"Rush" von Måneskin: Einsamkeit, Heimweh und belangloser Sex
Das Album "Rush!" von Måneskin vereint schmachtende Balladen mit kantigem Alternative Rock. Darin verarbeiten die Italiener überraschend kritisch ihren großen Erfolg und Ruhm.
"Rush!" heißt das dritte Album von Måneskin, die in den letzten Jahren eine Wahnsinnskarriere erlebt haben: 40 Millionen verkaufter Alben, eine Grammy-Nominierung und Platz 1 beim ESC. All das verarbeiten die Italiener nun in 17 Songs, die sich überraschend kritisch mit ihrem Höhenflug befassen.
"Für mich war es hart, so lange von zu Hause weg zu sein. Und diese ganzen Konzerte waren für mich purer Stress, denn ich wollte, dass sie perfekt waren." erzählt Sänger Damiano David im Gespräch mit NDR Info. "Ich habe immer 100 Prozent gegeben - doch wenn man das über längere Zeit tut, ist man irgendwann völlig leer. Auf diesem Album wollte ich ehrlich sein und keine negativen Gefühle verbergen. Ich wollte transparent sein - das hört man auch."
Glamouröse Welt des Showbiz? Fehlanzeige!
"Verrückt" ist für Sänger Damiano David das einzige Adjektiv, das die vergangenen beiden Jahre zusammenfasst. Seit dem Sieg beim Eurovision Song Contest 2021 schwimmen die Italiener auf einer riesigen Erfolgswelle. Doch das viele Reisen, die Auftritte in immer größeren Hallen und der Druck, mit neuen Songs aufzuwarten, fordern ihren Tribut. Deshalb geht es auf "Rush!" um Einsamkeit, Heimweh, aber auch schlechte Partys und belanglosen Sex. So viel zur glamourösen Welt des Showbiz.
"Wenn du berühmt wirst, erlebst du auch richtig üble Situationen. Etwa in Gesprächen, bei denen du merkst, dass man dir gar nicht zuhört, sondern nur irgendetwas von dir will. Meistens ist es Sex." Davon handele das Stück "Baby Said", so Damiano David. "Wir sind vielleicht Promis, aber auch ganz normale Menschen, die sich gerne mal ohne Hintergedanken unterhalten."
"Rush!": Schmachtende Balladen und kantiger Alternative Rock
Supermodels, Rockstars, Plattenfirmenbosse - geballte Oberflächlichkeit. In ihrer Kritik sind Måneskin geradezu harsch. So, als müssten sich profilieren oder abgrenzen. Dabei sind sie musikalisch recht konventionell. "Rush!" vereint schmachtende Balladen mit kantigem Alternative Rock. Die Killers, Jane's Addiction oder Red Hot Chili Peppers stehen Pate.
Anspruch oder Mainstream?
Dennoch verkauft sich Leadsänger Damiano als Künstler mit Anspruch: "Das ist es, was uns von Mainstream-Künstlern unterscheidet: Bei uns spürt man, dass die Musik handgemacht ist. Und man erkennt die besondere Beziehung, die wir zu ihr haben. Das macht uns glaubwürdiger." Das scheint ein bisschen hochgegriffen für eine Band, die ganz ungeniert auf die Dienste von Backstreet Boys-Produzent Max Martin zurückgreift. Die wenig Originelles bietet - aber die globale Jugend erreicht und sich rühmt, den ESC attraktiver für Rock-Musiker zu machen.
Bassistin Victoria freut sich bereits auf den Auftritt von Sex Pistols-Sänger John Lydon im kommenden Sommer. "Ich finde es toll, dass jemand wie er in diesem Kontext auftaucht. Einige Leute mögen ihm das zwar übelnehmen und sagen: 'Er verkauft sich da.' Aber ich denke: Wenn er seine Attitüde auf diese Bühne bringt, erreicht er eine Menge Menschen, die ihn nie zuvor erlebt haben."