Eine Oper nach den Buddenbrooks: Ludger Vollmer über Kreativität
Der Hamburger Komponist Ludger Vollmer arbeitet derzeit mit Feridun Zaimoglu an einer Oper nach Thomas Manns "Buddenbrooks". Im Interview mit NDR Kultur spricht er über ideale Bedingungen für Kreativität.
Der Hamburger Komponist Ludger Vollmer arbeitet gerade an einer Oper nach den "Buddenbrooks" - dem Roman von Literaturnobelpreisträger Thomas Mann. Sie soll 2024 auf einer norddeutschen Bühne uraufgeführt werden. Ein Gespräch mit Ludger Vollmer über Kreativität, welche Rolle Stille dabei spielt und was dem Hamburger Komponisten dabei hilft, wenn dieKreativität aufhört, zu fließen.
Guten Morgen. Sie arbeiten gerade an einer Oper nach den "Buddenbrooks". Waren Sie heute schon kreativ?
Ludger Vollmer: Ich habe schon die Partitur aufgeschlagen und das Libretto dazu und einen Plan gemacht, was ich heute gerne erreichen möchte.
Also setzen Sie sich ein Ziel für den Tag - und dann wird um 8 Uhr oder um halb 8 Uhr schon begonnen?
Vollmer: Genau so ist das. Je früher, desto besser geht es, da ich immer das Gefühl habe, am frühen Morgen ist der Kopf noch nicht so zugemüllt mit Geräuschen, mit Klängen, sondern noch frei und gut ausgeruht.
So ein genaues und festgelegtes Arbeiten verbindet Sie mit Thomas Mann. Verbindet das auch in der Arbeit zu wissen, Thomas Mann hat das ähnlich gemacht?
Vollmer: Ja. Aber auch in der Arbeit mit meinen ganzen "geistigen Vorfahren". Ich kenne tatsächlich keine Biografie der alten Meister, auch keine der erfolgreichen neuen Meister, denen es anders geht. Alle müssen jeden Tag, wie Thomas Mann es beschrieben hat, mit der Zigarre ins Büro. Also ich rauche nicht, aber alle gehen ins Büro. Ich nehme einen Kaffee mit. Alle gehen in ihr Studio, in ihr Office oder ihr Arbeitszimmer. Beginnen den Tag und enden den Tag. Das ist beispielhaft. Bei Haydn oder Telemann, da kann man richtig an der Uhrzeit ablesen, wie die gelebt haben. Ich denke, das geht jedem so.
Sie wissen, wenn Sie an den "Buddenbrooks" als Oper arbeiten: Es wird ein großes Werk. Ist es entscheidend zu wissen "ich schreibe eine kleine Miniatur" oder "ein kleines Lied ohne Worte" oder eine "große Oper wie die 'Buddenbrooks'". Ist es für die Kreativität entscheidend?
Vollmer: Nein, es ist nur für die Planung entscheidend. Also beide Werke, das kleine Lied oder die große Oper, erfordern dieselbe Intensität. Also ich kann mich davor nicht drücken, sagen, jetzt mache ich mal schnell so ein Klacks aufs Papier oder so. Das ist Quatsch. Die Planung ist anders. Ich muss die Oper am Punkt X abliefern, damit die Sänger, und die Sängerinnen das gut studieren und dann sicher auf der Bühne agieren können.
Das sind sehr weite Planungsvorläufe. Um die zu erfüllen, habe ich tatsächlich in meinem Kalender dann markiert, welche Szene wann fertig sein muss. Also so streng muss ich auch zu mir selbst sein, weil natürlich auch in mir das Dolce Vita gern ruft. Aber ich kann dem nicht eher nachgeben, als sich meine Pflicht erfüllt habe.
Gibt es einen Schlusspunkt im Tagesverlauf?
Vollmer: Der ist auch familiär bestimmt, der sagt aus, dass ich um genau 16.45 Uhr aufhören muss, weil ich sonst meine S-Bahn nicht kriege. Ich fahre wieder Fahrrad und steige in die S-Bahn ein. Aber oftmals gelingt mir das nicht, weil ich noch mittendrin bin. Und dann muss ich irgendwann die Handbremse ziehen.
Was machen Sie, wenn es stockt?
Vollmer: Dann kämpfe ich erstmal. Jeder, der kreativ ist, hat eine Art Toolbox oder Werkzeugkasten. Da werden erstmal verschiedene Tools eingesetzt. Das, was stecken geblieben ist, wird rausgenommen. Und ich fange noch mal von einem Punkt an, bis zu dem es gut ging. Dann prüfe ich eine andere Möglichkeit. Wenn die auch nicht klappt, setze ich mich aufs Fahrrad und fahre ein paar Minuten. Dann bin ich im Wald. Entweder ich jogge dann und durch diese gleichmäßige Bewegung des Laufens wird etwas freigesetzt. Oder ich gehe zu so einer kleinen Wasserstelle und setze mich auf einen Baumstamm und gucke da auf das Wasser.
Das Gespräch führte NDR Kultur Moderator Philipp Schmid.