Beethovens Neunte: Ein Schlüsselwerk in der Musikgeschichte
Heute vor 200 Jahren ist Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie in Wien uraufgeführt worden. Von da an startete das Werk seinen Siegeszug durch die Jahrhunderte. Was macht Beethovens Neunte so besonders?
"Brüder, fliegt von euren Sitzen, wenn der volle Römer kraißt": Als Friedrich Schiller 1785 seine "Ode an die Freude" geschrieben hat, war er 25 Jahre alt und hatte dieses Gedicht eigentlich als Trinklied gedacht. Später hat er seine "Ode" mehrfach überarbeitet, wobei erst die Vertonung von Beethoven im Finalsatz seiner 9. Sinfonie sie weltberühmt gemacht hat.
Ludwig van Beethoven geht völlig neue Wege
"Lasst uns die Worte des unsterblichen Schillers singen!" Ludwig van Beethoven ist noch ein Student, als er diesen Gedanken zum ersten Mal in seinem Skizzenbuch notiert. Dort lässt er ihn erstmal liegen. Erst 30 Jahre später, als die Royal Symphonic Society bei ihm, dem großen Sinfoniker, zwei neue Sinfonien bestellt, holt er die Idee endlich raus. Und beschließt, etwas umzusetzen, was vor ihm noch niemand gewagt hat: eine große Sinfonie zu schreiben, indem ein ganzer Chor mitsingt! Das Problem: Zu dem Zeitpunkt ist Beethoven bereits nahezu taub.
Und so entwirft Beethoven seine 9. Sinfonie vollkommen im Kopf - und geht dabei völlig neue Wege: Er beginnt den ersten Satz nicht mit einem klar erkennbaren Thema, sondern mit einer dräuenden Klangwolke, die sich nach ein paar Takten in ein wuchtiges Thema entlädt - als würde die Musik aus einer ganz eigenen Welt emporwachsen.
Der zweite Satz ist nicht wie üblich ein langsamer Satz, sondern ein tänzerisch-wütendes Scherzo, das mit den zwei markanten Paukenschlägen und den jagenden Streichertiraden ein "wildgewordenes Bacchanal" genannt wird - und das mit dieser Assoziation sogar seinen Einzug in die Popkultur findet, als Stanley Kubrick das Scherzo prominent in seiner Verfilmung von "Uhrwerk Orange" einsetzt.
Gewaltiges Chorfinale, das alle Dimensionen sprengt
Erst im langsamen dritten Satz scheint Beethoven kurz Luft zu holen. Manche sagen auch, der Ruf der Freiheit würde hier in der Musik schon am Horizont schimmern. Dann taucht er im vierten Satz in das große Chorfinale ein.
Nach und nach stimmen vier SolistInnen und ein vierstimmiger Chor in Schillers Freudengesang ein und steigern sich immer mehr bis zu einem gewaltigen Schluss. 30 Minuten dauert dieses monumentale Chorfinale. Damit hat Beethoven im Jahr 1824 alle Dimensionen einer klassischen Sinfonie gesprengt.
Beethovens Neunte: Ein Schlüsselwerk in der Musikgeschichte
Mit der monumentalen Gesamtanlage und den vielen neuen Klangfarben wurde Beethovens Neunte ein Schlüsselwerk in der Musikgeschichte. Überhaupt waren es am Schluss der vierte Satz und der völkerverbindende Text von Schiller, die im 20. Jahrhundert den nahezu ikonischen Weltruhm begründet haben. 1972 hat der Europarat "Freude schöner Götterfunken" zur offiziellen Europahymne erklärt. 1989 flog Leonard Bernstein unmittelbar nach dem Fall der Mauer nach Berlin, um Beethovens Neunte je einmal in Ost- und Westberlin zu dirigieren, und 2001 hat die UNESCO das Autograph der 9. Sinfonie als Symbol für Kultur und Humanität in das internationale Register ihres "Memory of the World"- Programms aufgenommen. Und dann war da noch die CD! Als die digitale Compact Disc entwickelt wurde, hat man 80 Minuten Speicherzeit eingerichtet, um Beethovens Neunte auch zuhause am Stück hören zu können.