Reisen am Ende der Pandemie
Eyolf Dale verarbeitet auf seinem neuen Album "The Wayfarers" die Situation nach der Pandemie: Wie fühlt sich der Neustart mit Tour-Trubel an - nicht mehr isoliert, sondern mit Band und vor Publikum?
Haufenweise gibt es nun schon Alben, die sich ihren Reim machen auf die Frage des Jahres 2021: Wie verarbeitet die Künstlerin und der Künstler eine Pandemie? Lockdown, erzwungene Klausur im Home Studio zwischen Bett und Kante - all das. Doch jetzt kommt die Frage des Jahres 2022: Wie war das mit der wiedergewonnenen Freiheit? Wie fühlt sich das an mit Neustart, Tour-Trubel, mit Abenden in Clubs und Sälen, mit Tagen im Zug und vor allem: Nicht mehr isoliert, sondern mit Band und vor Publikum?
"The Wayfarers" beleuchtet alle Aspekte des Lebens auf Tourneen
Für Eyolf Dale begann genau da der Faden für sein neues Album. "The Wayfarers", die Reisenden, so heißt es und erst mal rennt der norwegische Pianist befreit los: Der Titelsong ist Durchatmen, Frischluft und Optimismus.
Und weil wir in Norwegen sind, spielt Dale das dann auch noch auf dem Hammerspinett und Bassist Per Zanussi harmonisiert auf der singenden Säge. Und alles ist gut. Bleibt es natürlich nicht: "The Wayfarers" beleuchtet alle Aspekte des Lebens auf Tourneen - und die sind nicht alle so heiter und befreit wie dieses Intro.
Dass das ganze Album dennoch aus einem Guss daherkommt, eine spannende Geschichte erzählt in zehn eher kurzen Geschichten - das ist einer der ganz großen Verdienste des Norwegers, der mit Elementen von Folk, Kammermusik und Improvisation spielt und damit zumindest stilistisch fest in der Tradition des norwegischen Jazz verwurzelt ist. Ohne aber diese Tradition als Routine hinzunehmen - nichts an "The Wayfarers" wirkt flüchtig oder oberflächlich. Musik helfe ihm, mit seinen Gefühlen klarzukommen und Entscheidungen für sein Leben zu treffen, so sagt Dale: "Sie bringt mich in Kontakt mit meinem Kompass".
Der Entstehungsprozess ist eine Vertrauenssache
Nach einer Reihe von Solo-Alben und Arbeiten mit größeren Ensembles ist "The Wayfarers" nach "Being" nun der zweite Anlauf im Trio mit Per Zanussi und Drummer Audun Kleive, der allein schon auf eine lange Karriere mit allen Größen des neueren norwegischen Jazz zurückblickt. Sowohl Zanussi als auch Kleive waren diesmal an allen Phasen des Entstehungsprozesses beteiligt - von den themengebenden Tourneen über den musikalischen Rahmen bis hin zu den Arrangements. Für den 36-jährigen Pianisten ist das alles Vertrauenssache: "Sie verlassen sich drauf, dass ich ihnen die musikalischen Vorlagen liefere und ich verlasse mich drauf, dass sie mit diesen Vorlagen zugleich respektvoll und respektlos umgehen."
"The Wayfarers" ist ein großes, ist ein bewegendes Album - vom überwältigenden Titelsong über Scheunenpartys wie "The Sky at Sunset" bis hin zu mächtigen Elegien wie "Fields of Kyiev" oder der meisterhaften Kontemplation "After the Party". Drei Reisende feiern die wiedergewonnene Freiheit am Ende der Pandemie und folgen ihrem Kompass.
"The Wayfarers"
- Genre:
- Jazz
- Zusatzinfo:
- Label:
- Edition Records
- Veröffentlichungsdatum:
- 27.01.2023
- Preis:
- 15,99 €