Alles fließt: Chormusik über das Wasser als Quell des Lebens
Es ist die Quelle allen Lebens auf unserem Planeten und Inspiration über Zeit und Vergänglichkeit nachzudenken. Das Wasser spielt eine zentrale Rolle auf "Elements", dem aktuellen Album der Kölner Vokalsolisten.
Flüsse können fruchtbare Täler speisen, während Überschwemmungen Verwüstung bringen. Das Wasser spiegelt die Komplexität des Lebens wider und ist das verbindende Element im Netzwerk Mensch und Natur. Es steht für Schöpfung und Zerstörung, Reinheit und Erneuerung im materiellen Sinn, ist aber auch ein philosophisches Konzept: Alles fließt. Alles ist in ständiger Veränderung. Panta rhei, nannte der Grieche Heraklit sein Gedankenkonzept.
Wasser ist eins der vier Elemente und findet auf dem aktuellen Album der Kölner Vokalsolisten besondere Beachtung. Das Album ist unter dem Titel "Elements" Anfang Februar 2024 bei Genuin Classics erschienen und glänzt mit den besonderen Qualitäten des Ensembles: dem sehr homogenen und transparenten Klang, einer klaren Intonation und einem sensiblen Umgang mit Sprache und Text. Der Bariton und Ensemblegründer Fabian Hemmelmann beschreibt sein angestrebtes Optimum als "sehr obertonreich, modulationsfähig; dass man sich klanglich begegnet und Vokalfarben bedenkt." Das macht für die Sopranistin Theresa Klose und den Bariton Fabian Hemmelmann den besonderen Reiz des A-cappella-Gesangs aus. Gemeinsam verwirklichen sie ihn mit ihrem Sextett: den Kölner Vokalsolisten.
Feuer, Wasser, Erde und Luft
Mit dem Programm ihres Albums umkreisen die Kölner Vokalsolisten die Idee der vier Elemente. Dabei demonstrieren sie auch ihre musikalische Wandlungsfähigkeit. Flexibel passen sie sich den unterschiedlichen Klangsprachen der Epochen und Werke an. Sie beherrschen das dichte romantische Legato ebenso wie den eher luftigen Sound eines Renaissancemadrigals oder den Farb- und Kontrastreichtum der Neuen Musik. Die Jury vom Preis der deutschen Schallplattenkritik hat das Album der Kölner Vokalsolisten im Frühjahr 2024 auf ihre Bestenliste gesetzt, und auch die International Classical Music Awards haben die Aufnahme für ihren Preis nominiert.
Die Einspielung beginnt mit einem Stück aus der Mitte des 16. Jahrhunderts: Ego flos campi von Jacobus Clemens non Papa, komponiert auf einen Text aus dem Hohelied, der in Naturbildern von der Liebe schwärmt. "Ich bin eine Blume zu Saron und eine Lilie im Tal. Wie eine Rose unter den Dornen, so ist meine Freundin unter den Töchtern." Und schon hier das Motiv des Wassers: "Ein Gartenbrunnen bist Du, ein Born lebendiger Wasser, die vom Libanon fließen."
Das Element des Wassers ist besonders präsent auf dem Album "Elements" - auch in "Tall Trees Grove" von Michael Ostrzyga. Das Stück ist von Küstenmammutbäumen inspiriert, die Wasser aus der Erde ziehen und weit nach oben in die Luft bringen. Es ist eines der Auftragswerke, die auf Anregung der Kölner Vokalsolisten entstanden sind. Ein anderes stammt vom Komponisten Stefan Heucke. In seinem Stück mit dem Titel "Andenken" vertont er das gleichnamige Gedicht von Friedrich Hölderlin. "Es ist eine wie eine Weltreise anmutende Fahrt, getragen von Winden und Wellen, eine Mischung aus Emotionen und Natur. Wir modulieren uns in diesem Stück einmal durch den Quintenzirkel", lacht Hemmelmann. Bei dieser musikalischen Wanderung entlang der Garonne, einem Fluss, der durch Nordspanien und Südwest-Frankreich verläuft, bildet wieder das Element Wasser das Leitmotiv.
Weltersteinspielung: Laura Marconis "Vorrei"
Drei der zeitgenössischen Stücke auf dem neuen Album sind als Auftrag der Kölner Vokalsolisten entstanden. Darunter ist auch "Vorrei" von Laura Marconi, ein Werk voll schwebender, schillernder Sounds, eine geheimnisvoll anmutende Klangwelt - und eine Weltersteinspielung. "Sie ist eine italienische Komponistin, die wir aus Düsseldorf kennen, von der Robert-Schumann-Hochschule", erklärt Sopranistin Theresa Klose. Marconis Komposition "Vorrei" ist inspiriert vom Fest "Posa dei lumini a mare" (dt.: "Kerzen aufs Meer setzen"), das jedes Jahr am 14. August in Savona in Ligurien (Italien) gefeiert wird. Ursprünglich war es ein Fest zu Ehren der griechisch-römischen Meeresgötter, dann für die Heilige Mutter Maria. Ursprünglich wurde den Seefahrern gedacht und für sie gebetet, heutzutage wird in ganz weltlicher Manier ein persönlicher Wunsch geäußert. Je nach Strömung schwimmen die Kerzen die Küste entlang bis auf den Ozean hinaus und verwandeln ihn in ein Meer schwimmender Sterne. "Marconi hat sowohl die Wellen als auch die Flammen auf atemberaubende Weise vertont", schwärmt Klose. "Besser könnte man die Elemente Feuer und Wasser gar nicht verbinden. Jedes Mal, das wir dieses Werk gesungen haben, hat uns sehr viel Freude bereitet."
Von Madrigalen und Motetten
Seit 2021 singen die Sopranistinnen Natasha Goldberg und Theresa Klose bei den Kölner Vokalsolisten und bringen nicht nur ihre hellen Farben, sondern auch ihre Affinität zu Alter Musik, zum Beispiel Motetten, und Historischer Aufführungspraxis, zum Beispiel mit vielen musikalischen Verzierungen, ein. Als Gegenpol zum Wasser gilt das Feuer. Auch dieses Element hat seinen Platz im Programm "Elements". Etwa im Madrigal "Fyre, Fyre" von Thomas Morley, ein Feueralarm, ausgelöst vom Herzen, das vor Liebeskummer zu verbrennen scheint - aber niemand kommt zu Hilfe.
Die Madrigale und Motetten aus der Renaissance und Werke der Romantik bilden mittlerweile einen Schwerpunkt im Repertoire der Gruppe. Ihren Ursprung haben die Kölner Vokalsolisten aber vor allem in der vokalen Kammermusik des 20. und 21. Jahrhunderts. Fabian Hemmelmann erinnert sich an die Anfangszeit: "Ausgangspunkt war ein Konzert bei der Musiktriennale 2007. Wir wollten zeitgenössische Musik machen. Ich war Gründungsmitglied und hatte nicht nur einen Hang zur Neuen Musik, sondern diesen Schwerpunkt auch in meinem Aufbaustudium gesetzt." Zu diesem Zeitpunkt suchte Dirigent Marcus Creed - damals Professor für Chorleitung an der Kölner Hochschule - für die Aufführung eines Stücks von Luciano Berio ein Ensemble. "Ich sprach mit ihm. Er war der Meinung, dass keine seiner Studierenden dieses Stück gerade realisieren könnten", erinnert sich Hemmelmann weiter. "Da sagte ich, ich hätte ein paar Leute, eine schöne Besetzung, und das Gefühl, dass jetzt der Moment sei, wo man mehr daraus machen könnte."
Die Chormusiksendung von Marcus Stäbler können Sie hier nachhören.