"Cowboy Carter" von Beyoncé: Kraftvolle Selbstermächtigung
Beyoncé Knowles ist Grammy-Rekordhalterin und steht für gigantisch arrangierte Bühnenshows. Ihr neues Album "Cowboy Carter" widmet sich mit Gastauftritten von Linda Martell oder Dolly Parton dem Country.
"Lassen Sie sich eins sagen: Manchmal weiß man nicht, was man mag, bis jemand, dem man vertraut, einem richtig guten Shit vorsetzt." Mit diesen Worten moderiert kein geringerer als Country-Größe Willie Nelson im Album "Cowboy Carter" den nächsten Song an und fügt hinzu: "Als nächstes hören Sie Beyoncé. Bitteschön."
"Cowboy Carter": Galante Abrechnung mit Widersachern
Beyoncé ist die erste Schwarze Solokünstlerin an der Spitze der Country-Charts. Ein Blick in die Geschichte zeigt: In den Ursprüngen des weiß gelesenen Country haben Schwarze Menschen mitgemischt. Das Banjo stammt aus Westafrika. Später haben sich Ray Charles und Linda Martell im Country genauso einen Namen gemacht wie Mickey Guyton oder Brittney Spencer es heute tun.
Dass sich weiße Hardliner an dunkler Hautfarbe stören, bekam auch Beyoncé 2016 bei den Country Music Awards in Nashville zu spüren. Das Ergebnis "Cowboy Carter" ist eine kraftvolle Selbstermächtigung, eine galante Abrechnung mit ihren Widersachern und Übelmeinenden, mit vielen klugen Details, dabei musikalisch höchst ansprechend.
Gastauftritte von Miley Cyrus bis Dolly Parton
Fünf Jahre lang hat Beyoncé an "Cowboy Carter" gearbeitet, ist dabei tief in die Geschichte der Country-Musik eingedrungen, so die Pop-Ikone auf Instagram: 27 Tracks, bestehend aus Samplings, Medleys und Songs mit Country-Elementen, aber auch Altbewährtem aus R'n'B und Pop an der Seite von Künstlern wie Miley Cyrus oder Post Malone. Besonders rührend sind Gastauftritte namhafter Größen, die in Interludes, also musikalischen Zwischenspielen, den nächsten Titel anmoderieren - zum Beispiel von Linda Martell, die erste schwarze Country-Sängerin, die es 1969 zum Grand Ole Opry in Nashville geschafft hat, oder von Dolly Parton.
Beyoncés wilder musikalischer Mix
Wie auch das letzte Album "Renaissance" besticht "Cowboy Carter" aus einem abgefahrenen Mix verschiedener Stilrichtungen. Jetzt überschlägt sich die Öffentlichkeit mit Schlagzeilen nach dem Motto: Beyoncé probiert sich im neuen Musikstil. Müsste man nicht eher sagen: Beyoncé erinnert an die Aneignung weißer Country-Vertreter? Daran, dass sich Privilegierte mit fremden Federn schmücken? Die Künstlerin selbst sagt, sie hofft, dass in vielen Jahren die Erwähnung der Ethnie eines Künstlers bei Musikgenres irrelevant sein wird. Hoffen wir es auch.