Album der Woche: Leonidas Kavakos spielt Bachs Violinkonzerte
Leonidas Kavakos ist ein Philosoph auf der Geige. Was er spielt, hat er durchdrungen, und er nimmt uns förmlich herzlich an die Hand, um uns seinen Bach zu zeigen. Er teilt sich mit in Tönen, die nicht einfach irgendeine Geschichte erzählen. Bach hat kaum Anweisungen hineingeschrieben in die Noten. Manchmal steht nicht mal eine Tempobezeichnung über einem Satz, kaum Dynamik. Früher wussten die Musiker, was sie zu tun hatten. Heute scheint Bach uns zu sagen: Denk darüber nach, was ich gemeint haben könnte. Diese Musik steht da wie ein Solitär.
Leonidas Kavakos hat Jahrzehnte lang darüber nachgedacht, er hat sich mit der historischen Aufführungspraxis auseinandergesetzt, hat historische Bögen ausprobiert, um zu verstehen, wie sich Bach seine Musik vorgestellt haben könnte. Und er hat seine Erfahrungen auf den modernen Bogen, die moderne Geige übertragen. Das Ergebnis: Er erzählt uns die Geschichte dieser hochkomplexen Musik in einer Weise, die zu Tränen rührt.
Kavakos: "Intimer kann man mit der Musik nicht werden"
Es kommt alles zusammen: die so spontan wirkende Spiellust und die Zugewandtheit zu jedem Detail, die freie Art zu verzieren. Er schreibt sich diese Verzierungen nicht in die Noten, sie kommen spontan. Die Zeit, die er sich nimmt, die Freiheit, aus dem Grundtempo herauszugehen, und all dies im kammermusikalisch feinen Zusammenspiel mit dem Apollon Ensemble, fünf Streichern und Cembalo. "Intimer kann man mit der Musik nicht werden", sagt Kavakos selbst. Besonders berührend ist der intime Dialog zwischen Solo-Geige und Cembalo.
Leonidas Kavakos' Liebe zur Musik
Die Interpretation wirkt zwar wie spontan hinmusiziert, aber trotzdem ist jeder Ton wohlüberlegt. Das ist auch der Zauber von Musikaufführung: Wenn sie gelingt, dann erfüllt sich das jahrzehntelange Nachdenken in einer beglückenden Synthese mit der Spontaneität, die aus der Liebe zur Musik und aus dem herausragenden Können resultiert. Bachs langsame Sätze, so Kavakos, "tragen uns an den Ort, an dem jede menschliche Seele gern wäre".
Zum Ende, beim innig gesungenen und einmal mehr geschmackvoll ausgezierten "Air" von Bach, kann ich nur sagen: Das gehört zum Besten, was ich in letzter Zeit in die Finger bekommen habe.
Bach - Violinkonzerte
- Genre:
- Klassik
- Label:
- Sony Classical
- Preis:
- 19,99 €