Susanne Rode-Breymann über die Musikhochschule Hannover und Alma Mahler
Susanne Rode-Breymann ist Präsidentin der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Mit welchen Ideen und Visionen die Hochschule in die nächsten 50 Jahre geht und wie sie sich den digitalen Herausforderungen stellt - ein Interview:
Susanne Rode-Breymann ist ausgewiesene Wissenschaftlerin, hat zahlreiche Bücher und Texte zur Musikgeschichte, insbesondere zur Frühen Neuzeit, zur Tonkunst der Jahrhundertwende und der Neuen Musik veröffentlicht. In ihrem besonderen Fokus steht die Rolle der Frau in der Musik. So hat sie sich 2014 Alma Mahler-Werfel gewidmet und über sie eine vielbeachtete Biografie geschrieben. Seit 2006 leitet sie das Forschungszentrum Musik und Gender, das sich unter anderem mit dem Leben und Werk zu Unrecht vergessener Komponistinnen und Musikerinnen beschäftigt. Susanne Rode-Breymann ist seit 2010 Präsidentin der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, die in diesem Jahr 50-jähriges Jubiläum feiert. Mit welchen Ideen und Visionen geht die Hochschule in die nächsten 50 Jahre, wie stellt sie sich den digitalen Herausforderungen? Und welche Pläne hat Susanne Rode-Breymann, wenn ihre Amtszeit als Präsidentin an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover im kommenden Frühjahr endet?
Was ist die Musikhochschule für Sie? Was steckt für Sie da drin?
Susanne Rode-Breymann: Wir sind eine Hochschule, die relativ groß ist, für eine Musikhochschule, das liegt auch an den Medien. Das heißt konkret: viel Wissenschaft, Kommunikationswissenschaft und Forschung. Das zeigt schon dieses weite Spektrum, das wir haben. Wir sind, was die Spitze angeht, einerseits eine Musikhochschule auf sehr hohem Qualitätsniveau, also auch wirklich mit Absolventinnen und Absolventen, die auf die Stellen in den Orchestern in Europa kommen. Und andererseits haben wir eine sehr breite pädagogische Ausrichtung mit einer künstlerisch-pädagogischen Ausbildung, wo an den Musikschulen auch unglaublicher Nachwuchsbedarf ist. Drittens haben wir eben auch eine sehr große Forschungsstärke. Ich finde diese Hochschule deswegen fantastisch, weil sie in all diesen Bereichen unterwegs ist, eine sehr tolle Leistung bringt und sehr tolle Studierende aus aller Welt anzieht. Wir schaffen es immer wieder, Spitze und Breite in Balance zu bekommen. Ich finde, diese Balance und das miteinander Arbeiten in so einer Hochschule dieser Art ist eine große Herausforderung. Das hat auch immer noch den Spirit von Richard Jacobi, der genau das aufgeschrieben hat. Er hatte ein wunderbares Motto bei der Eröffnung 1973, das sieht man in seinen Schriften, seinen handschriftlichen Notizen zu den Reden: 'Nicht Idylle, sondern im Prozess der Welt.' Das ist doch unglaublich gut. Nicht zu sagen, zieht euch mal in die Idylle zurück und geht mal in den Elfenbeinturm, sondern immer zu sagen: Ihr seid im Prozess der Welt, sprich: Ihr seid im Prozess der Kultur. Das hat er schon sehr perspektivenreich mit sehr viel Weitblick als Aufgabe formuliert. Ich war da sehr inspiriert. Auch bei dem Festakt habe ich das aufgegriffen, und es ist vom Publikum sehr oft angesprochen worden. Eine ganz große Aufgabe, die er uns in diesen wenigen Worten ins Stammbuch geschrieben hat.
Sie sind nicht nur Präsidentin, Sie sind Musikwissenschaftlerin und Autorin. Sie haben ein Buch über Alma Mahler geschrieben. Wofür steht diese Komponistin für Sie?
Rode-Breymann: Wir hatten jetzt Mahlers 8. Sinfonie in den Kunstfestspielen hier in Hannover, und wir hatten Mahlers 2. Sinfonie als Abschiedskonzert von Andrew Manze. Wenn man sich diese Überwältigung des Publikums vergegenwärtigt, das waren zwei ganz herausragende Abende hier in Hannover, und dann denkt, das ist jetzt die Frau an der Seite dieses Komponisten, dann kann ich überhaupt keine Verächtlichkeit verstehen. Einen solchen Komponisten zu begleiten und sich dann auch zu überlegen, will ich wirklich komponieren, oder will ich das nicht? Es gab nicht nur diesen einen Brief. Sondern das ist ein ganz langer Briefwechsel. Wo nur seine Briefe erhalten sind, wo sie sich über die Rollenmodelle um die Jahrhundertwende auseinandergesetzt haben. Dann zu sagen, der Komponist ist das Wichtigste und alles andere, was Kultur ausmacht, spielt keine Rolle. Das ist wirklich so spannend, dass dann mal sensibel zu beschreiben. Ich finde, es hat auch ganz viel mit der Leitung einer Hochschule zu tun. Es sind lauter Menschen, die ein Potenzial entdecken und an ihre Grenzen kommen oder auch in Reibung mit Lebens- oder Berufsmodellen kommen und dann zu entscheiden, wie mache ich weiter? Dann setzt man alles auf eine Karte, will ich Orchestermusiker werden, oder bin in der Musikvermittlung gut aufgehoben? Ich sage das oft, ich möchte in dieser Hochschule keine Zinnsoldaten produzieren, die passgenau irgendwo reinpassen, sondern ich möchte wirklich einen Raum mit den Menschen öffnen, die mir anvertraut sind, Individualitäten zu entdecken. Alma Mahler hat ihre Individualität entdeckt, indem sie ein Kulturnetzwerk aufgebaut hat. Sie hat viele Künstler unterstützt, also Werfels Karriere wäre auch ohne sie nicht so gewesen, wie sie geworden ist. Das finde ich sehr spannend. Ich finde, das ist nicht marginal. Ich habe nicht diese Hierarchie. Ich bewundere unendlich, wenn jemand was komponieren kann, wie Gustav Mahler. Aber es ist nicht die einzige Rolle wie Kultur zustande kommt.
Das Gespräch führte Andrea Schwyzer.