Christian Höppner: "Musik war und bleibt immer"
Mehr als zwei Jahrzehnte war Christian Höppner Generalsekretär des Deutschen Musikrats, des weltweit größten nationalen Dachverbands für das Musikleben. Ende Februar nun hat er sich auf eigenen Wunsch aus diesem Amt verabschiedet. Das Thema schulischer Musik- und Kunstunterricht treibt Christian Höppner weiterhin um, genau wie die prekäre finanzielle Lage vieler Musikschaffender.
Auf fast allen Bildern, die von Ihnen im Netz kursieren, tragen Sie ein weißes Hemd, einen Anzug und eine rote Fliege.
Christian Höppner: Die rote Fliege ist das Ergebnis eines Kulturschocks, den ich hatte, als ich konfirmiert wurde. Da zwangen mich meine Eltern einen Schlips zu tragen und das sah schrecklich aus. Da habe ich mir geschworen, das passiert nie wieder. Dann habe ich gedacht, wenn ich eine Fliege trage, dann muss sie knallbunt sein, so habe ich mich für die Farbe Rot entschieden. Denn auch die Leute, die mich nicht kennen, erkennen mich sofort an der roten Fliege.
Musikalische Nachwuchsförderung ist eines der Themen, die sich durch Ihre gesamte berufliche Laufbahn zieht.
Höppner: Ja, weil ich in der Schule selbst tolle Musiklehrer hatte, weil ich eine wunderbare Cellolehrerin hatte und später an der Hochschule auch tolle Cellolehrer. Ich konnte immer wieder davon profitieren, dass Menschen da waren, die nicht nur künstlerisch faszinierend waren, sondern die mir auch außerhalb der Musikstunde das Gefühl gegeben haben, ich bin für dich da, wenn es notwendig ist. Das hat mich sehr getragen und geprägt.
Was uns allen, die wir uns in irgendeiner Weise mit Musik beschäftigen, große Sorgen macht, sind die geplanten Kürzungen des Musikunterrichts an Schulen. Im Februar sind in Bayern und im März auch in Thüringen ziemlich erschreckende Pläne bekannt geworden.
Höppner: Ich fasse es nicht, was in unserem Land los ist. Im Moment passiert genau das Gegenteil von dem, was eigentlich notwendig wäre. Die Kultusministerkonferenz hat jetzt auf Grund der letzten Pisa-Studie beschlossen, dass die sogenannten Kernfächer, also Lesen, Schreiben, Rechnen, Mathematik, in den Fokus gestellt werden und, dass die künstlerischen Fächer, wie Musik und Kunst, also der gesamte Kreativbereich zusammengeschrumpft wird, weitgehend jedenfalls. Baden-Württemberg ist noch eine Ausnahme, aber dass selbst Bayern das tut, das finde ich schockierend.
Wir haben bundesweit wirklich eine desaströse Situation der musikalischen und der kulturellen Bildung. Norbert Lammert, der ehemalige Bundestagspräsident, spricht vom lausigen Zustand der kulturellen Bildung. Wir wissen seit Jahren, wie wichtig diese Fächer sind. Es ist wissenschaftlich erwiesen. In den Sonntagsreden wird es von der Politik propagiert, egal welche Partei, und Montag passiert genau das Gegenteil. Das ist desaströs, weil wir gerade jetzt die Fächer, von denen aus ich mir natürlich die Welt der Mathematik, der Sprache, der Geschichte der Naturwissenschaften erschließen kann, brauchen, aber nicht umgekehrt. Wir müssen die Pyramide wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Deshalb macht mich das auch ziemlich wütend, was da im Moment passiert. Denn das führt unsere Gesellschaft in die Sackgasse, wenn wir nur noch Nullen und Einsen kennen und Faktenwissen anhäufen, aber mit den Ungewissheiten des Lebens gar nicht mehr die Resilienz und auch nicht mehr die Neugierde haben, darauf zu reagieren.
Das Gespräch führte Christiane Irrgang.