Der Schauspieler Jörg Hartmann erzählt sein Leben
"Der Lärm des Lebens" ist die Geschichte über seine Eltern und Großeltern, über die Familie und den Ruhrpott. Dabei ist der Lärm nicht immer nur Krach, sondern auch Trubel, verrät Jörg Hartmann im Interview.
Für viele ist er schlicht: Peter Faber. Seit über zehn Jahren spielt Jörg Hartmann den kantigen, mürrischen Ermittler im olivgrünen Parka im Dortmunder Tatort. Kult, nicht nur im Revier. Andere denken vermutlich immer noch sofort an Falk Kupfer, den Stasi-Offizier aus der ARD-Serie "Weissensee". Aber, Jörg Hartmann ist auch der Berliner Schaubühne seit Jahrzehnten verbunden, mal ein bisschen enger, mal ein bisschen weniger eng. Dort hat er viele große Rollen gespielt. Jetzt hat er ein Buch, eine Autobiografie geschrieben: "Der Lärm des Lebens", eine Art Spurensuche. Jörg Hartmann geht zurück in seine Kindheit, geht ins Ruhrgebiet und erzählt von seinen Anfängen als Schauspieler. Darüber spricht er mit Katja Weise in NDR Kultur à la carte.
Ich habe mich ein bisschen gewundert über den Titel des Buches "Der Lärm des Lebens". Was meinen Sie mit diesem Lärm? Das Vorbeirauschen der Zeit? Ich assoziiere damit tatsächlich Krach. Wie ist das bei Ihnen?
Jörg Hartmann: Für mich ist es das natürlich auch, denn das Leben bedeutet oftmals viel Krach. Das Leben ist eine Baustelle, wie dieser schöne Filmtitel das gesagt hat. Das Buch erzählt immer wieder von solchen Momenten. Da ist viel Krach, da ist viel los, es gibt Überforderung, eben alles, was dazugehört. Aber für mich ist der Lärm auch Trubel. Ich bin Westfale und die Westfalen sind nicht die leisesten, zumindest nicht da, wo ich herkomme. Die Westfalen hört man immer relativ schnell und es hat auch was von Lebendigkeit. Für mich ist der Lärm nicht nur negativ konnotiert. Das Leben ist in der Regel selten still, zumindest im Vergleich zum Tod, wo es wahrscheinlich komplett still wird. Ich mag die Assoziationsmöglichkeiten und auch den Klang des Titels.
Sie sind in Herdecke aufgewachsen, im tiefsten Ruhrgebiet. Wie würden Sie die Atmosphäre beschreiben, in der Sie groß geworden sind? Mir ist es bei der Lektüre Ihres Buches so vorgekommen, als wären Sie wahnsinnig aufgehoben gewesen.
Hartmann: Das ist das dominante Gefühl, was bleibt, definitiv. Klar hat man immer mal seine kleinen Streitereien gehabt, aber nicht über das normale Maß hinaus, würde ich sagen. Ich habe sehr liebevolle Eltern gehabt oder habe sie immer noch. Meine Mutter lebt Gottseidank noch und erfreut sich bester Gesundheit. Mir ist später erst bewusst geworden, wenn man sich ins eigene Leben aufmacht, wie humorvoll dieses ganze Leben bei meinen Eltern war. Mein Vater war ein extremer Clown, eigentlich alle seine Brüder, das haben sie mit der Muttermilch aufgesogen. Mein gehörloser Großvater war eine ziemliche Rampensau und hat Susanne Mennekes gemacht. Der war ein bunter Hund in Herdecke. Halb Herdecke hat ihn gekannt und kennt ihn heute noch. Er war ein wirklich sehr herzlicher Mensch, sehr untypisch für seine Generation. Nicht so ein Mann mit Panzer, der die Bundesrepublik aufbaut und keine Gefühle an sich ranlässt und auch den Sohn nicht mal umarmt. Das hat, glaube ich, auch mit seiner Geschichte zu tun, mit seinen gehörlosen Eltern, wo diese Jungs gelernt haben, dass Sprache letztendlich eine Maske ist und es viel wichtiger ist, auf sein Gefühl und sein Gespür zu hören.
Würden Sie sagen, das hat sich bei Ihnen auch so eingepflanzt? Sie arbeiten schließlich mit Sprache, sind Schauspieler geworden und haben jetzt ein Buch geschrieben.
Hartmann: Ich weiß es nicht. Ich habe mich das oft gefragt. Meine Frau sagt auch immer, eigentlich hast Du ein Gespür für Leute und weißt, wie die ticken. Vielleicht hatte das mein Vater sogar noch mehr. Vielleicht habe ich davon ein bisschen übernommen und habe hoffentlich auch was von diesen Antennen.
Das Gespräch führte Katja Weise.