CD-Cover von "French Kiss" von Chilly Gonzales. © Label Gentle Threat

"French Kiss": Chilly Gonzales' Neuerfindung als Chansonnier

Stand: 21.09.2023 12:22 Uhr

Chilly Gonzales zeigt sich von einer neuen Seite: Das neue Album "French Kiss" ist eine liebevolle Verbeugung vor der französischen Kultur - und Persiflage zugleich. Musikalisch zwar nicht der große Wurf, liegen die Stärken des Musikers an anderer Stelle.

von Juliane Reil

Club oder Konzerthaus - das ist eigentlich egal. Mit seiner Musik ist Jason Beck alias Chilly Gonzales überall zu Hause. Dabei kreuzt der gebürtige Kanadier und heutige Wahl-Kölner immer wieder einmal die Linie zwischen Pop und Klassik. So auch auf seiner aktuellen Konzerttour durch Europa.

Inspiration: Gonzales lebte mehrere Jahre in Paris

Im seidenen Bademantel mit eingestickten Initialen sitzt der 51-Jährige am Klavier. Mal holt er Konzertbesucher auf die Bühne, mal bückt er sich mit dem Kopf unter den Flügel und spielt die Tastatur hinter seinem Rücken wie ein Rockstar. Auf seiner aktuellen Platte "French Kiss" zeigt sich der Künstler nun von einer neuen Seite: als Chansonnier am Klavier.

Das ist tatsächlich mal eine Premiere. Zum ersten Mal bei einem Album hört man Jason Beck alias Chilly Gonzales durchgängig Französisch singen und sprechen. Mehrere Jahre hat er in Paris gelebt. Das war anscheinend die Inspiration für die neuen Songs, die stark in Richtung Chanson gehen. Allerdings wirkt das Französisch des gebürtigen Kanadiers etwas holprig und ungelenk.

"French Kiss": Musikalisch etwas dünn

Bekannt geworden ist Gonzales mit seinen Solopiano-Alben: kurze Klavierstücke, die schnell ein griffiges Thema entwickeln und sofort eine wohlig-sentimentale Stimmung entfalten. Das neue Album "French Kiss" ist quasi Solopiano mit französischem Sprechgesang. Dazwischen ist auch mal ein elektronischer Beat zu hören, Streicher und ein aufgekratztes Saxophon. Musikalisch wirkt das mitunter etwas dünn.

Aber vielleicht ist das auch so gewollt? Auf "French Kiss" spielt Gonzales mit dem Klischee von Frankreich. Zum Beispiel, wenn er Schlagwörter wie Mitterand, Notre-Dame oder Quasimodo aufzählt, süß gehauchte Frauenstimmen auftauchen oder die Melodie aus Debussys "Claire de Lune" anklingt. Sogar der französische Pianist Richard Clayderman hat einen Gastauftritt. Die Musik wirkt wie eine liebevolle Verbeugung vor der französischen Kultur und Persiflage zugleich.

Chilly Gonzales: Begnadeter Live-Performer

Diese Ambivalenz spiegelt sich auch inhaltlich wider. In einem Stück geht es um die brennende Notre-Dame aus der Sicht eines Augenzeugen, der sieht, wie es ins Dach der Kirche regnet. Das klingt wie ein wehmütiger Abgesang auf die Kultur. Die Frage, ob Quasimodo noch irgendwie den Hubschrauber aus den Flammen bekommen hat, ist dabei der typische Humor von Gonzales.

"French Kiss" ist von der Idee her interessant, in der musikalischen Umsetzung aber nicht der große Wurf. Bei einem Künstler wie Gonzales macht das aber nichts: Seine Stärke ist seine Qualität als Entertainer. Er ist ein begnadeter Live-Performer, der im Konzert und der Improvisation seine Trümpfe ausspielt. Dafür braucht er immer wieder neues Material, um touren zu können. Das hat er jetzt.

French Kiss

Label:
Gentle Threat
Veröffentlichungsdatum:
15. September 2023
Preis:
16,99 Euro €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Nachmittag | 21.09.2023 | 15:20 Uhr

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