Hochschule behaupten sie, dich auf das Berufsleben vorzubereiten. Da ging es dann darum, wie ich mein Haar tragen sollte. Das fand ich unglaublich anmaßend." "Musikhochschulen haben jahrhundertelang Fehler gemacht und versuchen jetzt, die zu korrigieren", fügt Elena Urioste hinzu.
Chineke! Orchestra: Ein Orchester für People of Colour
Vor neun Jahren hat Chi-chi Nwanoku in London das Orchester für People of Colour gegründet. "Es sollte heute keine Sensation mehr sein, dass mehr als eine Schwarze Person auf der Bühne steht und Beethoven spielt", sagt sie - oder eine afroamerikanische Komponistin oder Vivaldi. "Als wir uns zum ersten Mal trafen, wurde mir klar: Das ist das erste Mal, dass das einzige, worüber wir nachdenken müssen, die Musik ist. Wir kannten alle dieses Gefühl der Ausgrenzung, das Gefühl, nicht in ein Orchester reinzupassen, oder zu versuchen, reinzupassen. Das war weg. Jeder gehörte dazu", erklärt Nwanoku.
"In einer perfekten Welt müsste es das Chineke! nicht geben, weil die Klassikbranche unsere Gesellschaft so abbilden würde, wie sie ist: unglaublich vielfältig", findet Urioste und Bergonzi stimmt ihr zu: "Ich arbeite auch beim Förderprogramm von Chineke!. Wir geben Kindern, die noch nie gespielt haben, ein Instrument in die Hand und arbeiten mit denen, die schon spielen, im Chineke! Junior-Orchestra weiter. Die, die keine Musiker werden, werden dann unser neues Publikum."
Frauen und People of Colour ermutigen
Das "Handpan Concerto" der Komponistin Cassie Kinoshi ist eine Auftragskomposition fürs Chineke! Orchestra: den Kanon erweitern, vergessene Komponisten wieder entdecken. "Ich erinnere mich, wie ich zum ersten Mal von dem Komponisten Joseph Bologne hörte. Ich konnte es nicht glauben. Der Mann war mir völlig unbekannt", sagt Nwanoku. "Er wird an Musikhochschulen nicht unterrichtet. Er schrieb vielleicht 14 Violinkonzerte. Er war zehn Jahre älter als Mozart. Seine Konzerte sind virtuoser, gehen eine Oktave höher - es sind unglaubliche Stücke."
Bei ihrem letzten Konzert in der Elbphilharmonie spielten sie eine Neufassung der "Vier Jahreszeiten": ein umjubeltes Konzert, ein weiterer Schritt auf ihrem Weg. "Wie ermutigen wir Frauen und People of Colour, Menschen jenseits der Norm derer, die in der Musikgeschichte triumphiert haben? Wie schaffen wir es, dass sie so viel Selbstbewusstsein bei einem Vorspiel haben, dass sie die Position bekommen und dort Erfolg haben?", fragt sich Urioste.