Ein Hinweisschild "induktiv hören" hängt vor einem Konzertsaal. © picture alliance / dpa | Rolf Vennenbernd

Musikgenuss für Schwerhörige: Was bieten Konzerthäuser?

Stand: 16.11.2023 10:36 Uhr

Schwerhörige nehmen Musik anders wahr. Technische Hilfsmittel wie Induktionsschleifen, Smartglasses und Bluetooth-Übertragungen sollen die Möglichkeiten der Teilhabe bei Konzerten verbessern. Ein Überblick, was Kultureinrichtungen im Norden bieten.

von Chantal Nastasi

Jörg Winkler ist von Geburt an schwerhörig. Ihm fehlt das Hörvermögen in einem tieferen Frequenzbereich. Er erzählt: "Ich habe schon immer gerne Musik gehört, aber eher Musikstücke, die im Hochtonbereich sind: Jazz, Klassik, gerne auch mal Pop. Klassik höre ich gerne, weil die nicht so schnell und so laut ist. Dann kann ich die Musik besser verstehen und habe auch meinen Spaß dran."

Wunsch nach mehr Unter- und Übertitelungen 

Durch Winklers familiäres Umfeld waren Musik und Sprache immer präsent. Er besitzt ein Hörgerät und geht regelmäßig in Veranstaltungen, vor allem ins Theater, Musical oder Kabarett. "Ich behelfe mir damit, dass ich mich in Stücke einlese", so Winkler. "So weiß ich immer, um was es geht und ich kann die Sachen mit Genuss verfolgen."

Winkler ist Hörberater beim Hamburger Bund der Schwerhörigen und wünscht sich noch mehr Unter- und Übertitelungen, wie sie zum Beispiel in der Hamburgischen Staatsoper und anderen Häusern angeboten werden. In Hamburg sei das Angebot vergleichsweise groß, sagt Winkler. Viele Häuser bieten so genannte Induktionsschleifen an, die im Boden verlegt sind. Über ein Magnetfeld werden dann akustische Signale übertragen. Es gibt auch Anlagen, die über Funk oder Infrarot funktionieren. Sie sind aber störanfälliger und erfordern direkteren Kontakt. Viele Häuser stellen außerdem Kopfhörer zur Verfügung.

Induktionsspule im Hörgerät sorgt für direkte Übertragung 

"Im Hörgerät gibt es eine Induktionsspule, die das, was über das Magnetfeld gesprochen wird, direkt in das Hörgerät übernimmt", so Winkler. "Das hat den Vorteil, dass Sprache vom Mikrofon direkt ins Hörgerät übertragen wird. Die Sprecher-Entfernung, also ob jemand zehn oder 20 Meter von mir weg ist, spielt dann keine Rolle mehr."

Kulturerlebnisse für alle zu ermöglichen, ist für viele Veranstalter ein Thema. Das Mecklenburgische Staatstheater etwa bietet Stücke auch mit einer Simultan-Übersetzung in Gebärdensprache an, sowohl bei den Schlossfestspielen im Sommer als auch als Familienangebot in der Weihnachtszeit. Das Theater für Niedersachsen in Hildesheim hat insgesamt ein großes inklusives Angebot. Schon vor einigen Jahren wurde dort mit Smartglasses experimentiert, durch die Übertitelungen im Raum schwebend mitgelesen werden konnten.

Smartglasses projizieren Übertitelungen 

Das funktioniert jedoch nur für diejenigen, die eine solche Spezialbrille ausgeliehen haben, erzählt Clara-Maria Scheim vom Theater für Niedersachsen. Zu den Vor- und Nachteilen der Brillen sagte sie: "Sie haben den Vorteil, dass die Zuschauenden einstellen können, wie die Übertitel positioniert sein sollen. Sie haben aber auch den Nachteil, dass die Personen, die auf Übertitel angewiesen sind und die Smartglasses tragen, auch deutlich sichtbar werden, was oft auch mit Stigmatisierung einhergeht." 

Das aktuelle Stück "Bass im Bauch" im Theater für Niedersachsen richtet sich auch an Gehörlose, die vor allem Vibrationen erleben. Darüber hinaus gibt es eigens entwickelte Soundshirts auf dem Markt und so genannte Bassgürtel, die Scheim einmal auf einem Theaterfestival ausprobieren konnte: "Das war total spannend - auch für hörende Personen, weil man dann das Theatererlebnis nochmal ganz anders wahrnimmt."

Rücksprache mit den Betroffenen ist wichtig 

Musik- und Theatererleben neu zu denken, wird durch viele technische Hilfsmittel getriggert. Alles, was neu installiert und inszeniert wird, geschieht in Rücksprache mit Betroffenen. So auch am Staatstheater Braunschweig, wo die Hörbeeinträchtigte Leoni Schmidt das Haus bei der Einrichtung einer sogenannten MobileConnect-Anlage unterstützt hat. "Die neue Höranlage ist genial", findet Schmidt.

"Und das Tolle ist, dass sie wirklich denkbar einfach funktioniert", ergänzt Pressesprecher Johannes Ehmann. "Man muss sich nicht umständlich anstellen, um nach einem Leihgerät zu fragen. Sondern man hat eigentlich alles in der eigenen Hand. Man lädt sich einmalig eine App herunter und kann sich dann über sein eigenes Smartphone, sein Hörgerät, ein Implantat oder einfach einen Kopfhörer in den vollen Sound des Hauses einklinken."

Viele Hörgeräte werden mit Bluetooth nachgerüstet

Übertragungen über Bluetooth gibt es schon, werden aber zukünftig immer mehr werden, glaubt Eberhard Schmidt von der Bundesinnung der Hörakustiker. Viele Hörgeräte werden schon mit Bluetooth nachgerüstet. Jetzt müssen noch die Veranstalter nachziehen, was mit Kosten verbunden ist. Für ihn liegen die Vorteile der Technik auf der Hand: "Eine Induktionsanlage ist von der Frequenzbreite begrenzt auf den Bereich von 400 Hertz bis 8 Kilohertz. Die Bluetooth-Technik hat dagegen eine sehr große Bandbreite von 50 Hertz bis 10 Kilohertz und dadurch eine wirklich sehr gute Qualität."

Auch Jörg Winkler aus Hamburg nutzt sämtliche Apps über sein Smartphone und glaubt, dass sich mit der neuen Bluetooth-Technik vieles vereinfachen lässt. Jetzt müssen nur noch Veranstalter flächendeckend nachrüsten. "Man will halt einen entspannten Theaterabend genießen", so Winkler. "Und es ist wirklich ein Wahnsinns-Quantensprung, was die Technik heute alles vermag."

 

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