"Singen ohne Worte": Scat-Sängerin Johanna Schneider im Gespräch
Die Stimme ist das Instrument des Jahres 2025 - und sie hat wahnsinnig viele Facetten. Die Jazzsängerin Johanna Schneider ist Expertin im Scat-Gesang. Im Gespräch erklärt sie diese Art des Singens.
Wie würdest Du den Jazzgesang beschreiben?
Johanna Schneider: Jazzgesang ist etwas losgelöster von den Noten, vom notierten Rhythmus, aber auch von der Melodie. Man ist nicht an den Belcanto gebunden, wie man es aus dem klassischen Gesang kennt, sondern kann eher die natürliche Stimme durchkommen lassen, kann auf Stimmungen eingehen, kann Instrumente mit der menschlichen Stimme imitieren und so dem Song noch mehr Ausdruck verleihen.
Und man ist auch frei zu improvisieren - und damit sind wir ganz schnell beim Scat-Gesang, ganz typisch für den Jazz. Kannst du uns diese Art des Singens erklären?
Schneider: Sehr gerne. Scat-Gesang, ist das Herzstück des Jazzgesangs. Ella Fitzgerald ist für mich die Königin des Scat-Gesangs. Letzten Endes singen wir ohne Worte. Wir improvisieren in dem Moment neue Melodien auf die gleichen Akkorde. Wir formen Silben, die keinen Sinn ergeben müssen, die aber doch irgendwie eine Dynamik haben. Es sind oftmals Silben, die Instrumente nachahmen, zum Beispiel eine Trompete. Da gibt es die lustige Geschichte von Louis Armstrong, dem das Textblatt runtergefallen ist und er dann ohne weitergesungen hat und so ins Scatten kam.
Was muss der Körper gut können? Wo muss er gut trainiert sein, um scatten zu können?
Schneider: Wenn man schnell scatten möchte, dann sollte man natürlich die Zunge gut trainieren. Es gibt eine sogenannte Jazz-Language, die man studieren kann, die man auch üben kann. Es gibt zahlreiche Bücher dazu; ein sehr bekanntes, mit dem viele Jazzsänger*innen arbeiten, heißt "Scat!" von Bob Stoloff - da gibt es richtige Scat-Etüden, die man stundenlang üben kann. Es gibt sehr unterschiedliche Arten, zu phrasieren, zu betonen. Wenn es swingen soll, muss man auch bestimmte Zählzeiten betonen, also triolisch denken.
Du stehst nicht allein auf der Bühne. Das muss sehr gut aufeinander abgestimmt sein: Wenn eine improvisiert, müssen die anderen mitmachen. Wie kommuniziert Ihr?
Schneider: Man hört sehr genau aufeinander. Scat-Gesang ist eigentlich nichts anderes als die Improvisation der Trompete, des Schlagzeugs, des Saxophons, des Klaviers. Das ist auch die Kunst dabei, dass man nicht wahllos irgendwelche Silben und Melodien vor sich hin brabbelt, sondern etwas baut, eine interessante Melodie, die etwas erzählen möchte.
Wo können wir Dich erleben mit dieser Art des Gesangs? Was sind aktuelle Projekte bei Dir?
Schneider: Das Johanna Schneider Quartet ist seit 16 Jahren meine Band. mit Tizian Jost, Andreas Kurz und Bastian Jütte. Wir haben ein neues Album aufgenommen, das noch nicht veröffentlicht ist. Außerdem singe ich in einem Ensemble mit anderen Sängerinnen, dem Gospelkollektiv. Ich habe einen Duoprogramm mit Laia Genc, einer fantastischen Pianistin aus Köln. Ich bin auch im Norden unterwegs, habe Familie in Niedersachsen und singe daher ganz besonders gern auch dort.
Das Gespräch führte Andrea Wilke.