Größtmögliche Entfaltung - die Jazzpianistin Clara Haberkamp
Clara Haberkamp ist schon lange kein Geheimtipp mehr. Mit ihrem Trio hat sie zahlreiche Preise gewonnen und mehrere Alben eingespielt.
Die junge Künstlerin ist nicht nur eine herausragende Pianistin, sondern auch eine bemerkenswerte Komponistin. Haberkamp schreibt und arrangiert für unterschiedliche Besetzungen - vom Vokalensemble über Streichtrio bis zur Bigband. Studiert hat sie beides: Jazzklavier und Komposition. Neben ihren vielbeachteten künstlerischen Projekten hat sie gerade an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg ihre Promotion abgeschlossen. Zudem lehrt sie an der Universität der Künste Berlin. Bei NDR Kultur EXTRA präsentierte sich Clara Haberkamp Anfang 2023 in einem Solokonzert.
Wie nimmst du dich selbst beim Spielen wahr? Wo ist das Herz und wo ist der Kopf?
Clara Haberkamp: Der Kopf ist eigentlich nicht wirklich aktiv. Ich lasse mich sehr vom Gefühl leiten. Der Kopf ist natürlich dann aktiv, wenn ich kurz überlege, in welcher Tonart ich spiele oder ob ich vielleicht auf einer Terz landen will. Das sind aber Vorgänge, die relativ automatisch funktionieren. Ich würde sagen, ich fühle mich dann am wohlsten, wenn der Kopf nicht dabei ist.
Das heißt, du kannst in dem Moment switchen, wenn du anfängst zu spielen? Denn ich nehme dich ansonsten eher als intellektuellen Typ wahr, bei dem der Kopf eine große Rolle spielt.
Haberkamp: Ja, aber der Kopf, der ist auch nicht immer so gut. In bestimmten Momenten braucht man den einfach nicht.
Wann stört der Kopf?
Haberkamp: Der Kopf stört dann, wenn man alles analysiert und sagt: Jetzt spiele ich gleich den nächsten Ton und wenn das dann nicht so und so klingt, dann ist der nächste Akkord auch gleich Mist. Dann stört der Kopf. Wenn man sagt: Es ist egal, wie es wird; es ist das, was es ist - dann spielt man am ehrlichsten.
Was passiert mit dir emotional, wenn du die Tasten berührst?
Haberkamp: Ich verliere mich zu einem Teil darin, aber am besten natürlich nicht komplett.
Was wäre daran so schlimm, wenn du dich komplett verlieren würdest?
Haberkamp: Eigentlich wäre das gar nicht so schlimm, wenn ich mich komplett verlieren würde. Vielleicht wäre es sogar wünschenswert.
Gibt es eigentlich einen typischen Clara Haberkamp-Sound? Könntest du den beschreiben?
Haberkamp: Ich denke, filterlos wäre der Sound, den ich am meisten als Clara Haberkamp-Sound beschreiben würde, also auch unvorhersehbar und sehr kontrastreich. Dass man am Anfang nicht weiß, wo die Reise hingeht.
Das heißt, du setzt keinen Filter auf, sondern legst ihn am liebsten weg.
Haberkamp: Beim Musizieren habe ich den Filter am liebsten weg. Sonst braucht man ihn manchmal, aber beim Musizieren sollte er am liebsten weg sein. Das ist ein Vorgang, den man nicht so richtig pragmatisch beschreiben kann. Das geht auch gleich ins Esoterische und das will ich eigentlich nicht. Ich bin kein esoterischer Typ, aber in dem Moment wäre es schon gut, wenn man sich in einen Flow-Zustand begibt.
Wir erleben dich als Solistin, aber du spielst auch ganz viel mit anderen Menschen zusammen. Dein Hauptprojekt ist dein eigenes Trio mit dem Bassisten Oliver Potratz und dem Schlagzeuger Jarle Vespestad. Was verändert sich, wenn du mit diesen beiden zusammenspielst? Da bist du Bandleaderin. Lebst du das richtig aus? Geht die Reise dahin, wo du es willst, oder spielt ihr auf Augenhöhe?
Haberkamp: Ich würde sagen, das Letztere. Wir sind auf Augenhöhe und deswegen muss ich auch gar nicht immer bestimmen, wo es hingeht. Ich lasse mich gerne auch mal inspirieren. Ich schreibe zwar die Stücke, aber weiß auch, dass ich die beiden in jedem Moment dazu bewegen könnte, eine ganz andere Richtung zu gehen, das finden die auch gut. Die merken, wenn ich total losgelöst spiele und auch mal eine Überraschung zulasse. Dann ist es eigentlich immer am Besten. Wir sind total angstfrei, das ist total toll.
Das Gespräch führte Claus Röck.